Elektronische Medien eroeffnen neue Geschaeftsfelder fuer Verlage Die Computerwoche trainiert mit Datex-J fuer das Online-Zeitalter

23.09.1994

CW-Bericht, Stefanie Schneider

Online-Publishing ist im Kommen - und der Computerwoche Verlag mischt bereits fleissig mit: Im "1&1 PC Container" von Datex-J koennen taeglich die neuesten Nachrichten ueber den DV-Markt abgerufen werden. Ziel ist es, die Marktposition des Kernprodukts zu staerken und Erfahrung zu sammeln. Noch stellen die neuen Online-Medien fuer Verlage keine echte Alternative zu den Offline- Publikationen dar. Kommt aber der Tag X, heisst es zumindest beim Computerwoche Verlag: Wir sind da.

Mit der multimedialen Informationszukunft gleich das Ende des Mediums Papier zu prognostizieren waere zumindest voreilig: Noch fehlt die Infrastruktur, damit Produkte wie Zeitungen oder TV on demand ein breites Publikum ansprechen koennen. Die Aktivitaeten der Verlage in diese Richtung dienen derzeit eher dazu, prophylaktisch die Claims abzustecken. Die Printmedien Zeitung, Zeitschrift oder Magazin werden auch in der naechsten Zeit das Kerngeschaeft bleiben.

Dennoch bieten sich durch die Verbreitung der PCs und deren zunehmende Vernetzung heute bereits Moeglichkeiten, die verlegerischen Taetigkeiten auf den elektronischen Sektor auszudehnen. Als Traegermedium eignen sich zum Beispiel CD-ROMs. Die Informationen koennen aber auch ueber Serviceanbieter online bereitgestellt werden.

Die Computerwoche Verlag GmbH hat sich schon fruehzeitig in den neuen Maerkten umgetan: Die "COMPUTERWOCHE online" steht seit Herbst 1993 ueber den Online-Datenbankanbieter "Genios" zur Verfuegung. Als COMPUTERWOCHE-Archiv ist ausserdem eine CD-ROM erhaeltlich, die dreimal jaehrlich aktualisiert wird.

Beide Produkte decken sich im Informationsgehalt mit dem gleichnamigen Printmedium. Sie sind als komplementaere Angebote konzipiert, die separat vermarktet werden, aber keine Alternative zum Kerngeschaeft "CW" darstellen. Ziel war es, den Zugriff auf Informationen schneller und komfortabler als im CW-Papierarchiv zu ermoeglichen.

Etwas anders verhaelt es sich mit den taeglichen CW-Nachrichten, die seit April dieses Jahres im "1&1 PC-Container" von Datex-J angeboten werden. Dabei handelt es sich nicht um eine elektronifizierte Original-COMPUTERWOCHE. Die Informationen aus dem weltweiten News-Netz der CW-Muttergesellschaft IDG und aus der CW werden von der Redaktion speziell fuer den Online-Dienst ausgewaehlt und aufbereitet. Trotz redaktioneller Eigenleistung ist die Aktivitaet jedoch weniger unter dem Gesichtspunkt der aktiven Vermarktung, sondern vielmehr als flankierende Massnahme zur Staerkung des Printmediums positioniert.

Aus Sicht des Computerwoche Verlags dient das Datex-J-Engagement der Marktpraesenz und -erweiterung. So hat sich Datex-J, ehemals Btx genannt, zum durchaus ernstzunehmenden Online-Dienst entwickelt. Waehrend der Telekom-Service 1990 noch mit rund 260 000 Nutzern dahinduempelte, sind es heute schon 610 000 Datex-J- Anwender. Dadurch bietet sich fuer den Verlag die Moeglichkeit, den Namen "COMPUTERWOCHE" imagefoerdernd zu plazieren und neuen Lesern den Kontakt zum Kernprodukt zu erleichtern, das als reiner Abonnement-Titel auf die Breitenwirkung durch stete Praesenz am Kiosk verzichten muss. So werden zum Beispiel am Erscheinungstag der neuen CW aktuelle Nachrichten in gekuerzter Fassung in den PC- Container eingespielt. "Die Zeitschrift bleibt das ,Original' Datex-J kann kein Ersatz sein, bestenfalls Ergaenzung - eine sinnvolle, wenn neue Leser an die COMPUTERWOCHE herangefuehrt werden. Schliesslich erhoeht sich dadurch der Bekanntheitsgrad der CW", erklaert CW-Chefredakteur Dieter Eckbauer.

Der Vorteil gegenueber dem gedruckten Medium liegt in der Aktualitaet, die durch den taeglichen Meldungs-Input realisiert wird. Die agenturaehnliche Aufbereitung von mindestens sechs Nachrichten pro Tag bietet sich fuer Nutzer an, denen der Wochenrhythmus der gedruckten CW nicht genuegt; die einen schnellen Ueberblick ueber Veraenderungen am Computermarkt benoetigen. Davon koennten zum Beispiel andere Redaktionen, Berater oder Anbieter profitieren. Eckbauer verdeutlicht den Unterschied:

"Die CW ist ein Komplettmenue, das man gerade vor sich stehen hat. Beilagenaenderungen sind nicht moeglich. Datex-J ist der Automat fuer Snackportionen, die damit jederzeit zur Verfuegung stehen. Eine Entweder-oder-Entscheidung gibt es nicht - gut, beides zu haben."

Bisher sind die Erfahrungen mit dem Online-Publishing via Datex-J, das in Kooperation mit der 1&1 Marketing GmbH realisiert wurde, durchaus positiv. Das Angebot wird von den Anwendern gut genutzt. Taeglich klicken sich im Durchschnitt rund 350 Datex-J-User durch die DV-News der CW - mit steigender Tendenz.

