Embedded-Profis können von allem etwas

30.09.2008
Ob im Automobilbau oder in der Medizin - Entwickler von Embedded-Systemen werden in vielen Branchen gebraucht. Die besten Chancen haben IT-Spezialisten mit einem Ingenieurshintergrund.

Die verarbeitende Industrie erzielt rund 80 Prozent ihrer Wertschöpfung mit Produkten, die so genannte Embedded Systems enthalten. Die Automation von industriellen Anlagen, automatische Bremssysteme (ABS) und Airbags im Auto,Herzschrittmacher und Magnetresonanz-Tomografen: Sie alle werden gesteuert, geregelt oder überwacht durch Embedded-Systeme. Deutschland gehört derzeit nach den USA und Japan zu den größten Herstellern.

Der Branchenverband Bitkom hat eine Studie zu diesem Thema in Auftrag gegeben. Demnach arbeiten rund 80 000 Systementwickler hierzulande an Design und Programmierung von Software für solche Systeme - die meisten davon in der verarbeitenden Industrie.

Neun Prozent Wachstum

Das weltweite Marktvolumen wird laut Branchenverband auf über 160 Milliarden Euro geschätzt, das jährliche Wachstum bis zum Jahr 2010 auf neun Prozent. Kein Wunder also, dass den Spezialisten, die sich mit Embedded-Systemen auskennen, alle Türen offenstehen.

Ausbildung entscheidet

"Vor allem Mitarbeiter, die über IT- und Ingenieurwissen verfügen, haben gute Chancen", weiß Christoph Niewerth, Director Key Account Management beim Personaldienstleister Hays AG. Seiner Meinung nach sind fast alle Embedded-Profis, selbst wenn sie thematisch nicht die gewünschte Erfahrung mitbringen, gefragt. Für freie Berater, die rund um den Automobilverkauf die Geschäftsprozesse und Systeme kennen, sehe die Auftragslage hervorragend aus. Den Unterschied zwischen Embedded- und Softwarespezialisten sieht Niewerth in der Ausbildung. So seien Softwareentwickler in der Regel Informatiker, der Embedded-Spezialist eher Ingenieur, Elektro- oder Nachrichtentechniker, wobei Letzterer vorrangig mit Produkten zu tun habe, die sich anfassen lassen. Die größte Nachfrage sieht der Hays-Manager auf den Gebieten Automotive, Luft- und Raumfahrttechnik sowie Rüstung, aber auch bei mobilen Endgeräten wie Handys und medizinischen Geräten. Neben dem technischen Wissen sei es für einen Embedded-Spezialisten überaus vorteilhaft, Branchen-Know-how zu besitzen.

Zertifizierung liegt im Trend

Niewerth beobachtet ferner einen Trend zur Standardisierung. Aus diesem Grund hätten sich eine Reihe von Konsortien gebildet. Von den gemeinsam erarbeiteten Standards gehöre "Autosar" zu den bekanntesten. Mitarbeiter, die ihr Wissen auf den neuesten Stand bringen wollen, lassen sich seiner Beobachtung nach oft in Weiterbildungsinstituten zertifizieren. Sein Fazit: "Neben Know-how und Erfahrung benötigen die Embedded-Profis aber auch eine hohe Frustrationstoleranz. Schließlich kann es immer wieder passieren, dass sich ein Projekt verzögert oder gar scheitert."

Was den Umgang mit Rückschlägen angeht kann Enrik Bregasi, langjähriger Embedded-Spezialist und zurzeit im Automotive-Bereich tätig, nur zustimmen. Deshalb sei es überaus wichtig, den Markt genau zu beobachten. Bregasi: "Der Markt und vor allem die Technologien ändern sich rasend schnell. Wer im Embedded-Umfeld arbeitet, weiß, wie schnelllebig die Branche ist."

Entwickeln muss Spaß machen

Dass Bregasi bereits vor Jahren in der Robotertechnik entwickelt hat, half ihm auf seinem Weg zum Embedded-Profi genauso wie seine Erfahrungen mit Microsoft- und Oracle-Produkten. Seiner Einschätzung nach ist Learning by Doing plus Erfahrung immer noch der beste Weg, sich dieses Wissen anzueignen. "Wem es keinen Spaß macht, Software zu entwickeln, der hat im Embedded-Geschäft nichts zu suchen", ist Bregasi überzeugt.

