Investitionsschub durch Privatisierung und Deregulierung

Energieversorger wappnen sich für den Wettbewerb

03.01.1997

Den Anbietern von Informa- tionstechnik kann die Situation nur recht sein: Wie das französische Marktforschungsunternehmen Pierre Adoin Conseil schon im vergangenen Sommer feststellte (vgl. CW Nr. 25 vom 21. Juni 1996, Seite 77: "Stromlieferanten im Zugzwang"), schlummert hier ein riesiges Marktpotential.

Während die SAP AG noch an einer vertikalen Lösung für die Energieversorger bastelt ("ISU"), hat die Siemens-Nixdorf Informationssysteme AG (SNI) schon einen Fuß in dieser Tür: Ihre malaysische Niederlassung entwikkelte ein für die Branche maßgeschneidertes Kundeninformations- und Abrechnungssystem ("Customer Information and Billing System" = CIBS), das auch hierzulande vermarktet werden soll.

Zudem rief die Siemens Business Services GmbH & Co. OHG im Oktober vergangenen Jahres ein Joint-venture mit der Berliner Kraft- und Licht-Aktiengesellschaft (Bewag) ins Leben. Geschäftszweck der Berlin Dat Gesellschaft für Informationsverarbeitung und Systemtechnik mbH ist es, den ostdeutschen Energieversorgern Beratung und Dienstleistungen - vor allem auf dem Gebiet der Prozeßoptimierung - anzubieten.

Berlin-Dat-Geschäftsführer Stefan Keese, in Personalunion Chef der Bewag-eigenen Informationsverarbeitung, ließ seinen Blick weit in die Zukunft schweifen. Er zeichnete das Bild eines Marktes, in dem jeder Kunde seine Energie dort beziehen kann, wo er die günstigsten Konditionen erhält.

Eine solche Situation träfe die meisten Energielieferanten unvorbereitet. Die vorhandenen Strukturen erlauben ihnen meist nicht, schnell auf einen dem Wandel unterworfenen Markt zu reagieren.

Ein typischer Vertreter der Energiebranche ist die Berliner Gaswerke AG (Gasag). Wie deren Vorstandsmitglied Jörg-Olaf Liebetrau schilderte, hatte das Unternehmen bis zum Fall der Mauer Stadtgas produziert. Das war zwar nicht wirtschaftlich, machte die "Insel" Berlin aber unabhängig von fremden Energiequellen und -leitungen.

Über ihre Profitabilität mußte sich die Gasag ohnehin keine Gedanken machen. Dank der staatlichen Unterstützung war die Bilanz immer ausgeglichen. Kein Wunder, daß das erste Jahr als teilprivatisiertes Unternehmen (1992) mit einem Fehlbetrag von mehr als 180 Millionen Mark abgeschlossen wurde.

Der Vorstand reagierte, indem er den gesamten Betrieb einem Re-Engineering unterzog und seine wirtschaftlichen Ziele definierte. Er plant, 1999 wieder schwarze Zahlen zu schreiben - nicht zuletzt dank neuer Informationstechnik. Dreh- und Angelpunkt ist der Übergang von einer in Zuständigkeitsbereiche gegliederten Unternehmensorganisation zu einer prozeßorientierten Struktur. Dieser Wandel wird sich in den DV-Systemen des Unternehmens niederschlagen.

Bislang mußte sich die Gasag mit selbstentwickelten Anwendungsprogrammen behelfen, die teilweise noch in Assembler geschrieben waren und kaum Auswertungsmöglichkeiten boten. Parallel dazu hatte sich bei den 2000 Anwendern ein regelrechter Wildwuchs von inkompatiblen PC-Applikationen ausgebreitet.

Diese heterogene Landschaft soll innerhalb der kommenden fünf Jahre einem Client-Server-System mit einheitlichem Betriebssystem (Windows NT), durchgängigem Daten-Management (mit Oracle), integriertem TCP/IP-Netz und betriebswirtschaftlichen Standardanwendungen (R/3) weichen. Das Gasag-Budget veranschlagt für diese Aufgabe eine Gesamtsumme von 70 Millionen Mark.

Auf welcher Basis die Kernapplikation, nämlich die Energieverbrauchs-Abrechnung, realisiert wird, ist noch nicht entschieden. Wie kaum anders zu erwarten, hat die Gasag aber bereits eine Testinstallation des SNI-Produkts CIBS in Betrieb genommen.