In einer Umfrage der 1&1 Marketing GmbH ueber die beliebtesten Dienste einer Kategorie wurden die Online-Nachrichten der CW und deren Schwesterpublikation "PC-Welt" im PC-Bereich bereits an zweiter Stelle hinter dem WDR Computer Club genannt, der schon seit Jahren

via Datex-J beziehungsweise Btx zur Verfuegung steht. Die Informationen des Computer Clubs sind allerdings staerker an der Technik orientiert, wodurch sich die Zielgruppe vermutlich nicht als 100prozentig deckungsgleich bezeichnen laesst.

Das Datex-J-Angebot soll in Zukunft noch ausgebaut und spaeter auch als Vertriebsweg genutzt werden. Ausserdem ist im Rahmen der Initiative "Norddeutsche Datenautobahn" (NDA) eine World-Wide-Web- Homepage geplant, ueber die Anwender via Internet ebenfalls die neuesten Nachrichten online abrufen koennen. Der CW-Leserservice "Fax-

line" entspricht bereits diesem Konzept: Ueber eine WWW-Client- Software haben Abonnenten die Moeglichkeit, sich bei Fragen zu PCs, LANs und Workstations an die Experten der CW-Redaktion zu wenden.

In der Redaktion laeuft bereits viel elektronisch

Aus redaktioneller Sicht bereitet der Einstieg in die neuen Medien wenig Probleme. Ob die Nachrichten auf Papier oder via Computerbildschirm zum Leser kommen, spielt fuer die Redakteure der COMPUTERWOCHE zum Beispiel in bezug auf Datex-J arbeitstechnisch keine Rolle: Computer haben die Schreibmaschinen in den Raeumen der CW-Redaktion schon Anfang der 80er Jahre ersetzt. Der erste Medienbruch ergibt sich meist erst in der Druckerei, die die Texte, Bilder und Layoutvorgaben - in Bits und Bytes zerlegt - ueber eine ISDN-Verbindung erhaelt.

Die Redakteure benutzen Online-Dienste zudem schon heute als Recherchemittel und zur Datenuebertragung. Die meisten besitzen ein Modem und einen Compuserve-Anschluss, einige auch einen Internet- Zugang. Statt via Netz in die interne Layout- und DTP-Abteilung, wie bei der CW, werden die Texte fuer Datex-J taeglich als Binaerdatei per Modem ueber die Leitungen des Serviceanbieters Compuserve nach Montabaur zur 1&1 Telekommunikations GmbH geschickt. 1&1-Mitarbeiterin Ulla Noehren fischt sich das File ein paar Minuten spaeter aus dem Compuserve-Briefkasten, setzt es ins Zept-Format um und deponiert die Texte anschliessend im "1&1 PC- Container".

Erfahrung sammeln in einem neuen Markt

Die Kommerzialisierung der Online-Publishing-Aktivitaeten wie Datex-J wird auch in naechster Zeit noch nicht im Vordergrund stehen: "Das Ganze ist momentan als Serviceleistung eines Verlages an seine Kunden einzustufen", bringt es Michael Freter, Assistent der Geschaeftsleitung und zustaendig fuer die neuen Medien, auf den Punkt. Durch stete Weiterentwicklung bietet sich dem Computerwoche Verlag allerdings die Moeglichkeit, Know-how und Erfahrung in diesem noch jungen Markt zu sammeln.

Dass dieser in naechster Zeit an Bedeutung gewinnen wird, zeichnet sich heute schon ab. An Online- beziehungsweise Electronic- Publishing wird mittelfristig kein Verlag mehr vorbeikommen. "Online-Informationsdienste sind nun mal da, ob sie der Mitarbeiter eines Printmediums mag oder nicht", konstatiert Eckbauer.

Die Erfolgsfaktoren des klassischen Verlagsgeschaefts lassen sich nicht 1:1 auf den Bereich der digitalisierten Publikationen uebertragen. Waehrend Offline-Medien auf seiten der Konsumenten keine Vorleistungen erfordern, setzen Online-Angebote die entsprechende Infrastruktur voraus, also Computer und Kommunikationskomponenten. Die Zielgruppe darf folglich keine Scheu vor der Technik haben. Im Bereich der Computerfachzeitschriften kann mit der Akzeptanz und sogar mit fruehzeitiger Nachfrage nach solchen Produkten gerechnet werden, da ihrer Zielgruppe die Technik vertraut ist. Publikumstitel und Special-Interest-Produkte aus neutralen oder computer-kontraeren Bereichen duerften allerdings schon hier auf erste Hindernisse stossen.

Damit sich Online-Publishing im Sinne einer Diversifikation zu einer echten Alternative zum Kerngeschaeft Printmedium entwickeln kann, muss auch der Preis akzeptabel und vom Kunden in Hinsicht auf den Nutzen nachvollziehbar sein. In Deutschland sind zum Beispiel die Zugangsgebuehren zu Diensten wie Compuserve oder Internet fuer Anwender im Verhaeltnis zu den USA sehr hoch - ohne dass der Informationsanbieter ueberhaupt etwas berechnet haette. Wuerden die Online-Publikationen von den Verlagen aehnlich wie Offline-Produkte kalkuliert, kaemen sie wegen ihrer hohen Nebenkosten fuer den Leser noch teurer. Zudem sind die im Printbereich ueblichen Mischkalkulationen aus Vertriebserloesen und Einnahmen durch Fremdanzeigen oder Sponsoring bisher noch nicht ueblich.

Da die kommerzielle Nutzung von Netzen wie dem Internet noch in den Anfaengen steckt, wird sich ein Preisgefuege fuer Online- Informationen erst im Laufe der Zeit entwickeln. Es ist denkbar, dass es auch im Internet einmal heisst: Diesen Artikel praesentierte Ihnen ...