Viele Jobs in der Automobil-Industrie

Dass die Nachfrage nach Embedded-Profis im Automotive-Bereich groß ist, weiß auch Dirk Eilers, Geschäftsfeldleiter Automotive bei der Fraunhofer-Einrichtung für Systeme der Kommunikationstechnik EKS. Grundsätzlich sei diese Art der Softwareentwicklung ein überaus differenzierter und auch langwieriger Prozess. Eilers: "Wenn jemand nur an der Implementierung mitarbeitet, reicht herkömmliches Computerwissen aus, wenn es sich aber über übergeordnete Teile im Fahrzeugbau handelt, ist weitergehendes Wissen zum Beispiel über modellbasierte Entwicklung gefragt." Aneignen könnten sich die IT-Profis das Know-how für diese komplexen Vorgänge beispielsweise durch Zusatzstudiengänge. Praktika oder Diplomarbeiten in den Unternehmen sind seiner Meinung nach ebenfalls hilfreich. Der Fraunhofer-Mann rät jungen Ingenieuren, die sich für die Welt der Embedded-Systeme interessieren, ständig am Ball zu bleiben und sich ein Leben lang zu qualifizieren.

Viele Anwendungsfehler

Auch wenn Fahr- und Flugzeugbau für Embedded-Spezialisten wichtige Aufgabenfelder bleiben, so kommen eingebettete Systeme mittlerweile auch in vielen anderen IT-Anwendungen zum Einsatz. "Zuschauerforschung beispielsweise wäre bei uns ohne die Hilfe durch Embedded-Spezialisten nicht möglich", erklärt Rainer Ostermeyer, CIO und Chef des IT-Systemhauses der GfK-Gruppe in Nürnberg. Das international agierende Marktforschungsunternehmen arbeitet auf unterschiedlichen Gebieten mit solchen Systemen. So hat das Unternehmen laut Ostermeyer im Rahmen eines EU-Auftrags die Laufzeiten von Postsendungen über diverse Landesgrenzen hinweg getestet.

Pluspunkt für Elektrotechniker

Um die Zeiten zu ermitteln, seien Chips in die Postsendungen eingebaut worden, mit deren Hilfe der Zeitpunkt der Grenzüberschreitung festzustellen war. Der CIO: "Zur Ermittlung der Gesamtlaufzeit haben wir die Betroffenen telefonisch befragt, wann sie die Post abgeschickt und wann sie sie erhalten haben." Für die unterschiedlichen Verfahren der Zuschauer-Messung benötigen die Marktforscher Profis, die für den Embedded-Bereich ausgebildet sind.

Laut Ostermeyer arbeiten diese Spezialisten, darunter etliche Externe, unter der Leitung einer Schweizer Tochterfirma der GfK. Der CIO: "Hier geht es nicht um den klassischen IT-Profi, der kaufmännische Anwendungen oder solche für die Marktforschung entwickelt, sondern vorrangig um Ingenieure. Diese Fachleute sind für das Wissen über die Fernsehtechnik der Zukunft, bei der mit digitalen Signalen gearbeitet wird, von größter Bedeutung."

Suche nach Multitalenten

Während heute alle Welt den Computerexperten mit betriebswirtschaftlichen Kenntnissen sucht, müssten die Embedded-Spezialisten Systementwickler für Hard- oder Software sein, die in der Mikroprozessor-Technologie fit sind, spezielle Programmiersprachen beherrschen und sich möglicherweise mit Satellitentechnologien auskennen. Ostermeyer: "Die Suche nach solchen qualifizierten Experten ist aufgrund des Fachkräftemangels nicht ganz einfach."(hk)

Embedded-Honorare

Der Online-Freiberuflerdienst Gulp hat im Sommer die Honorare für selbständige Embedded-Experten ausgewertet. Folgende Profile sind identifiziert worden:

  1. Open-Source-Profis können 60 Euro pro Stunde verlangen.

  2. Die hardwarenahen Programmierer landen bei 65 Euro ebenso wie

  3. die klassischen Entwickler mit Java- und C/C++-Kenntnissen.

  4. Berater und Systementwickler bekommen fünf Euro mehr in der Stunde.

  5. Softwarearchitekten können mit 75 Euro pro Stunde rechnen.

  6. Architekten, die zusätzlich den Embedded-Standard Autosar beherrschen und in der Automotive-Branche zu Hause sind, verlangen 85 Euro pro Stunde.