Archivsysteme/Ritter Wäremetechnik: Auf dem Weg zum papierarmen Büro

Elektronische Archivierung mausert sich zum Workflow

31.05.1996

Die Situation in den Ritter-Archiven sah nicht immer so rosig aus. Das Unternehmen, das im Bereich Wärmetechnik tätig ist, hatte mit Problemen zu kämpfen, die jedes Unternehmen kennt, bei denen sich sich große Mengen an Dokumenten ansammeln. Obwohl man schon seit 1978 die meisten Dokumente auf Mikrofilm archivierte, stand die Geschäftsleitung - bedingt durch die technisch veraltete Verfilmungsanlage - vor der Entscheidung, entweder in eine neue Mikroverfilmungsanlage zu investieren oder den Umstieg auf ein elektronisches Archivierungssystem zu wagen.

Die Überlegungen, die man dazu im Vorfeld anstellte, fixierten diverse Probleme in der Organisation und generell ineffiziente Arbeitsabläufe. In der Vergangenheit wurden elektronisch erstellte Dokumente zusätzlich ausgedruckt. Der dadurch entstehende Platzbedarf trieb die Kosten in die Höhe, zu denen noch der Zeitaufwand durch die langen Wege und das Heraussuchen der Informationen kam.

Typischerweise rufen Kunden an, die Fragen zu ihrer Abrechnung haben. Die Antwortzeit lag hier bei etwa 15 Minuten. Das machte bislang einen Rückruf nötig, der die Telefonrechnung des Unternehmens belastete.

Laut Geschäftsführer Dieter Ritter sei zudem durch die verteilte Ablage der unterschiedlichsten Akten eine vorgangsübergreifende Sicht kaum zu verwirklichen. Zu einem Vorgang gehören im Normalfall sowohl intern ausgedruckte Rechnungen aus der Warenwirtschaft als auch die eingehenden Papiere, zum Beispiel die Bestellungen des Kunden. Letztere liegen naturgemäß ausgedruckt oder als Mikrofilm vor, während die ausgehenden Belege nur in der DV verfügbar sind. Dies bedeutet, daß ein Überblick nie möglich war.

Ein weiterer Nachteil der konventionellen Archive ist die Tatsache, daß kein gleichzeitiger Zugriff auf Akten möglich ist. Schließlich liegen die pysikalischen Dokumente immer nur dem Mitarbeiter vor, der sie gerade bearbeitet. Durch die Anlage von Handakten auf den einzelnen Schreibtischen wird dieses Problem noch verstärkt. Um hier Abhilfe zu schaffen, beauftragte Ritter das Emmendinger Ingenieurbüro Handel mit der Planung und Durchführung des Projektes "elektronisches Archiv".

Die wichtigsten Kriterien waren eine für die Mitarbeiter einfach zu bedienende Anwendung der Archivsoftware, eine für die Zukunft erweiterbare Lösung sowie völlige Netzwerkfähigkeit, um einen abteilungsübergreifenden Einsatz zu gewährleisten. Die Wahl fiel schließlich auf die Archivierungssoftware "Prochiv" der Do- cuvell GmbH in Berlin. Um weiterhin einen ungestörten Arbeitsablauf zu gewährleisten, wurde die Umstellung in mehreren Phasen durchgeführt.

Um die Integration aller anfallenden Büroarbeiten zu erreichen, wurde in Phase eins eine Computeranlage der mittleren Datentechnik abgeschafft und ein PC-Netzwerk auf Basis von Novells "Netware 3.11" aufgebaut, wobei vorhandene PCs in das Netzwerk einbezogen wurden.

Für die jährlich rund 50000 anfallenden handschriftlichen Belege wurde ein Scanner angeschafft, der bis zu 50 Dokumente pro Minute einliest. Obwohl die Archivsoftware Kompressionsmechanismen (zum Beispiel JPEG) zur Verfügung stellt, die den Speicherplatz erheblich reduzieren, wurde von Anfang an eine HP-Jukebox mit 16 optischen Medien auf MO/WORM-Kombilaufwerken zur Speicherung verwendet. Dies ermöglicht den direkten Zugriff auf alle archivierten Vorgänge ohne Medienwechsel über mehrere Jahre hinweg.

Nachdem zweimonatigen Erfahrungen mit den eingescannten Belegen wurde in Phase zwei die vollautomatische Datenübernahme in die Datenverarbeitung realisiert.

