Endbenutzersysteme halten hohen Anforderungen nicht stand

12.02.1982

WIESBADEN (je) - Im Rahmen eines Kundenauftrags unterzog die Wiesbadener EDV Studio Ploenzke GmbH & Co. KG vier Endbenutzersysteme einer Nutzwertanalyse mit Blickrichtung auf eine IMS-Umgebung. Die einer Vorauswahl unterzogenen Standardprodukte wiesen manche Vorzüge und fast unterschiedslos einen Nachteil auf: Datenschutz und Verfahrenskontrolle ließen zu wünschen übrig. Bestes System (mit einem Zielerreichungsgrad von nur 49 Prozent) wurde "Ramis II", das in Westeuropa von der Baseler Prognos AG vertrieben wird.

Betrachtet man die Entwicklung auf dem EDV-Markt, so lassen sich aus der Sicht von Ploenzke deutlich zwei Tendenzen erkennen:

I. das Bemühen der Unternehmen zu einer immer stärkeren Integration der zu verwaltenden Daten,

II. die Bestrebung, EDV-Leistung dezentral bereitzustellen, so daß es dem Anwender jederzeit möglich ist, die für ihn notwendigen Informationen zu beschreiben, zu speichern und abzurufen.

Diese Entwicklung ist in den Augen der Wiesbadener im wesentlichen auf das starke Anwachsen des Datenvolumens und der Komplexität der Datenstrukturen sowie auf die ständig steigenden Bedürfnisse der Fachabteilungen zurückzuführen. Zum Erreichen der unter I und II genannten Zielvorstellungen sind nach Ploenzke-Auffassung mindestens drei Faktoren unerläßlich:

- Einsatz eines leistungsfähigen Datenbank-Management-Systems

- Einsatz eines anwenderadäquaten Endbenutzersystems

- Einsatz von Methoden und Werkzeugen zur Koordination (etwa ein Data Dictionary)

Funktionsmängel

Einem "Endbenutzersystem" ordnet Ploenzke folgende Hauptfunktionen zu:

- Abfragesprache,

- Benutzersprache,

- Listgeneratoren,

- grafische Komponente,

- statistische Komponente,

- Datenverwaltungskomponente.

Bedingt durch die jeweilige Entstehungsgeschichte - so Ploenzke - zeigen die Systeme unterschiedliche Schwerpunkte: So verfügen die als Batch-Systeme konzipierten Listgeneratoren über eine ausgefeilte Technik zur variablen Listgestaltung, aber die Formulierung von Abfragen mittels nachträglich geschaffener Online-Komponente ist zumeist noch etwas schwerfällig. Andererseits mangelt es den auf Online-Verarbeitung ausgerichteten Systemen häufig an komfortablen Druckaufbereitungs-Funktionen.

Die allgemeine Vorgehensweise, nach der das Auswahlverfahren, von dem hier die Rede ist, durchgeführt wurde, basierte auf der Nutzwertanalyse, bei der ein allgemeiner Kriterienkatalog als hierarchisch strukturiertes Zielsystem fungierte. Die hierarchische Struktur gliederte die komplexe Entscheidungssituation in inhaltlich zusammenhängende Teilabschnitte und ermöglichte eine Gewichtung der Ziele gemäß den Bedürfnissen des Auftraggebers.

Um potentielle Fehlerquellen dieses Verfahrens von vornherein gering zu halten, wurden folgende Maßnahmen ergriffen:

- Erstellung eines detaillierten und strukturierten Kriterienkatalogs unter Einbeziehung sowohl theoretischer als auch praktischer Erkenntnisse.

- Benotung der Endbenutzersysteme in Zusammenarbeit mit erfahrenen Systemexperten

- Möglichkeit der Stellungnahme für die jeweiligen Hersteller.

Im Kriterienkatalog wurden 51 Einzelkriterien entwickelt und zu fünf Hauptgruppen zusammengefaßt.

