Enterprise-Wikis im Vergleich

07.06.2007
Von Wolfgang Sommergut 
Glaubt man den Prognosen von Analysten, dann entwickeln sich Wikis wesentlichen Tools für die Teamarbeit in Unternehmen. Die Enterprise-Varianten unterscheiden sich aber erheblich von den einfachen Web-Tools.

Beim Begriff Wiki denken viele Zeitgenossen bloß an das Erfolgsprojekt der freien Enzyklopädie Wikipedia. Während kaum noch jemand am Nutzen dieser Tools für Web-Communities zweifelt, herrscht in vielen Unternehmen noch Skepsis über die Vorteile, die sie im professionellen Umfeld bieten können. Wikis hängt immer noch der Ruf, dass sie primitive Werkzeuge seien, die eine anarchische Arbeitsweise förderten: Schließlich könne jeder Mitarbeiter bestehende Dokumente verändern, auch die von seinen Vorgesetzten.

Die Topline der Box

Hier lesen Sie ...

wozu Enterprise-Wikis gut sind;

worin sich die Produkte von einfachen Web-Tools unterscheiden;

wie die Produkte Teamarbeit, Wissensorganisation und Sicherheit unterstützen;

welche Eigenschaften "Atlassian Comfluence", "Near-Time", "Socialtext" und "Traction Teampage" aufweisen.

Die Analysten von Gartner prognostizieren indes, dass sich Wikis zu gängigen Tools der Zusammenarbeit entwickeln und im Jahr 2009 mehr als 50 Prozent aller Firmen sie einsetzen werden.

Eigene Tools für Unternehmen

Einen wesentlichen Beitrag zur Verbreitung von Wikis in Firmen dürfte eine neue Generation von Enterprise-Versionen leisten. Sie haben nicht mehr viel zu tun mit den ursprünglich leichtgewichtigen Web-Tools. Diese spezialisierten Lösungen gehen auch weit über die Features hinaus, die Sharepoint oder Notes/Domino 8 mit ihren relativ simplen Wiki-Engines bieten. Zu diesen neuen Profi-Werkzeugen zählen neben "Jotspot", das vom jetzigen Eigentümer Google neu ausgerichtet wird, auch vier Produkte, die kürzlich von der CW-Schwesterpublikation "Infoworld" getestet wurden: "Atlassian Confluence", "Socialtext", "Near-time" und "Teampage" von Traction Software.

Kontrolle eingebaut

Auch wenn die neuen Enterprise-Wikis im Vergleich zu Content-Management-Systemen (CMS) immer noch eine relativ zwanglose Teamarbeit ohne formalen Workflow erlauben, so haben die meisten von ihnen viele der bekannten CMS-Funktionen übernommen. Dazu zählt etwa ein elaboriertes Rechte-Management, so dass entgegen der ursprünglichen Wiki-Idee nicht jeder Mitarbeiter jedes Dokument verändern kann. Dabei sind mit Ausnahme von Near-time alle getesteten Systeme in der Lage, auf vorhandene Benutzerverzeichnisse wie Active Directory oder LDAP-konforme Server zurückzugreifen.

Im Gegensatz zu einfacheren Open-Source-Implementierungen begnügen sich die Enterprise-Tools nicht mit dem Erstellen von verknüpften Web-Dokumenten. Praktisch alle Systeme erlauben zusätzlich das Anlegen von Weblogs oder von Dokumentenbibliotheken, in die etwa Office-Dokumente hochgeladen werden können. Für Letzteres bieten sie grundlegende DMS-Funktionen wie Check-in und Check-out. Eine detaillierte Dokumentenhistorie gehört seit jeher zu den Stärken von Wikis, so dass sich ältere Versionen von Texten problemlos wiederherstellen lassen.

Die Enterprise-Ausführungen glänzen im Vergleich zu spartanischen freien Varianten mit Benutzerkomfort. Zu ihrer Standardausstattung gehört ein Wysiwyg-Editor, so dass Anwender nicht die – zugegebenermaßen simple - Wiki-Syntax zum Bearbeiten von Seiten lernen müssen. Außerdem implementieren einige Systeme das Blogger-API, so dass Beiträge mit gängigen Blog-Editoren verfasst werden können. Gängig ist zudem die Unterstützung für WebDAV. Damit lassen sich etwa Dokumente aus MS Office direkt in das Wiki speichern beziehungsweise von dort öffnen.

Zu den Annehmlichkeiten dieser fortgeschrittenen Wiki-Systeme gehört auch die Integration von E-Mail: Jede Seite ist so über eine eigene Mail-Adresse erreichbar. Auf diese Weise können Texte oder Anhänge via elektronische Post in das System transferiert werden. Benutzer können sich über neue Einträge ebenfalls auf diesem Weg benachrichtigen lassen oder wahlweise über RSS. Zu den Ausgabeoptionen aller Systeme gehört auch, dass sie Dokumente als PDF exportieren können. Einige Wikis unterstützen auch Office-Dateiformate.

