Schwache Umsätze, technische Pannen und Sand im Vertriebsgetriebe

EMC steckt in Schwierigkeiten

01.06.2001
MÜNCHEN (ba) - Die einst so weiße Weste von EMC bekommt immer mehr schmutzige Flecken. So hat die allgemeine Krise in der IT-Branche inzwischen auch den einstigen Börsenliebling erfasst. Gewinnwarnungen sowie Pannen in den Rechenzentren der Lufthansa und bei KPN Qwest kratzen am Image des Speicherherstellers.

"Es gibt Zeichen, dass sich das Deutschland-Geschäft abschwächt", räumt EMC-Chef Joseph Tucci in einem Gespräch mit der US-Ausgabe der "Financial Times" ein. Es sei momentan keine gute Zeit, Systeme zu verkaufen, weil viele Unternehmen ihre IT-Budgets kürzten. Um Kosten zu sparen, denke man über weitere Entlassungen nach. Vor allem in den Bereichen Marketing und Verwaltung werden einige Mitarbeiter gehen müssen. Wie viele das sein werden und welches Einsparpotenzial sich der Speicherspezialist davon verspricht, wollte Tucci nicht verraten. Bereits Anfang April, als sich andeutete, dass die Zahlen nicht wie gewünscht ausfallen werden, kündigte die Konzernspitze die Entlassung von 700 Mitarbeitern an.

Noch vor wenigen Monaten hatte der Ex-CEO und jetzige Chairman Mike Ruettgers getönt, EMC sei gegen alle Branchenprobleme immun. Malte Rademacher, Marketing-Leiter der Deutschland-Filiale von EMC, ist da zurückhaltender. Zwar gebe es Schwierigkeiten, vor allem im Geschäft mit Telekommunikationsunternehmen, bei denen das Geld nicht mehr so locker sitze. Letztendlich sei das aber kein Grund zur Beunruhigung.

Auch die internationale Werbekampagne unter dem Motto "Where Information lives" ist von den Einsparungsmaßnahmen der Firmenspitze betroffen. Im März dieses Jahres planten die Verantwortlichen, 60 Millionen Dollar in die Imagepflege zu stecken. Nun werde das Budget um die Hälfte gekürzt, heißt es in Firmenkreisen. Am Sinn und Erfolg der Fernsehspots hatten Experten schon zuvor gezweifelt.

Trotz aller Probleme bleibt der EMC-Chef optimistisch. Das Ziel, den Umsatz im laufenden Jahr um 20 Prozent zu steigern, werde man erreichen. Kein anderer Anbieter sei im Storage-Bereich so gut aufgestellt wie EMC, behauptet Tucci. Doch genau in diesem Punkt sind viele Analysten anderer Meinung.

Nach Ansicht von Bob Passmore, Speicherspezialist bei Gartner, erwirtschaftet EMC seine Umsätze in erster Linie aufgrund seiner aggressiv agierenden Verkaufs- und Marketing-Mannschaft. Diese schlage mit etwa 80 Prozent am Verkaufserfolg zu Buche, während die Produkte nur 20 Prozent ausmachten. EMC beschäftigt laut Passmore etwa 6000 Leute in seiner Vertriebsabteilung. Bei IBM sind es 1000, bei Hitachi Data Systems (HDS) zirka 500 Mitarbeiter. Allerdings haben die Wettbewerber bereits angekündigt, ihre Verkaufskräfte aufzustocken, um EMC Paroli bieten zu können. Auch die Zahlen im EMC-Geschäftsbericht für das Jahr 2000 bestätigen die starke Vertriebsorientierung. 42,1 Prozent aller Ausgaben flossen in den Sales-Bereich. Für Forschung und Entwicklung blieben dagegen lediglich 8,8 Prozent des Etats.

Doch im Getriebe dieser einst so hervorragend geschmierten EMC-Vertriebsmaschinerie knirscht hörbar Sand. Ulrich Dahmann, Leiter des Bereichs Organisation und Informationstechnik (OIT) am Klinikum Großhadern in München, berichtet von einer hohen Fluktuationsrate innerhalb der Sales-Mannschaft. Nach Einschätzung von Gartner-Analyst Passmore müssen auch die Ansprüche auf Marktführerschaft, die EMCs Marketing-Abteilungen regelmäßig mit markigen Sprüchen anmelden, kritisch betrachtet werden. So hat beispielsweise im Geschäft mit Network Attached Storage (NAS) nach wie vor Wettbewerber Network Appliance die Nase vorn. Der Versuch der EMC-Verantwortlichen, mit dem Speichersystem "IP4700" im NAS-Markt Anteile zu gewinnen, ist laut Passmore bislang nicht gelungen.

Im Geschäft mit Storage Area Networks (SANs) habe Compaq die Pole Position inne, was die Zahl der SAN-Installationen betrifft. Spitzenreiter sei EMC nur bei den Umsätzen im SAN-Geschäft, und dies beruhe laut Passmore lediglich auf den höheren Preisen, die EMC für seine Speichersysteme fordert.