Auch die Außenstellen sind einbezogen

Im Anschluß an die nahtlose Umstellung der bestehenden Daten aus der Finanz- und Lohnbuchhaltung werden nun sämtliche Rechnungsbelege, Finanzkonten und Belege der Lohnbuchhaltung durch einen speziell entwickelten Druckdatentreiber direkt ins Archiv übernommen. Um den von den Finanzbehörden geforderten Auflagen für dokumentenechte Archivierung nachzukommen, werden sensitive Daten heute auf WORM-Medien gespeichert.

Um völlige Datensicherheit und Aktualität zu gewährleisten, erfolgt die Übernahme ins Archiv zeitgesteuert während der Nachtzeit nach einer zuvor bestimmten vollautomatischen Datensicherung aller Daten.

In Phase drei wurde die Kommunikation nach außen integriert: Durch eine in einer Workstation installierte ISDN-Faxkarte können nun von jedem Arbeitsplatz aus auch sämtliche Belege direkt aus dem Archiv an Kunden gefaxt werden. Auch eingehende Faxe können über das im Netzwerk integrierte Mailsystem direkt an den zuständigen Sachbearbeiter weitergeleitet und umgehend archiviert werden.

In Phase vier wurden zwei Filialbetriebe, die jeweils in einem eigenen Netzwerk arbeiten, über ISDN-Telefonleitung und einem Multiprotokoll-Router mit dem Server des Hauptbetriebes verbunden und so die bis dahin verwendeten teuren Standleitungen überflüssig. Durch die Verwendung einer speziellen Programmaufbauweise in Verbindung mit ISDN ist kaum ein Verlust an Arbeitsgeschwindigkeit festzustellen.

Heute können die Zweigstellen ihre Verwaltung und Buchhaltung völlig autark verwalten und diese Daten dennoch im Hauptbetrieb sofort zur Verfügung stellen. Umgekehrt stehen alle im Archiv vorhanden Daten den Außenstellen zur Verfügung.

Integration von Windows-Applikationen

Nach nunmehr zweieinhalb Jahren positiver Erfahrungen mit dem elektronischen Archiv werden bisher manuell durchgeführte Archivierungsvorgänge weiter automatisiert. Durch Verwendung von Barcodes für die Kundennummern können Informationen aus separaten Datenbanken direkt entnommen und so manuelle Fehleingaben vermieden werden und Einscannvorgänge vollautomatisch ablaufen.

Was anfänglich als reines Instrument zur Reduzierung der anfallenden Papierberge angeschafft wurde, hat sich im Laufe der Zeit zu einem der wichtigsten Informationsinstrumente entwickelt. Durch Integration von externen Windows-Applikationen mit der elektronischen Archivierung ist ein funktionsfähiges Workflow-Management-System entstanden. Kundenangebote, die mit der Textverarbeitung erstellt werden, können per Knopfdruck direkt ins Archiv übernommen oder über E-Mail an den entsprechenden Sachbearbeiter weitergeleitet werden. Umgekehrt werden bei Abruf von Informationen aus dem Datenbanksystem, bei Bedarf alle mit diesem Datensatz verbundene archivierte Dokumente entsprechend den Nutzerrechten angezeigt.

Für Mitte 1996 ist nun der Einsatz des Archivsystems für den Außendienst geplant. Obwohl der Zugriff mit Modems heute bereits möglich ist, werden die notwendigen archivierten Dokumente noch zusätzlich auf CDs extrahiert und entsprechend mitgegeben.

Laut Geschäftsführer Ritter sind die einfache Bedienung des Programmes und die damit verbundene hohe Mitarbeiterakzeptanz Grundpfeiler des Einsatzes der elektronischen Archivierung: "Trotz der Menge der archivierten Daten ist jedes Dokument nach maximal zehn Sekunden auf jedem beliebigen Arbeitsplatz zur Verfügung. In vielen Fällen sogar parallel in verschiedenen Abteilungen." Besonders beeindruckt zeigt er sich davon, daß die neue Technik inklusive Hardware weniger gekostet hat als eine neue Mikroverfilmungsanlage.

Kurz & bündig

Das System zur elektronischen Archivierung, anfänglich als reines Instrument zur Reduzierung der anfallenden Papierberge angeschafft, hat sich im Laufe der Zeit zu einem der wichtigsten Informationsinstrumente für die Dieter Ritter GmbH entwickelt. Durch Integration von externen Windows-Applikationen mit der elektronischen Archivierung ist inzwischen ein funktionsfähiges Workflow-Management-System entstanden.

*Astrid Tesar ist DV-Koordinatiorin bei der Dieter Ritter GmbH.