Electronic Banking auf Basis von Edifact Commerzbank gestaltet mit EDI neues Angebot fuer Firmenkunden

03.06.1994

Der Edifact-Standard erfasst nun allmaehlich auch den Zahlungsverkehr und wird ihn in den kommenden Jahren nachhaltig beeinflussen. Die in Frankfurt ansaessige Commerzbank AG hat jedenfalls, wie Christian Ambron* und Manfred Haun* berichten, die Bedeutung und die Chancen dieser internationalen Norm fruehzeitig erkannt und auf deren Basis eine neue Dienstleistung fuer ihre Firmenkunden entwickelt, die diesen in Zukunft erhebliche Rationalisierungspotentiale bietet. Finanzinstitute als zentrale Dienstleister zwischen den Handelspartnern sind, so die Autoren, kuenftig in verstaerktem Mass gefordert, den Edifact-Standard in ihr Electronic-Banking-Angebot aufzunehmen.

Auf der Basis eines Vorstandsbeschlusses wurde bei der Commerzbank ein Projektteam zur Planung und Einfuehrung des Edifact-Standards im eigenen Haus etabliert. Diesem Beschluss waren Marktuntersuchungen vorausgegangen, um das Serviceangebot fuer die Kunden klar definieren zu koennen. In das Projektteam sind Mitarbeiter aus den mit der Edifact-Einfuehrung befassten Bereichen wie Marketing, Organisation und Datenverarbeitung eingebunden.

Im Maerz dieses Jahres wurde der Zahlungsverkehr auf Basis von Edifact mit dem ersten Pilotunternehmen, der Ciba-Geigy AG, aufgenommen. Weitere Pilotkunden werden in Kuerze folgen. Die Commerzbank ist damit das erste deutsche Kreditinstitut, das Edifact bereits in der Produktion fuer die Zahlungsverkehrsabwicklung einsetzt.

Prozessoptimierung bedingt eine einheitliche Sprache

Die Tendenz, Geschaeftsprozesse zu optimieren, ist heute in nahezu allen Branchen zu erkennen. Hinzu kommt das Bestreben, neben den Beziehungen zu anderen Unternehmen auch die innerbetrieblichen Ablaeufe effizienter zu gestalten. Damit entsteht eine Prozesskette, die von den Beschaffungsaktivitaeten ueber die Produktion einer Ware bis zu deren Vermarktung, Transport und der finanziellen Abwicklung (Fakturierung, Zahlungsanweisung, Verbuchung etc.) reicht. Die Optimierung dieser betriebsuebergreifenden Prozesse ist jedoch nur moeglich, wenn die verwendeten DV- und Kommunikationssysteme ein und dieselbe Sprache sprechen, das heisst, wenn sie sich einem Standard anpassen, der branchenuebergreifend und international verstanden wird.

Der Standard, der dies leistet, heisst Edifact. Waehrend sich in den USA zunaechst Ansi X.12 als branchenuebergreifender Standard durchgesetzt hat und Edifact erst mit einiger Verzoegerung nachzieht, gewinnt es im EU-Binnenmarkt zunehmend an Bedeutung. Viele grosse Unternehmen setzen schon heute Edifact fuer den Austausch von Geschaeftsdaten ein, beispielsweise im Bestell- und Rechnungswesen, und wollen diesen Standard jetzt auch auf den Zahlungsverkehr ausweiten. Meist sind die verwendeten Standards branchenspezifische Edifact-Subsets wie Odette in der Automobil- oder Edifice in der Elektronikindustrie.

Subsets dieser Art bewaehren sich in geschlossenen Benutzerkreisen. Sobald jedoch der Informationsaustausch auf den Zahlungsverkehr ausgeweitet werden soll, ist ein branchenuebergreifender Standard wie Edifact erforderlich. Die Anpassung an die bisher benutzte Branchennorm erfolgt dann ueber geeignete Konverter. Sind die informationstechnischen Voraussetzungen einmal geschaffen, erhalten alle Partner einer Handelstransaktion die anfallenden Geschaeftsdokumente auf elektronischem Weg im Edifact-Standard. Auf diese Weise kann ein Lieferant die ihm in Edifact elektronisch uebertragenen Bestellinformationen problemlos weiterbearbeiten und daraus seine Auftragsbestaetigung sowie spaeter die erforderlichen Warenbegleitdokumente und die Rechnung erstellen. Anschliessend lassen sich Teile der Daten fuer den Zahlungsverkehr weiterverwenden. Da Edifact der einzige Standard ist, der branchenuebergreifend und weltweit angewendet werden kann, ist es moeglich, Zahlungen und Rechnungsinformationen sowohl von Frankfurt nach Muenchen als auch von Frankfurt nach Sydney zu uebermitteln.

