Telekom vor dem Rausschmiß bei Wind

Enel-Boß: Ron Sommer fehlt unternehmerische Ethik

11.06.1999
ROM/MÜNCHEN (CW) - Die gescheiterte Fusion von Deutscher Telekom und Telecom Italia schlägt immer höhere Wellen. Nach France Télécom prüft nun auch der italienische Stromkonzern Enel, bisher zusammen mit den Franzosen Partner des Bonner Carriers im TK-Joint-venture Wind, Schadensersatzfordungen in Milliardenhöhe und verbindet dies mit bitteren Vorwürfen an Ron Sommer.

Ähnlich wie France Télécom fühlen sich auch die Enel-Verantwortlichen vom Vorgehen des Bonner Carriers im Zusammenhang mit der geplanten Fusion mit Telecom Italia düpiert. Vorstandschef Franco Tató, dessen Konzern mit 51 Prozent Mehrheitsgesellschafter von Wind ist (France Télécom und Deutsche Telekom halten je 24,5 Prozent), wirft dem Telekom-Chef in einem Gespräch mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" unter anderem eine eklatante Verletzung des Gesellschaftervertrages für Wind vor, der eine "Exklusivität der Geschäftsbeziehungen" garantiert habe. Demzufolge hätten die Deutschen ihre Partner sofort bei der Kontaktaufnahme mit Telecom Italia informieren müssen. Das sei nicht geschehen. Erst nach der Unterzeichnung der Fusionsvereinbarung habe sich Sommer telefonisch bei ihm gemeldet. Er habe das Gespräch aber nicht entgegengenommen. "Gesellschaften rufen nicht an. Sie schreiben einen offiziellen Brief", erklärte Tató. "Vorstand und Aufsichtsrat der Telekom haben gegen jede unternehmerische Ethik verstoßen."

Tató bestätigte ferner, daß sein Konzern mit einer einstweiligen Verfügung bewirken wolle, daß das Stimm- und Anwesenheitsrecht der Deutschen im Verwaltungsrat von Wind bis auf weiteres ruht. Die Wind-Geschäftsführung ihrerseits habe eine gerichtliche Überprüfung der "wettbewerbsrechtlichen Situation" angestrengt, deren Ziel offenkundig ist: Die Bonner sollen notfalls zum Rückzug aus dem Joint-venture gezwungen werden. Noch Ende März, als Ron Sommer also längst mit dem inzwischen zurückgetretenen Telecom-Italia-Chef Franco Bernabe verhandelt hatte, hätten, so der Enel-Boß, Vertreter der Telekom an einer Wind-Verwaltungsratssitzung teilgenommen, in der ausführlich über den Business-Plan für die kommenden zwei Jahre gesprochen wurde. Es könne daher nicht ausgeschlossen werden, daß vertrauliche Interna zum Wettbewerber Telecom Italia gelangt sind. Schon vor rund vier Wochen waren deshalb die mehr als 30 zu Wind abgestellten Telekom-Mitarbeiter suspendiert worden.

Der Enel-Chef machte im weiteren keinen Hehl daraus, daß er keine Grundlage mehr für eine weitere Zusammenarbeit mit den Deutschen sieht. Auch sein Unternehmen prüfe derzeit aufgrund nicht mehr vorhandener "Entwicklungsmöglichkeiten" und des "Imageverlustes" für das Ende 1997 gegründete Konsortium Wind Schadensersatzforderungen in Milliardenhöhe. Die Deutsche Telekom sei nach den jüngsten Ereignissen "kein strategischer Partner mehr, sondern allenfalls ein fremdes Unternehmen, bei dem man Leistungen einkauft".