Erste Absichtserklärungen auf der Wirtschaftskonferenz:

Elektroindustrie will mehr in Berlin investieren

17.12.1982

BERLIN/KÖLN - Wenn es nach dem Willen aller an der "Wirtschaftskonferenz Berlin 1982" Beteiligten geht, soll die ehemalige Reichshauptstadt wieder zum Zentrum fortschrittlicher Technologien, insbesondere in der Kommunikationstechnik. der Mikroelektronik und der Produktionstechnologie, werden. Besonders spektakulär sind hier die Absichten mehrerer Unternehmen, zwei neue Gesellschaften in Berlin zu gründen: Die eine soll der Herstellung von Glasfaserkabeln dienen, die andere dem Bau von Industrierobotern.

An dem Glasfaserprojekt werden sich nach Angaben des ZVEI-Fachverbandes Kabel und isolierte Drähte die Siemens-Tochter Siecor Gesellschaft für Lichtwellenleiter mbH, die AEG-Telefunken Kabelwerke AG Rheydt, die Kabelmetall Electro GmbH, die Standard Elektrik Lorenz AG (SEL) sowie die Philips Kommunikations Industrie AG (PKI) beteiligen. Mehrheitsgesellschafter sind mit zusammen über 50 Prozent Siecor und PKI.

Bereits in der ersten Ausbaustufe Ende 1984 soll eine Fertigungskapazität von rund 100000 Faserkilometern pro Jahr zur Verfügung stehen. Günter Rexrodt, Senatsdirektor beim Senator für Wirtschaft und Verkehr in Berlin, veranschlagt für diese erste Stufe Investitionen von etwa 30 bis 40 Millionen Mark. Dies bedeute ungefähr 150 zusätzliche Arbeitsplätze, davon 50 qualifizierte.

Wie Elmar Kaiser, Geschäftsführer des Fachverbandes Kabel und isolierte Drähte, ergänzend erklärte, wollen die fünf Gesellschafter die notwendigen Maßnahmen "unverzüglich" einleiten, zu denen auch die Beantragung der Zustimmung des Kartellamtes gehöre. Dies solle noch in diesem Monat, spätestens aber Anfang Januar erfolgen. Es gebe jedoch "eine gewisse begründete Hoffnung", daß die Berliner Wettbewerbshüter positiv entscheiden. Das Projekt sei nämlich zunächst auf fünf Jahre ausgelegt, um zu klaren, wie sich der Bedarf nach Glasfaserkabeln überhaupt entwickle. Danach werde möglicherweise einer der Gesellschafter die Fabrik weiterführen.

Die über die bestehende Absichtserklärung hinausgehenden Einzelheiten sind Kaiser zufolge "in den nächsten Wochen noch durchzusprechen". Der Standort Berlin sei eine Entscheidung der letzten drei Wochen gewesen, die Absicht, eine Gesellschaft zur Herstellung von Glasfaserkabeln zu gründen, habe aber schon seit sieben bis acht Monaten bestanden.

Das zweite Vorhaben, das auf der Berliner Konferenz bekanntgegeben wurde, betrifft die Gründung einer "Innovationsgesellschaft für Maschinenintelligenz". An dieser Roboterfabrik wollen sich die Daimler-Benz AG, die Bayerischen Motorenwerke AG, die Volkswagenwerk AG sowie wiederum Siemens beteiligen. Nach den Worten von Rexroth erwägt die öffentliche Hand - der Bund und das Land Berlin - eine zusätzliche finanzielle Förderung.

Für den Fall, daß das Gemeinschaftsunternehmen erfolgreich ist, kündigte VW-Vorstandsvorsitzender Carl-Horst Hahn die Verlegung der gesamten Roboterfertigung der Wolfsburger nach Berlin an. Die Produktion solle dann nicht mehr ausschließlich auf den Eigenbedarf von VW ausgerichtet sein, sondern auch an andere Unternehmen verkauft werden.

Allerdings bestehen auch bei diesem Projekt erst Absichtserklärungen. BMW beispielsweise teilte auf Anfrage mit, Genaues könne man noch nicht sagen. Ein Sprecher von VW sagte, er könne weder in bezug auf das ins Auge gefaßte Investitionsvolumen noch auf zeitliche Planungen mit konkreten Einzelheiten aufwarten.

Als weiteres Gemeinschaftsvorhaben ist - so Senatsdirektor Rexrodt - eine Kabelkommunikation GmbH im Gespräch. Auch hier bedürfe es allerdings weiterer Verhandlungen. Daneben verstärken die Nixdorf Computer AG, Paderborn, und SEL ihre bisherigen Aktivitäten in Berlin. Die Paderborner haben den Bau eines Magnetplattenspeicherwerkes und damit 200 neue Arbeitsplätze angekündigt. Die Stuttgarter SEL will die Mitarbeiterzahl in der Entwicklung von 160 auf 200 erhöhen und plant die Gründung einer Softwaregesellschaft.