Da die Anbieter von Enterprise-Wikis ihre Werkzeuge auch für einfaches Projekt-Management propagieren, gehören bei den meisten Terminkalender und eine Aufgabenverwaltung zum Lieferumfang. Manche Systeme begreifen sich als Application Wikis, die neben Texten und Dateianhängen eine ganze Reihe von Anwendungen unterstützen. Diesen Begriff prägte Jotspot, das vor einiger Zeit von Google gekauft wurde und beispielsweise Fehlerverfolgung, Tabellenkalkulation, Fotogalerien oder Kontaktlisten unterstützt. Atlassian bietet solche Erweiterungen für "Confluence" zwar nicht selbst an, listet aber auf seiner Website eine Vielzahl von Plug-ins auf, die von externen Entwicklern stammen. Zwei unter den von der "Infoworld" getesteten Systemen integrieren Instant-Messaging inklusive Präsenzinformationen. Es handelt sich dabei um Socialtext und Traction Teampage.

Organisation von Wissen

Die wesentliche Aufgabe von Enterprise-Wikis besteht darin, den Mitarbeitern ein Umfeld zu bieten, in dem gemeinsam Dokumente verfassen und Projekte entwickeln können. Typischerweise unterteilen diese Profi-Tools ihre Inhalte in Spaces. Sie dienen als organisatorische Einheiten für Seiten, beispielsweise für ein Projekt oder eine Abteilung. Manager eines solchen virtuellen Arbeitsraums laden Mitarbeiter in der Regel per E-Mail ein, dort Texte beizusteuern.

Die in Wikis abgelegten Informationen, seien es Produktbeschreibungen, Forschungspapiere, Ideensammlungen oder Protokolle, sollen leicht aufzufinden sein. Erwartungsgemäß spielt dabei die Volltextsuche eine zentrale Rolle, die bei allen Systemen zum Lieferumfang gehört. Traction bietet bei seiner Software alternativ zur eigenen Suchkomponente eine OEM-Version der Suchmaschine von Fast Technologies an, die über 370 Dateiformate indizieren und die Ergebnisse nach vielfältigen Kriterien filtern kann.

Projekt-Wikis

Neben der reinen Suche über die gesamten Inhalte unterstützen Wikis ihre Benutzer durch extensive Verlinkung bei der Navigation durch Dokumentensammlungen. Zu den fortgeschrittenen Funktionen zählt dabei etwa, dass die Software Seiten bidirektional verknüpft: Wenn ein Autor einen Verweis auf ein Dokument in einen Text einfügt, dann ergänzt das System die Zielseite automatisch mit einem Rückverweis ("referenziert von"). Üblich ist es zudem, dass sich unterschiedliche Ressourcen untereinander vernetzen lassen. So könnte eine Idee erstmals in einem Blog-Posting artikuliert werden, sich ein weiterführendes Brainstorming in normalen Wiki-Seiten entfalten, und schließlich könnte ein Meeting im Kalender vereinbart werden. Alle solche zu einem Projekt gehörenden Einträge lassen sich in einigen Tools über Links verknüpfen.

Als häufig genannte Repräsentanten des Web 2.0 kennen Wikis eine moderne Form von Metadaten, die meist als "Tags" (Etiketten) bezeichnet werden. Es handelt sich dabei um eine "flache" Form der Beschreibung, die im Gegensatz zu traditionellen Schlagwortsystemen auf nur einer Ebene stattfindet und die keinen vorgegebenen Katalog von Begriffen verwendet. Mit Hilfe dieser Tags können Anwender die Inhalte eines Wikis filtern und durch Dokumente navigieren, die mit dem gleichen Schlagwort versehen wurden.

Collaboration-Tools sind gute Kandidaten, um sie hosten zu lassen anstatt im Unternehmen selbst zu installieren. Zum einen benötigen sie nur einen Browser als Client, so dass sie als externe Dienste einfach in Anspruch genommen werden können. Zum anderen dienen sie häufig der Ad-hoc-Zusammenarbeit im Rahmen eines zeitlich begrenzten Projekts, so dass eine Investition in Hardware und Softwarelizenzen nicht angemessen erscheint. Schließlich unterstützen Wikis oft die informelle Zusammenarbeit ohne enge Kopplung an Workflows oder Prozesse. Eine tief greifende Integration in vorhandene IT-Systeme ist im Allgemeinen nicht erforderlich. Bei entsprechendem Bedarf lassen sich die Enterprise-Tools aber mittels Programmierschnittstellen (zumeist Web-Services) und Plug-in-APIs erweitern.

Drei der vier von der "Infoworld" getesteten Systeme können als gehostete Lösungen genutzt werden, nur Traction Software beschränkt sich auf die Auslieferung einer installierbaren Software. Socialtext und Atlassian bieten beide Optionen, wobei Socialtext den firmeninternen Betrieb nur mittels einer Kombination aus Hard- und Software ("Appliance") vorsieht. Bei Systemen, die entweder als Dienst bezogen oder selbst installiert werden können, entfallen in der gehosteten Version häufig einige Integrationsfunktionen. So klappt bei Confluence die LDAP-Anbindung nur, wenn die Software im Haus eingerichtet wird.

Backup-Optionen

Eine wesentliche Anforderung gerade für Anwendungen, die als Service genutzt werden, besteht in der Möglichkeit, die firmeneigenen Daten unkompliziert aus dem System zu exportieren. Im einfachsten Fall bieten die Lösungen eine Exportfunktion, die alle Daten in einem reimportierbaren Format aus der Software zieht. Neben dieser manuellen Datensicherung erlauben einzelne Anbieter wie Socialtext ein automatisiertes und geografisch verteiltes Backup. Zu den gängigen Sicherheitsfunktionen gehört außerdem, dass alle Enterprise-Wikis die verschlüsselte Kommunikation zwischen Browser und Server unterstützen.