Storage-Spezialist im Wandel

EMC bastelt am Cloud-Konzern

07.11.2012
Von 
Wolfgang Herrmann war Editorial Manager CIO Magazin bei IDG Business Media. Zuvor war er unter anderem Deputy Editorial Director der IDG-Publikationen COMPUTERWOCHE und CIO und Chefredakteur der Schwesterpublikation TecChannel.
Vom Boxenschieber zum breit aufgestellten Infrastrukturanbieter für Cloud Computing und Big Data: Der Speicherspezialist EMC hat einen bemerkenswerten Wandel durchgemacht.

Kurz vor der Jahrtausendwende war die IT-Branche noch leichter überschaubar. Im Markt für Highend-Storage-Systeme machten wenige Anbieter das Geschäft unter sich aus. Zu ihnen gehörten IBM, Hitachi und Storagetek, an erster Stelle aber EMC. Der Hersteller mit Hauptsitz in Hopkinton im US-Bundesstaat Massachusetts hatte ein klares Portfolio im Schaufenster: Hochpreisige Enterprise-Storage-Produkte rund um die legendären Symmetrix-Systeme und ein paar einschlägige Software-Tools.

Im Jahr 2012 bietet sich ein komplexeres Bild. EMC präsentiert sich als breit aufgestellter Infrastrukturlieferant mit einem hohen Anspruch: "Wir werden der unangefochtene Leader sein, wenn es darum geht, Hybrid-Cloud-Computing (...) zu ermöglichen", warb CEO Joseph Tucci schon auf dem hauseigenen Strategieforum im Februar 2011. Um Kunden beim Aufbau und der Verwaltung von Cloud-Szenarien zu unterstützen, offeriert der Konzern neben der Hardware eine ganze Reihe von Verwaltungs-, Automatisierungs- oder Security-Lösungen. Eine zentrale Rolle spielen die Virtualisierungsprodukte der Tochter VMware, aber auch diverse Dienstleistungs-angebote für Unternehmen mit Cloud-Plänen. Hinzu kommen schlüsselfertige Komplettsysteme wie die gemeinsam mit Cisco entwickelten Vblocks, die Server-, Storage- und Netzkomponenten mit Virtualisierungs- und Management-Software zu einem standardisierten "Building Block" für die Private Cloud vereinen. Seit mehr als zwei Jahren haben die EMC-Strategen zudem noch ein zweites Schlüsselthema ins Visier genommen: Big Data.

Tuccis Pläne für diese schon jetzt heftig umkämpften Zukunftsmärkte klingen ambitioniert. Doch EMC startet seine Offensive aus einer Position der Stärke in den angestammten Kernmärkten. Das immer noch margenträchtige Segment der externen Plattenspeichersysteme etwa dominierte EMC im zweiten Quartal 2012 nach Berechnungen von Gartner mit einem Marktanteil von mehr als 33 Prozent. Der stärkste Verfolger IBM kommt auf 13,8 Prozent.

Gute Noten für Storage-Produkte

Ähnlich stellt sich die Situation im Bereich der Speichersysteme für kleinere und mittelgroße Organisationen dar, auch wenn EMC hier mit Netapp ein starker Gegner erwachsen ist. Gartner bezeichnet die Produktgruppe unterhalb der großen Plattenspeicher als "Modular Disk Storage Solutions". Hierzu gehören etwa die Einstiegssysteme der Serien VNXe, Midrange-Produkte der VNX-Familie oder auch die Scale-out-NAS-Produkte des 2010 übernommenen Herstellers Isilon. In einem detaillierten "Vendor Rating" vergab Gartner im März dieses Jahres sowohl für EMCs externe Plattenspeicher ("Monolithic Disk Storage Solutions") als auch für die Modularsysteme jeweils die höchste Bewertung "Strong Positive". Auf der EMC-World im Mai stellte der Konzern mehr als 40 neue oder überarbeitete Storage-Produkte vor, darunter nochmals verbesserte Systeme der Highend-Familie "Symmetrix VMAX" mit einer Kapazität bis zu 4 Petabyte.

Strategische Zukäufe

Ungeachtet der Erfolge im klassischen Storage-Geschäft begann EMC schon früh, das Portfolio durch strategische Zukäufe zu ergänzen. Allein seit 2003 hat der Konzern rund 60 Unternehmen aus so unterschiedlichen Marktsegmenten wie Dokumenten-Management, Virtualisierung, Sicherheit oder Datenanalyse übernommen und dafür mehr als 14 Milliarden Dollar ausgegeben (siehe Seite 3: "Die wichtigsten Übernahmen"). "EMC wollte sich schon immer unabhängiger von den Boxen machen", kommentiert IDC-Analyst Rüdiger Spies. Von einigen Ausnahmen abgesehen, habe es sich bei den Übernahmen im Grunde fast immer um Softwareanbieter gehandelt.

Auffällig an der Akquisitionsstrategie ist, dass EMC zugekaufte Firmen wie RSA oder VMware in der Regel weitgehend selbständig agieren lässt. Das bringt einige Vorteile mit sich, wie Spies erläutert. So müsse jede dieser "loosely coupled" Geschäftseinheiten beweisen, dass sie Gewinne erwirtschaften kann. Jede Einheit unterhalte eine eigene, sehr fokussierte Vertriebsorganisation. Damit würden Konflikte, wie sie in eng integrierten IT-Konzernen häufig auftreten, vermieden. Komme es zu ernsten Problemen in einer Sparte, lasse die sich zudem leichter schließen oder verkaufen. Ein Nachteil der lose gekoppelten Organisation könne die mangelnde Durchschlagskraft sein, weil ein gemeinsames Branding fehle. Im Falle EMC funktioniere das Konzept aber recht gut. Spies: "Es ist ein sehr spezieller Weg, den EMC geht, gerade im Vergleich zu Playern wie IBM oder Oracle." Bisher aber agiere der Speicherriese damit sehr erfolgreich. Die nackten Zahlen scheinen den EMC-Granden recht zu geben. Von 2007 bis 2011 stieg der Jahresumsatz von 13 auf mehr als 20 Milliarden Dollar, der Nettogewinn von 1,6 auf 2,6 Milliarden Dollar (siehe Grafik). Besonders erfolgreich agiert die 80-prozentige Tochter VMware. 2011 verzeichnete der Virtualisierungsspezialist eine Umsatzsteigerung von 32 Prozent gegen-über dem Vorjahr. Die Sparte wuchs damit schneller als der EMC-Konzern insgesamt, der für 2011 einen Umsatzzuwachs von 18 Prozent auf 20 Milliarden Dollar meldete.