Fuer die Zahlungsverkehrsabwicklung stehen bisher die folgenden funktionsorientierten Nachrichtentypen in Edifact zur Verfuegung:

- PAYORD (Payment Order Message) = Zahlungsauftrag

- PAYEXT (Extended Payment Order) = erweiterter Zahlungsauftrag

- DABADV (Debit Advice) = Belastungsanzeige

- CREADV (Credit Adivce) = Gutschriftsanzeige

Weitere Nachrichtentypen wie Lastschrift, Tagesauszug, Akkreditiveroeffnung oder Multipler Zahlungsauftrag (zum Beispiel Sammler fuer Gehaltszahlungen) sind in Vorbereitung. Die Nachrichtentypen des Zahlungsverkehrs und der Cash-Management- Informationen werden derzeit unter DTA- und DTAZV-Konventionen (ZKA-Subset) verarbeitet. Die Cash-Management-Nachrichten DEBADV und CREADV sind neue Dienstleistungen im Electronic Banking, die den Edifact-Anwendern erhebliche Rationalisierungspotentiale eroeffnen werden.

Mit dem Einsatz des ZKA-Steuerteils (DTA, EDIFACT, S.W.I.F.T) sowie der von der Bundesbank angekuendigten Kapazitaetserweiterung von EAF (Elektronische Abrechnung mit Filetransfer), die etwa ab 1996 als Edifact-Clearing nutzbar sein wird, lassen sich gemaess Edifact mehr kommerzielle Daten (zum Beispiel Avis-Daten) in der Nachricht zwischenbetrieblich weiterleiten. Fuer Nicht-Edifact- Zahlungsempfaenger ist es voraussichtlich ab Anfang 1995 moeglich, die elektronische Weiterleitung der Edifact-Verwendungszwecke via ELS (Elektronischer Schalter) ueber die Empfaengerbank mittels Ausdruck zu veranlassen.

Stufenplan auf der Basis von UN-Edifact

Die Commerzbank fuehrt Edifact zusammen mit ihren Kunden als Pilotpartner nach einem Stufenplan ein. Als Basis dient UN-Edifact (United Nations Edifact). Die Partnerschaft mit dem Kunden reicht dann von der Pilotentwicklung mit ausreichenden Testzeitraeumen bis zum entsprechenden Produktionseinsatz. Da die Infrastruktur bei jedem Kunden anders gestaltet ist, geht die Commerzbank davon aus, dass die Einfuehrung von Edifact organisatorische Umstellungen in der gesamten Inhouse-Verarbeitung nach sich ziehen wird. In dieser Zeit wird die Zahlungsverkehrsabwicklung sowohl mit der vorhandenen Anwendung als auch parallel mit Edifact ablaufen.

In einer ersten Stufe erfolgt die Erfassung der technischen und organisatorischen Gegebenheiten bei den Partnern - also das Erarbeiten der Anwendungsschwerpunkte (zum Beispiel das Verhaeltnis von Inlands- und Auslandszahlungsverkehr), von Mengengeruesten, Sicherheits- und Kontrollverfahren etc. Die zweite Stufe dient der Klaerung anwendungstechnischer Rahmenbedingungen (etwa der Status der zu verwendenden Nachrichten oder Austauschverfahren). Stufe drei umfasst bereits die einzelnen Pilotentwicklungsphasen mit dem Austausch von vereinbarten Edifact-Strukturen sowie einem allgemeinen Informations- und Ergebnisaustausch.

Fuer Stufe vier ist dann der Abschluss eines EDI-Vertrags vorgesehen, der die internen Besonderheiten in einem technischen Anhang beruecksichtigt.

In Stufe fuenf erfolgt die Ueberleitung der Pilotanwendung in die Produktion. Ab Stufe sechs beginnt der konsequente Ausbau der jeweiligen Edifact-Anwendung.

Um Edifact als Dienstleistung anbieten zu koennen, musste bei der Commerzbank eine Infrastruktur geschaffen werden, die unter anderem folgende Anwendungen unterstuetzt:

- Partnerverwaltung,

- Sicherheitsverfahren wie elektronische Unterschrift, Autorisierung und Authentisierung,

- diverse Pruefverfahren,

- Konvertierung der eingehenden Nachrichtenformate,

- Referenzierung und Zwischenspeicherung (beispielsweise das Absplitten kommerzieller Daten),

- Weiterleitung der Zahlungsverkehrs-Informationen in die Anwendungen der Commerzbank,

- Empfang von Rueckmeldungen (zum Beispiel aus den Bereichen Disposition oder Buchung),

- der Empfang von Kontoinformationen,

- das Zusammenfuehren der zwischengespeicherten kommerziellen Informationen mit den Zahlungsverkehrs-Nachrichten sowie deren Weiterleitung an den Kunden.