1. Allgemeine Kriterien (beispielsweise Kompatibilität mit Betriebssystemen, Häufigkeit der Korrekturen)

2. Systemkonzept (beispielsweise Dialoggestaltung, Benutzerführung, Datenzugriff)

3. Leistungsumfang (beispielsweise Selektion, Listenerstellung, grafische Darstellung)

4. Datenschutz und Verfahrenskontrolle (beispielsweise Benutzeridentifikation, Funktionskontrolle, Datenzugriffskontrolle)

5. Einsatz eines Endbenutzersystems (beispielsweise Installation und Pflege, Dokumentation, RZ-Betrieb)

In Rahmen der Untersuchung wurden in einer Vorauswahl sogenannte "K.-o.-Kriterien" definiert, die von allen Systemen erfüllt werden mußten. Diese Kriterien waren im wesentlichen durch die beim Anwender vorhandene Hard- und Software bestimmt.

In Abstimmung mit dem Auftraggeber wurden folgende Endbenutzersysteme in den Vergleich einbezogen:

"Data Analyzer" (TSI International GmbH, München)

"Easytrieve" (Pansophic Systems GmbH, Neuss)

"Inquiry" (Informatics GmbH, Düsseldorf)

"Ramis II" (Prognos AG, Basel)

Die Untersuchung erbrachte im wesentlichen folgende Ergebnisse:

Im Punkt "Allgemeine Kriterien" wurde neben Kompatibilitätseigenschaften auch die Ausgereiftheit des Systems beurteilt. Easytrieve überzeugte durch eine weite Verbreitung am Markt und die aufgrund der langen Einsatzerfahrung geringe Fehleranfälligkeit.

Im Hinblick auf das Systemkonzept, dem zweiten Untersuchungsgegenstand, zeichnete sich der Data Analyzer durch eine besonderes flexible und benutzerfreundliche Dialoggestaltung aus. Bemerkenswert war auch die einfache Erlernbarkeit des Systems Inquiry, die eine niedrige Einstiegsschwelle für den Endbenutzer bietet.

Bei der Betrachtung der Effizienz des Zugriffs auf externe Datenbanken (in diesem Fall IMS) erwies sich Easytrieve als das leistungsfähigste System. Es nutzt alle eingerichteten IMS-Primär- und Sekundärzugriffspfade und besitzt darüber hinaus eine Optimierungsstrategie zur Linearisierung der IMS-Hierarchie.

Aufgrund einer eigenen Datenverwaltungskomponente und eines höheren Grades von gewährter Datenunabhängigkeit entspricht jedoch Ramis II am weitesten den definierten Anforderungen. Es besitzt außerdem den Vorzug einer online verfügbaren Benutzeranleitung.

Die unter dem Blickwinkel "Leistungsumfang" geforderten Kriterien erfüllen am besten Ramis II und Data Analyzer. Ramis II verfügt beispielsweise über eine Vielzahl von Möglichkeiten zur Druckbildgestaltung einschließlich zahlreicher grafischer Aufbereitungsfunktionen.

Partielle Qualitäten

Data Analyzer gestattet eine einfache Formulierung auch komplexer Suchanfragen. Dabei kann die Suchanfrage auf beliebige Satztypen ausgedehnt werden. Easytrieve besitzt den bei weitem umfangreichsten Vorrat an Booleschen und Vergleichsoperatoren. Allerdings ist der Umfang der arithmetischen Funktionen in diesem System noch nicht ausreichend.

Bei der Untersuchung der Kriterien für Datenschutz und Verfahrenskontrolle erwiesen sich alle Systeme als ausgesprochen schwach. Lediglich Inquiry bietet einige Ansätze für einen kontrollierten Einsatz des Systems.

Was schließlich den Einsatz des Endbenutzersystems betrifft, so zeigte sich, daß Easytrieve für den RZ-Betrieb den geringsten Aufwand erfordert. Zur Leistungsmessung bieten Easytrieve und Ramis II umfangreiche Hilfsmittel, die es ermöglichen schnell und gezielt Engpässe zu erkennen.

Die Summierung der Teilnutzwerte ergab, daß Ramis II dem Anforderungsprofil des Auftraggebers am weitesten entspricht. Der Zielerreichungsgrad von nur 49 Prozent macht aber auch deutlich, daß die Entwicklung im Bereich der Endbenutzersysteme noch längst nicht abgeschlossen ist. Somit zeigt die Studie auch, daß Wunsch und Wirklichkeit bei den heutigen Endbenutzersystemen in einigen Punkten noch weit auseinanderliegen.