Oracle-Vormann will die Monokultur

Ellison: "Werfen Sie Ihre alten Anwendungen weg!"

26.11.1999
MÜNCHEN (CW) - Oracles Chief Executive Officer (CEO) ist bekannt für seine provokanten Äußerungen. Doch auf der diesjährigen Anwenderkonferenz Openworld in Los Angeles überraschte Larry Ellison selbst Kenner: Er forderte die Anwender auf, ihre Systeme für das Backend und Frontend wegzuwerfen und nur noch auf Oracle und die geplante Suite "11i" zu setzen.

Nach Ansicht von Ellison muß endlich Schluß sein mit dem Best-of-Breed-Gedanken, für jeden Anwendungsbedarf das jeweils beste Produkt am Markt zu kaufen. "Diese ganzen Anwendungen zusammenzustecken ist der falsche Weg", mahnte er die Zuhörer. Vielmehr sollten die Kunden sich für einen Hersteller entscheiden und Komplettpakete anschaffen. Es sei im Zeitalter des allumfassenden E-Business "verrückt", den Markt weiter in Nischenanwendungen zu untergliedern und etwa in Kategorien von Software für das Kunden-Management (CRM) oder betriebswirtschaftlicher Standardsoftware (ERP) zu denken. Statt dessen benötigten die Anwender ein Anwendungspaket aus einer Hand, mit integrierten Funktionen, die über einen Browser erreichbar sind. Diese aber könne nur Oracle bieten, während man "SAP wegwerfen sollte, weil mit deren Produkten kein E-Business möglich ist".

Die Wirklichkeit sieht jedoch anders aus, als Ellison sie malt. So wird sich wohl kaum ein Kunde finden, der seine millionenschweren Investitionen über den Haufen wirft, um exklusiv Oracles Produkte einzusetzen. Auch kündigt der Hersteller mit viel Getöse Produkte an, die sich dann deutlich verspäten. Dies ist der Fall bei der Web-basierten CRM-Suite, die Herstellern wie Siebel Konkurrenz machen soll, dem "Internet File System" für die Datenbank "8i" und auch bei der Anwendungssuite "11i", die erstmals die eigenen CRM- und ERP-Produkte vereinen soll. Zudem ist Oracle mit seinem globalen Ansatz nicht allein. So laufen etwa bei den Konkurrenten SAP mit der Architektur von "Mysap.com" oder Baan vergleichbare Bestrebungen, integrierte Anwendungspakete zu bauen.

Auch gelingt es Oracle nur langsam, Anwender und Analysten von seinem neuen Image eines Komplettanbieters für das E-Business zu überzeugen. Trotz der zahlreichen Ankündigungen Web-basierter Produkte und neuer Online-Dienste bleibt das Datenbankgeschäft die wichtigste Einnahmequelle (Zu den Produktankündigungen siehe Seite 20). So rechnet der Hersteller in diesem Kalenderjahr mit Lizenzverkäufen im Wert von 4,3 Milliarden Dollar. Davon entfallen laut einer Einschätzung der Bank of America nur 845 Millionen auf Applikationen, während mit Datenbanken voraussichtlich 3,14 Milliarden Dollar eingefahren werden. Und auch bei den mit E-Business verbundenen Diensten kann Oracle sich momentan nicht mit seinem ärgsten Konkurrenten IBM messen. Big Blues Service-Division, die sich als Integrator und nicht als Runderneuerer à la Oracle versteht, erwirtschaftete schon 1998 rund 25 Milliarden Dollar.