Elektronische Tageszeitung bei der SAP AG Online-News von der Phamarzie bis zu Imaging und Multimedia Von Angela Huwe*

16.09.1994

Waehrend andere noch ueber Online reden, laesst man sich bei der SAP AG in Walldorf taeglich relevante Neuigkeiten aus der DV-Branche direkt an den jeweiligen Terminal am Arbeitsplatz liefern. Moeglich macht dies die elektronische Tageszeitung "First!", die als Lotus- Notes-Anwendung innerhalb eines Jahres zu einem umfassenden Informationssystem avancierte, das derzeit rund 100 SAP- Mitarbeiter nutzen.

Der Einfuehrung eines neuen weltweiten Informationssystems fuer SAP- Mitarbeiter lag der zunaechst nicht sonderlich neue Gedanke zugrunde, dass Dokumente, unabhaengig von ihrem Umfang, elektronisch besser verteilt und auf diese Weise die Papierflut reduziert werden sollte. Multimediale "Viewer" und zusaetzlich Publishing- Features von DTP-Programmen erwiesen sich jedenfalls als ungeeignet fuer die weltweite Kommunikation.

Konkreter Anlass fuer den Start eines solchen Projekts und erster Test fuer das ausgewaehlte Produkt Lotus Notes war die Abloesung des R/3-Produkthandbuchs. Dieses war fuer den internen Gebauch bei SAP konzipiert, enthielt Detail-Informationen zu dem damals noch neuen Produkt - und wurde auf Papier aktualisiert. Mit entsprechenden Folgen, denn die im wesentlichen Marketing- und Sales-bezogenen Aussagen umfassten zum Zeitpunkt der Einfuehrung von Lotus Notes im Maerz 1993 bereits zwei Baende. Mit dem Groupware-System stand nun aber ein Medium zur Verfuegung, um Informationen "leichter innerhalb der SAP und ihren Partnern zu verbreiten", fasst Oliver Mainka, Projektleiter fuer Lotus Notes bei SAP, die Ausgangssituation zusammen.

In einer dreimonatigen Testphase wurden dann das R/3- Produkthandbuch in Notes ueberfuehrt sowie zwei Server (in Walldorf beziehungsweise in den USA) installiert, um entsprechende Server- Replikationen zu erproben. Von Mitte bis Ende 1993 durchlief das Projekt seine zweite Phase, in der man einzelne Datenbanken verfeinert und das gesamte System auf 30 Laender ausdehnte. In der momentan laufenden dritten Phase hat man es sich bei SAP zum Ziel gesetzt, moeglichst viele Partnerfirmen in den Lotus-Notes-Verbund zu integrieren, darueber hinaus auch die ersten Kunden anzuschliessen und innerhalb des Unternehmens ein flaechendeckendes Informationssystem anzubieten. Projektleiter Mainka ist jedenfalls zuversichtlich: "Wenn die Unix-Version von Notes kommt, hat jeder unserer rund 4100 Mitarbeiter Zugriff auf das System."

"SAP Infoline" heisst derzeit die zentrale Anwendung in Notes. Sie umfasst nicht weniger als 25 Datenbanken zu unterschiedlichen Themengebieten. Eine dieser Datenbanken fungiert dabei sogar als "Question-and-Answer-Service". Rund 2000 SAP-Mitarbeiter sind an Infoline angeschlossen - darunter alle Mitarbeiter aus den Bereichen Marketing und Vertrieb, viele im Consulting-Business, noch wenige allerdings in der Entwicklungsabteilung.

Nach der erfolgreichen Einfuehrung von Infoline geht es jetzt um Konsolidierung und kontrollierte Erweiterung des Online-Dienstes. Ohne gewisse Startschwierigkeiten ging die Einfuehrung von Lotus Notes allerdings auch bei SAP nicht ueber die Buehne. Mainka gibt zu bedenken, dass es sich um ein weltweites Projekt handelt, das Auswirkungen auf die "Arbeit jedes Mitarbeiters und auf die Technik in jedem Buero" hat. So muss beispielsweise die Stabilitaet sowohl der Server als auch der Software in allen beteiligten Laendern garantiert und eine entsprechende Administration organisiert werden.

