Arbeitgeber

Employer Branding ist mehr als Marketing

06.06.2012
Von 
Ingrid Weidner arbeitet als freie Journalistin in München.

Lernen von den Mitarbeitern

Vergnügte Gesichter bei Projectplace: Das Unternehmen tut viel für die Work-Life-Balance der Mitarbeiter.
Vergnügte Gesichter bei Projectplace: Das Unternehmen tut viel für die Work-Life-Balance der Mitarbeiter.
Foto: Projectplace

"Offen und ehrlich gegenüber den Mitarbeitern sein heißt für uns auch, dass wir von ihnen lernen möchten", sagt Tingshammar. Sie sieht sich als gutes Beispiel für die Unternehmenskultur: Seit drei Jahren arbeitet sie für Projectplace in Stockholm. Nach der schwedischen Unternehmensphilosophie trägt die Familie zur Gesundheit eines Mitarbeiters bei. Deshalb unterstützt Projectplace seine Belegschaft darin, Arbeit und Familie zu vereinbaren. Dazu beitragen können flexible Arbeitszeiten, Home Offices oder auch ein freier Nachmittag, wenn ein Elternteil die Sprechstunde an der Schule besuchen muss. "Solange es mit dem Manager abgesprochen ist und es niemand ausnutzt, ist das kein Problem", ergänzt Tingshammar, deren Töchter inzwischen zehn und 15 Jahre alt sind. Als sich für sie die Möglichkeit ergab, als Country Managerin für ein Jahr zwischen Stockholm und Frankfurt zu pendeln, ergriff sie die Chance: "Ich lerne gerade sehr viel über den deutschen Markt, und es ist alles sehr faszinierend für mich."

Die Botschaft ist wichtiger als das Design

Christian Scholz hält Employer Branding für eine erfolgreiche, aber nicht ganz einfache Methode. Der Professor für Organisation, Personal- und Informationsmanagement an der Universität des Saarlandes erklärt, worauf es ankommt.

CW: Wie können Firmen eine Arbeitgebermarke entwickeln?

Scholz: Firmen müssen sich zunächst fragen, wofür sie stehen, welche Werte sie haben und mit welcher Botschaft sie gegenüber Mitarbeitern und Bewerbern auftreten möchten. Im günstigsten Fall umfasst das Konzept Arbeitgebermarke alle Personal-Management-Aktivitäten, die das Besondere des Unternehmens und der Unternehmenskultur herausarbeiten. Allerdings sollten Personalabteilungen diese Aufgabe nicht an ihre Marketing-Kollegen delegieren. Sonst ist die Gefahr groß, dass nur eine Werbebroschüre entsteht, in der sich alles um Design und Corporate Identity dreht, Fakten und die Realität jedoch verloren gehen.

CW: Welche realistischen Ziele lassen sich erreichen?

Christian Scholz, Universität des Saarlandes: "Employer Branding wird zur Katastrophe, wenn Unternehmen nur eine heile Welt versprechen."
Christian Scholz, Universität des Saarlandes: "Employer Branding wird zur Katastrophe, wenn Unternehmen nur eine heile Welt versprechen."
Foto: Privat

Scholz: Die Kunst besteht darin, das Unternehmen so auf dem Arbeitsmarkt zu positionieren, dass die wichtigen Werte klar ersichtlich sind. Denn Employer Branding soll nicht heißen, das Blaue vom Himmel herunterzuloben, sondern das "echte" Unternehmen und seinen individuellen Wiedererkennungswert so darzustellen, dass es die passenden Kunden oder Bewerber anspricht und anzieht. Eine Arbeitgebermarke kann aber noch mehr. Sie spornt Mitarbeiter zu Höchstleistungen an, wenn sie sich mit ihrem Arbeitgeber identifizieren, und bindet diese Mitarbeiter langfristig.

CW: Das klingt wie das perfekte Zaubermittel für all die Sorgen, mit denen sich Personaler herumschlagen. Wo gibt es Probleme in der Umsetzung?

Scholz: Employer Branding ist in vielen Fällen eine absolute Katastrophe, vor allem dann, wenn Unternehmen nur eine heile Welt versprechen, Manager per E-Mail die Unternehmenswerte an die Mitarbeiter verschicken, jedoch von all der schönen Rhetorik im Arbeitsalltag nichts zu spüren ist.

CW: Sollten es die Firmen lieber mit einer Blut-Schweiß-Tränen-Rede versuchen und riskieren, dass sich keiner mehr bei ihnen bewirbt?

Scholz: Ehrlichkeit und Authentizität sind sehr wichtig. Gerade kleinere Firmen sollten sich Plattformen wie Blogs oder Veranstaltungen aussuchen, in denen sie von potenziellen Bewerbern wahrgenommen werden. Es muss nicht immer Facebook oder Twitter sein, denn wichtig ist nicht, alle anzusprechen, sondern die Richtigen.

CW: Gibt es eine Erfolgsformel für Employer Branding?

Scholz: Ich empfehle die 70-20-10-Regel. 70 Prozent des Aufwands sollten für die interne Analyse und Strategiearbeit erbracht werden. Nur wenn sich Firmen im Klaren sind, wo sie stehen und in welche Richtung sie sich entwickeln möchten, können sie die Strategie umsetzen. 20 Prozent sollten sie der internen Kommunikation widmen und die eigenen Mitarbeiter von der Arbeitgebermarke überzeugen. Die verbleibenden zehn Prozent sollten sie in die externe Kommunikation investieren. Dabei kommt es weniger auf das Design und mehr auf die Botschaft an.