Elektronische Archivierung beim Goethe-Institut Muenchen Informationen ueber die Kultur des Auslands zum Abruf bereit Von Thomas Hertel*

04.03.1994

In der Zentralverwaltung des Goethe-Instituts in Muenchen sorgt ein elektronisches Archivsystem fuer einen schnellen Ueberblick ueber Verhaeltnisse anderer Laender und erleichtert die Organisation der internationalen kulturellen Zusammenarbeit.

Wenn Bundesaussenminister Kinkel einen Staatsbesuch plant, gluehen in Bonn die diplomatischen Draehte. Referenten handeln die zu unterzeichnenden Vertraege aus, und die Redenschreiber habe alle Tatstaturen voll zu tun. Alles nicht, ohne vorher die politische Situation des gastgebenden Landes im Detail analysiert zu haben. Dabei geht es nicht nur um aktuelle politische Fragen, sondern es wird auch eine Vielfalt von Hintergrundinformationen ueber das entsprechende Land zusammengestellt.

Einer der heissen Draehte endet in Muenchen - bei der Zentralverwaltung des Goethe-Instituts. Denn auch die kulturelle Zusammenarbeit mit dem Gastgeberland spielt bei solchen Besuchen eine wichtige Rolle und ist nicht selten Gegenstand der Gespraeche.

Das Archiv des Goethe-Instituts ist in diesem Zusammenhang eine unersetzliche Quelle.

In diesem Archiv finden sich alle Informationen ueber die Aktivitaeten der derzeit 16 inlaendischen und 158 auslaendischen Standorte des Instituts. Programmhefte und Plakate, Redemanuskripte, Zeitungsausschnitte und vieles mehr dokumentieren diese Aktivitaeten. Insgesamt umfasst das Archiv, das natuerlich auch fuer interne Zwecke des Goethe-Instituts dient, etwa 40000 solcher Dokumente.

40000 Dokumente wurden archiviert

Insbesondere bei eiligen Recherchen haben sich dieser Umfang und vor allem auch die stark unterschiedlichen Formate der aufbewahrten Dokumente immer wieder als problematisch erwiesen. So ist es unmoeglich, alle Informationen zu einem bestimmten Auslandsinstitut oder Fachgebiet an einem bestimmten Ort aufzubewahren - ein DIN-A0-Plakat bekommt man nicht unbeschaedigt in einen Aktenordner. Zudem sind viele Dokumente mehreren Fachgebieten beziehungsweise Instituten zugeordnet.

Um die haeufigen und teilweise sehr umfangreichen Recherchen zu vereinfachen und zu beschleunigen, hat der Institutsbereich "Archiv und Dokumentation" unter Leitung von Richard Thoma ein elektronisches Archivierungssystem installiert, das ein schnelles Auffinden von Dokumenten ueber die Eingabe von Stichwoertern ermoeglicht. In dieses System werden nun nach und nach saemtliche vorhandenen Dokumente aufgenommen, wobei sowohl Text- als auch Bilddaten gespeichert werden.

Das System besteht aus einem 486-PC mit 21-Zoll-Monitor, einem leistungsfaehigen Scanner, einer optischen Platte und einem Laserdrucker. Um eine einfache Bedienung auch durch DV-Laien zu gewaehrleisten, kommt die unter MS-Windows laufende Archivierungssoftware Hyparchiv zur Anwendung.

Um ein Dokument in das Archivsystem aufzunehmen, wird es einfach eingescannt und ueber eine Bildschirmmaske mit einem oder mehreren Indizes versehen, ueber die es sich spaeter wiederfinden laesst.

Darauf folgt zunaechst die Speicherung in einer manipulationssicheren Datei auf der Festplatte und spaeter die Ablage auf einer WORM-Platte. Da eine solche Platte nur einmal beschreibbar ist, sind die Dokumente vor nachtraeglicher Manipulation geschuetzt. Fuer groessere Archive ist auch der Einsatz von Jukeboxen mit automatischen Plattenwechslern moeglich.

Die Recherche ist sehr einfach. Eine Abfragemaske erlaubt die Eingabe eines oder mehrerer Indizes, die sich ueber logische Operatoren wie "UND", "ODER" etc. verknuepfen lassen. So wuerde beispielsweise die Eingabe "Barcelona & Lesung" bewirken, dass alle gespeicherten Dokumente mit Informationen ueber Dichterlesungen im Goethe-Institut Barcelona am Bildschirm aufgelistet erscheinen. Mit der Maus kann der Anwender nun eines davon anklicken, betrachten und auf dem angeschlossenen Laserdrucker ausdrucken. Ueber ein integriertes Faxmodul ist es zudem moeglich, ein solches Dokument an externe Empfaenger weiterzuleiten.

Derzeit werden sukzessive die vorhandenen sowie die neu eintreffenden Dokumente eingescannt und indiziert. Dieser Vorgang wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Parallel wird das System jedoch schon aktiv fuer Recherche-Aufgaben eingesetzt.

"Die Einfuehrung gestaltete sich sehr unproblematisch", bilanziert Chefarchivar Thoma. Die groessten Schwierigkeiten traten bei den Vorarbeiten auf. Denn der aufwendigste Teil der Umstellung auf das elektronische Archiv waren die notwendigen organisatorischen Umstellungen - insbesondere die Festlegung der Archivstruktur und der zu verwendenden Indizes. Resuemiert Thoma: "Man sollte nicht glauben, dass man einfach ein Archivsystem installieren und dann sofort produktiv damit arbeiten kann. Ein solches System kann viele Routinetaetigkeiten vereinfachen und beschleunigen, aber nachdenken muss man immer noch selbst."

* Thomas Hertel ist Kompagnon der Agentur Prolog Public Relations in Muenchen.