Zur Umsetzung des Edifact-Standards in die Anwendungen des Zahlungsverkehrs benoetigte die Commerzbank eine DV-Edifact- Infrastruktur, die zusammen mit der Siemens Nixdorf Informationssysteme AG (SNI) entwickelt wurde. Die Anwendung laeuft heute zentral auf einem EDI-Server von SNI mit der Anwendungssoftware EFIS (Edifact Financial Institution Service). Diese auf einem Unix-System basierende Vorrechnerkonzeption wurde gewaehlt, um den zentralen Host zu entlasten. EFIS ist also quasi der Uebersetzer der internationalen Norm Edifact in die Anwendungen der Commerzbank.

Die Kommunikationsanbindung der Kunden erfolgt entweder ueber FTAM, X.400 oder RVS (Rechner-Verbund-System). Die Kundennachrichten gelangen in den EDI-Server als Sicherheits-Gateway, der in das private X.25-Netz der Commerzbank eingebunden ist. Nach Pruefung und Konvertierung der eingegangenen Edifact-Nachrichten werden diese analysiert und entsprechend ihrer Zuordnung (Finanzdaten oder kommerzielle Informationen) weiterbearbeitet. Dabei werden die kommerziellen Daten durch Splitten abgetrennt und voruebergehend in einer Datenbank "geparkt". Die eigentlichen Zahlungsverkehrsdaten gelangen - versehen mit Referenzen - zur weiteren Verarbeitung.

Ueberzeugungsarbeit auch nach innen notwendig

Auch fuer die Commerzbank bedeutete die Einfuehrung von Edifact eine erhebliche Umstellung, die wie bei den Kunden konzeptionelle Vorarbeiten sowie viel Ueberzeugungsaufwand nach innen erforderte. Ciba-Geigy AG war der erste Kunde, der Edifact seit Maerz 1994 im Produktionsbetrieb einsetzt. Zunaechst wird der Inlandszahlungsverkehr ueber Edifact abgewickelt, wozu der Nachrichtentyp PAYORD dient. In einer weiteren Ausbaustufe soll die Anwendung "Rueckmeldung Belastungsanzeige" mit dem Nachrichtentyp DEBADV eingefuehrt werden. Die Kommunikation erfolgt ueber X.400.

Als zweiter Pilotkunde nahm die Siemens AG Ende Februar 1994 den Testbetrieb auf. Das Unternehmen hat Edifact bereits im Warenwirtschaftsbereich eingesetzt und will den Standard jetzt auch fuer die Abwicklung des Zahlungsverkehrs nutzen. Erster Schritt wird dabei die Einfuehrung von erweiterten Zahlungsauftraegen mit dem Nachrichtentyp PAYEXT sein. Die Kommunikation mit Siemens erfolgt ueber FTAM.

Auch anderen Kunden werden Pilotentwicklungs-Partnerschaften angeboten. Derzeit bestehen mit rund zwanzig Firmenkunden sowohl Pilot- als auch Projektpartnerschaften. Mit ihnen allen sind wiederum weitere Edifact-Anwender (Lieferanten, Spediteure etc.) verbunden, die sich damit indirekt in eine solche Partnerschaft integrieren lassen. Die Commerzbank betrachtet ihr Edifact-Angebot vor allem als neue Dienstleistung fuer Firmenkunden, das diesen ueber den beleglosen Zahlungsverkehr hinaus erhebliche Rationalisierungspotentiale - beispielsweise durch die erweiterte Beleglosigkeit und den damit erreichten Zuwachs an Schnelligkeit und Sicherheit - erschliesst. So gesehen duerfte Edifact in den kommenden Jahren den gesamten Zahlungsverkehr nachhaltig veraendern.

*Christian Ambron gehoert als Prokurist zum Geschaeftsbereich Firmenkunden der Commerzbank AG und ist als Leiter des zentralen Edifact-Projektteams fuer die Einfuehrung von Edifact verantwortlich. Manfred Haun ist als Handlungsbevollmaechtigter Mitglied des zentralen Servicebereichs DV der Commerzbank AG und leitet dort das Pilotprojekt Edifact.