Lesestoff von einer

besonderen Art und Weise

Eine der Datenbanken enthaelt nun einen Lesestoff besonderer Art: "First!", eine auf individuelle Leserprofile zugeschnittene Tageszeitung, herausgegeben von der Individual Inc. in Boston, USA. 100 SAP-Mitarbeiter aus dem Kreis der Infoline-Nutzer beziehen hier jeden Tag via Bildschirm 30 bis 50 aktuelle Meldungen zum Hard- und Softwaremarkt sowie ueber diverse DV- Dienstleistungsbereiche. Die drei genannten Themengebiete wurden zu Beginn des Projekts festgelegt, gleiches gilt fuer die taegliche Menge der Artikel. Jeder der 100 "Leser" blaettert, wann und sooft er will, in seiner taeglichen "Zeitung". Dabei kann er gezielt suchen oder sich in den nach Datum und Inhalten vorsortierten Meldungen an fuer ihn interessanten Ueberschriften orientieren.

"First!" verarbeitet die Informationen der weltweit wichtigsten Nachrichtenagenturen und Informationsdienste, darunter Reuters, Business Wire, AP, AFP und IDGs PR Newswire, aber auch die wichtigsten gedruckten Publikationen. Nicht nur die DV mit ihren zahlreichen Facetten, sondern auch die Telekommunikation mit allen dazugehoerigen Spezialthemen ist im Informationsangebot der Online- Zeitung eine Selbstverstaendlichkeit. Beruecksichtigt werden aber auch die Branchen Pharmazie, Food, Automobil, Energie, Luft- und Raumfahrt, Verteidigung, Transport und Verkehr, Finanzdienstleistungen, Halbleiter und elektronische Bausteine, Imaging und Multimedia, Massenkommunikation und Medien.

Der Abonnent waehlt die fuer ihn relevanten Themengebiete und ihre Feinstruktur aus und kann diese auch immer wieder veraendern oder anpassen. Neu ist zum einen das Produktionsverfahren, zum anderen das technische Verteilkonzept, naemlich mit Hilfe eines selbstlernenden, interaktiven Expertensystems aus einer riesigen Zahl von Nachrichten die fuer einen einzelnen Leser relevanten Informationen herauszufiltern. "First!" arbeitet dabei vollautomatisch von der Informationsquelle bis zum Endgeraet des Lesers. Empfangen laesst sich die taegliche Menge an Meldungen per Telefax, Internet, MCI Mail, AT&T Mail, eWorld und andere an das Internet angeschlossene E-Mail-Dienste sowie ueber Wordperfect Office, CC:Mail und Lotus Notes.

Bei SAP hat man sich jedenfalls neben einem modernen Konzept fuer den Informationsaustausch auch fuer eine neue Art der taeglichen Nachrichtenbeschaffung entschieden. Mainka, selbst

"First!"-Leser, bringt die Vorteile auf den Punkt: "Elektronisch auf den Tisch. Wir muessen den Informationen nicht mehr hinterherjagen." Das Preis-Leistungs-Verhaeltnis sei gut, so der SAP-Groupware-Spezialist, auch deshalb, weil dieser Dienst "andere Newsletters ersetzen kann".

Claudia Schramm, Mitarbeiterin im Vertrieb der SAP, benutzt das Online-Medium als eine Art Wissensdatenbank und zum Ueberblick. Sie blaettert zwar, da ihr meistens die Zeit dazu fehlt, nur gelegentlich darin, dann aber immer mit speziellen Fragen der Art: "Was gibt es Neues im LAN- und Hardwaremarkt?" "First!" ermoeglicht eine gute Uebersicht ueber das, was weltweit geschieht, in allen Bereichen der Datenverarbeitung", fasst sie ihren Eindruck zusammen.

Online-Fachmedium

mit deutlichem Mehrwert

Martin Hofmann, Mitarbeiter im Marketing von SAP, liest "taeglich und am liebsten "First!"". Ihm dient die Online-Zeitung als "Fachmedium", in das er jeden Tag hineinschaut. Dabei macht er sich nicht gezielt auf die Suche, sondern blaettert in den nach Datum sortierten Artikeln, liest alles ueber SAP und moeglichst viel auch ueber die Konkurrenz der Walldoerfer. Dass die Artikel englischsprachig sind und (noch) eine deutliche Orientierung hin zum amerikanischen Markt ausweisen, stoert die Leser nicht. Immerhin spielt hier bekanntlich die Musik in der Softwarebranche. Fuer "grosse, international operierende Unternehmen bietet "First!" jedenfalls einen deutlichen Mehrwert", lehnt sich Marketing-Mann Hoffmann weit aus dem Fenster. Er will der Online-Zeitung auf jeden Fall treu bleiben, einfach aufgrund der "tagesaktuellen Informationen von den weltweit wichtigsten Nachrichtenanbietern".