Enterprise 2.0 – das mittlere Management ist das Nadelöhr

03.11.2009
Ein paar Wikis, ein bisschen Bloggen – fertig ist das Enterprise 2.0. Ganz so einfach ist es dann doch nicht, meint Willms Buhse.

CW: Bei Enterprise 2.0 geht es im Kern um einen Mentalitätswandel: weniger Kontrolle, mehr Transparenz, mehr Partizipation. Wie weit sind wir damit in Deutschland?

Buhse: Viele Unternehmen nehmen heute wahr, dass es bei ihnen Inseln gibt, auf denen das Thema lebt. Das findet etwa in Projektgruppen statt, wo mit einem Wiki gearbeitet wird, oder auf Abteilungsebene. Doch die vorhandenen Wikis und Blogs sind eher Insellösungen. Damit das Potenzial gehoben werden kann, braucht es einen unternehmensweiten Ansatz. Oft gibt es eine Bottom-up-Bewegung, die dann beim mittleren Management stecken bleibt.

CW: Die meisten Unternehmen haben gewachsene Hierarchien, Regeln, fixe Arbeitszeiten etc. Mit Enterprise 2.0 hat das nicht viel zu tun.

Buhse: Klare Verantwortungsstrukturen oder auch klassische Hierarchien sind durchaus nötig, um Projekte effizient abzuwickeln. Andererseits brauchen Sie aber Netzwerkstrukturen, die ebenso bewusst gemanagt werden müssen. Der durchschnittliche Wissensarbeiter verbringt etwa 30 Prozent seiner Arbeitszeit mit Informationssuche. Gelingt es Unternehmen, diesen Prozess zu verkürzen, weil die Mitarbeiter gut vernetzt sind und Experten sich schneller finden lassen, dann schaffen sie Produktivitätssprünge.

CW: Die eigentliche Chance durch Enterprise 2.0 liegt demnach im Wissens-Management?

Buhse: Ja, es wandelt sich komplett. Der Ansatz "Ich versuche möglichst viel zu dokumentieren und strukturiert abzulegen, ich habe tolle Datenbanken etc.", ist gescheitert. Warum? Die Mitarbeiter haben schlicht keine Lust, alles zu dokumentieren: Es macht keinen Spaß und ist unproduktiv. Es ist auch gar nicht sinnvoll, dass sich die besten Leute hinsetzen und Vorgänge dokumentieren. Sie sollen Probleme lösen und mit Kunden zusammenarbeiten.

Gerade einmal vier Prozent des Wissens eines Unternehmens ist dokumentiert, dann gibt es noch einmal zirka 16 Prozent, die liegen irgendwo auf den Servern herum – in E-Mail-Archiven, Excel-Sheets, Powerpoint-Präsentationen etc. 80 Prozent des Wissens sind komplett undokumentiert. Es steckt in den Köpfen der Mitarbeiter, und das wird auch so bleiben. Der Trick ist: Mit Enterprise 2.0 vernetzt man eher die Menschen, beziehungsweise deren Köpfe. Dort werden Anker gelegt. Beispielsweise schreiben Sie in den Microblog: "Habe gerade Proposal für den Kunden xy fertiggestellt." Dann können andere auf Sie zugehen und sagen: Ich habe auch gerade mit dem Kunden zu tun, wir sollten uns austauschen. (hv)

Lesen Sie das Interview in voller Länge unter www.computerwoche.de/1909736.