Konkurrenten holen aufVor allem in Europa kämpft EMC mit Problemen. Laut einer Analyse von Gary Helmig, Analyst bei Witsoundview, dominiert hier Hitachi Data Systems den Speichermarkt für das Mainframe-Segment. Auch im Unix- und NT-Umfeld gewinne der japanische Anbieter an Boden. Die EMC-Taktik, den Konkurrenten durch den Einstieg bei Comparex im Februar letzten Jahres aus dem Markt zu drängen, ging offenbar nicht auf. Obwohl HDS nach dem Verlust des Vertriebspartners Comparex in kürzester Zeit eine eigene Mannschaft in Deutschland aufbauen musste, gelang es dem Speicherhersteller, die Stellung zu behaupten.

Auch die bislang so hoch gelobte EMC-Technik stand in den vergangenen Monaten verstärkt in der Kritik. Dazu beigetragen hat vor allem eine Reihe von Pannen. Anfang Dezember letzten Jahres verursachte zum Beispiel der Wechsel einer Festplatte in einem Symmetrix-Speichersystem im Rechenzentrum der Lufthansa einen Schwelbrand. Wolfgang Wintermeyer, Direktor für den Bereich Marketing der Lufthansa Systems Group GmbH, versucht, die Bedeutung der Panne herunterzuspielen. Der Brand sei auf den Fehler eines EMC-Servicemitarbeiters zurückzuführen. Außerdem sei die Einsatzbereitschaft des Rechenzentrums zu keinem Zeitpunkt gefährdet gewesen, da die Speichereinheit nicht zum Produktivsystem gehörte. Trotzdem reichte der Unfall für einen Großeinsatz der Feuerwehr, die einen Teil des RZs einschäumte.

Für Aufsehen sorgte die Panne im KPN-Qwest-Rechenzentrum Anfang April dieses Jahres. Hunderttausende vom Internet-Dienstleister Strato gehostete Websites waren tagelang nicht verfügbar (siehe CW 14/01, Seite 10). Auch in den Wochen danach kam es immer wieder zu Ausfällen. Was die Ursache der Panne betrifft, herrscht bis heute großes Rätselraten. Die beteiligten Parteien tun jedoch wenig, um Licht ins Dunkel zu bringen.

Die Strato-Verantwortlichen schieben die Schuld KPN Qwest in die Schuhe. Diese geben den Schwarzen Peter direkt weiter an EMC, dessen Symmetrix-System wegen eines Defekts ausgefallen sei. Der Speicherhersteller weist alle Schuld von sich. Eine Panne mit der Stromversorgung habe den Absturz verursacht. Die Aufklärung bleibt schwierig. Die EMC-Eingreiftruppe hat inzwischen alle beschädigten Teile des Speichers längst ausgebaut und in das firmeneigene Labor im irischen Cork geschickt. Eine Auswertung liegt bis heute nicht vor.

"Mit dieser Taktik versuchen die EMC-Verantwortlichen, Fehler zu vertuschen", schimpft ein ehemaliger EMC-Mitarbeiter. Auch die Kunden würden gezwungen, Probleme geheim zu halten, berichtet der Insider. Von einer offenen Kommunikation könne keine Rede sein. Auch ein Analyst, der an dieser Stelle nicht genannt werden möchte, berichtet, dass das EMC-Instrumentarium zur Problembeseitigung perfekt funktioniere. Über das in den Symmetrix-Maschinen eingebaute Modem würden die Techniker sofort über jeden Fehler informiert. Sie tauchen dann beim Kunden auf, beheben das Problem und verschwinden wieder. Dieses Remote-Wartungskonzept sei zwar sehr bequem für die EMC-Kunden, auf der anderen Seite könne der Speicherhersteller damit aber alle Probleme unter dem Tisch halten.

Wenige Tage vor dem Strato-Unfall berichtete das Internet-Portal "I-Won" ebenfalls von Pannen mit einem EMC-Speichersystem. Auffälligerweise war die Ausgangssituation die gleiche wie bei KPN Qwest. Ein Symmetrix-System hing an Solaris-basierten Sun-Servern. Der EMC-Speicher stürzte aus unerfindlichen Gründen alle paar Minuten ab. Laut der EMC-Stellungnahme würden die Techniker an dem Problem arbeiten. Weitere Details seien nicht bekannt. Mehr drang über das Problem nicht nach außen. EMC gelang es wieder einmal, den Deckel auf dem brodelnden Topf zu halten.

Personelle KonsequenzenDie Turbulenzen bei EMC haben das Personalkarussell in Gang gesetzt. Michael Ruffolo, Executive Vice President für den weltweiten Verkauf, Services und Marketing, wurde durch den EMC-Veteranen Frank Hauck ersetzt. Dieser ist bereits der dritte Manager in dieser Position während der letzten beiden Jahre. Hauck gilt als Spezialist für kritische Situationen und als Problemlöser.