Durchbruch zum Massenmarkt steht noch aus

Elektronische Bücher sind keine Exoten mehr

27.10.2000
MÜNCHEN (CW) - Nachdem die Buchbranche anfangs der elektronischen Literatur noch skeptisch gegenüberstand, scheint sich spätestens auf der diesjährigen Buchmesse in Frankfurt am Main das Blatt gewendet zu haben. Doch nach wie vor kosten die Endgeräte viel.

"Das Potenzial für E-Books ist riesig", frohlockt denn auch Alberto Vitale, CEO des amerikanischen Verlages Random House, der zur Bertelsmann AG gehört. Optimistisch blicken auch die Anbieter von Endgeräten in die Zukunft. So vermeldete das auf elektronisches Publizieren spezialisierte US-amerikanische Unternehmen Franklin Electronic Publishers 10000 Vorbestellungen für seinen "E-Bookman", einer Kombination aus einem Lesegerät und einem persönlichen digitalen Assistenten, der auf der Messe sein Debüt gab. Etwas abschreckend ist noch der Preis: Immerhin 500 Mark muss man für das Gerät in der Standardausführung hinlegen, obschon es damit günstiger ist als das "Rocket E-Book" von Gemstar. Letztere hat auf der Messe zwei Nachfolger präsentiert: "Reb1100" und Reb1200". Beide sollen im Frühjahr 2001 auf den Markt kommen. Das Reb1100 kostet in den USA etwa 200 Dollar, während das besser ausgestattete Reb1200 mit 600 bis 700 Dollar zu Buche schlägt.

Mittlerweile gibt es etwa 500 Bücher von deutschen Verlagen, die für E-Books aufbereitet wurden. Die Medienhäuser wandeln dabei ihre Manuskripte in ein elektronisches Format um und erschließen sich so einen weiteren Vertriebskanal für ihre Produkte. Doch sowohl Gemstar als auch Franklin haben eigene Formate für elektronische Bücher entwickelt. Damit sich die Inhalte an die verschiedenen Systeme anpassen lassen, hat die Industrie die Open-E-Book-Spezifikation entwickelt (www.openebook.com), die zum Standard für elektronische Bücher werden soll. Dieses Zwischenformat erlaubt zudem eine Konvertierung in die Formate der Gerätehersteller, in Microsoft-Reader sowie in Portable Document Format (PDF). Die Lesesoftware von Microsoft ist Bestandteil des Betriebssystems Pocket PC.

"Aufladen" können die Leser ihr Rocket E-Book hierzulande über Online-Shops wie www.dibi.de und www.ebook.bol.de. Die Inhalte werden beim E-Book verschlüsselt an das Lesesystem übertragen und lassen sich nur über diese Systeme lesen. Eine Vervielfältigung oder das Ausdrucken der Texte ist nicht möglich. Dies gewährleistet es den Verlagen und Autoren, dass die Urheberrechte gewahrt bleiben. Bei anderen Endgeräten, wie beispielsweise dem Palm Pilot, die ohne Verschlüsselung arbeiten, lässt sich ein solcher Schutzmechanismus nicht einrichten. Dibi bietet für diese Endgeräte daher nur Gratistexte an. Nach Firmenangaben wird es demnächst auch möglich sein, Bücher für den E-Bookman herunterzuladen.

Laut Dibi sind es - wie oft vermutet - nicht in erster Linie Sachbücher, die sich die Käufer herunterladen, sondern Krimis und Science-Fiction-Romane. Noch in den Kinderschuhen steckt der Verkauf elektronischer Zeitungen. Bei Bol werden nur die "Financial Times Deutschland" sowie die österreichische Zeitung "Der Standard" angeboten.

Neben dem Verkauf kompletter Bücher sind neue Formen der Vermarktung im Gespräch. So kann sich Johann Butting, CEO der in New York ansässigen Firma Digital World Services (DWS), vorstellen, dass beispielsweise einzelne Kapitel eines Romans bereits vor dem Erscheinungstermin des Werkes zum Download bereitgestellt werden. DWS ist ein Dienstleister im Bereich Digital Rights Management (DRM) für die Distribution elektronischer Produkte.

Während sich der Online-Handel mit elektronischen Büchern noch entwickelt, hat das Internet-Geschäft mit gedruckter Literatur bereits Marktbedeutung erlangt. So wurden laut dem Börsenverein des deutschen Buchhandels im Jahr 1999 rund 165 Millionen Mark mit via Web verkauften Büchern umgesetzt. Zahlen über die Marktentwicklung der E-Books nannte der Börsenverein nicht. "Für das Jahr 2001 erwarten wir eine signifikante Zunahme von nur noch in elektronischer Form veröffentlichten Fachpublikationen, vor allem solchen, die mehrere Autoren haben", so Arnoud de Kemp, Sprecher des Arbeitskreises Elektronisches Publizieren im Börsenverein.