Informationssystem braucht eigene Datenbank

EIS eignet sich vor allem für Routinejobs und Alltagsfragen

24.04.1992

CIS Chefinformations-System

DSS Decision Support System

EIS Executive Information System

ESS Executive Support System

EUS Entscheidungsunterstützungs-System

FIS Führungsinformations-System

KBW Konzernberichtswesen

MAIS Marketing-Informationssystem

MIS Management-Informationssystem

MUS Managment-Unterstützungssystem

PMS Projekt-Managmentsystems

VIS Vorstandsinformations-System

*Rolf Hichert und Michael Moritz sind Geschäftsführer der MIK Gesellschaft für Management und Informatik GmbH in Konstanz.

Bei Controllern, Marketingleuten und EDV-Entscheidern hat ein neues Kürzel Konjunktur: EIS (Executive Information System) lautet das Akronym, das seit geraumer Zeit durch die Wirtschafts- und DV-Fachpresse geistert, und dabei dem mittlerweile bekannten Begriff Management-Informationssystem (MIS) den Rang abläuft. Was steckt eigentlich hinter den drei Buchstaben EIS? Dieser Frage gehen Rolf Hichert und Michael Moritz* nach.

Wer heute von DV-gestützten Informationssystemen für Führungskräfte der Wirtschaft spricht, bezieht sich damit in aller Regel auf Management-Informationssysteme, kurz MIS. Nach einem Flop in den sechziger Jahren, als die erste MIS Software noch an mangelnden Hardwareleistungen und unrealistischen Anforderungen scheiterte, erlebt die MIS-Idee in zweiter Generation seit Mitte der achtziger Jahre ein großes Comeback. Heute sind MIS landauf, landab in Unternehmen fast aller Größen und Branchen im Einsatz: als anspruchsvolle Controlling-Systeme, für das Konzernberichtswesen oder allgemein als Kennzahlensystem für Führungskräfte.

Vorbei die Zeiten, in denen die Anbieter grundsätzliche Vorbehalte vieler Manager gegen den Computer als Hilfsmittel im Umgang mit der Datenflut ausräumen mußten. Auch der Computer ist spätestens seit Beginn des Laptop-Zeitalters "führungsfähig" geworden. Selbst Vorstände entdecken jetzt für sich den Nutzen schneller und vor allem komfortabler Analysen am Bildschirm. Wen wundert dies angesichts der Alternative: Stapelweise eng bedruckte Tabellen machen beim herkömmlichen Berichts(un-) wesen den Zahlenüberblick zur Herausforderung für Genies mit mathematischem Gedächtnis.

Im Grunde also überall offene Türen für Management-Informationssysteme? Nicht ganz. Die Realität stellt sich doch etwas nüchterner dar. Ursprünglich für Führungskräfte entwickelt - damit war und ist natürlich gerade die Topetage gemeint - kommt die große Mehrheit aller MIS heute als funktionale Lösung für einzelne Unternehmensbereiche zum Einsatz. Sie werden vom mittleren Management für klassische Aufgaben wie Produktergebnisanalyse, Beteiligungs-Controlling und Liquiditätsplanung eingesetzt. Nur in den wenigsten Fällen setzen sich die obersten Führungskräfte an die Systeme. Und auch das verwundert nicht: Welcher Top-Manager nimmt sich schon die Zeit, detaillierte Ursachenanalysen vorzunehmen oder Planungsszenarien durchzuspielen?

MIS mit ihrem enormen Leistungsvermögen und ihrer großen Funktionalität sind nun einmal das ideale Werkzeug für Controller, Assistenten und Stäbe mit ihren analytischen Detailfragen. Für viele Führungskräfte dagegen ist der Leistungsumfang eines guten MIS eher überdimensioniert.

Mit dieser Erkenntnis setzte die Arbeit an der Entwicklung von EIS-Konzepten ein, die der Differenzierung zwischen den Bedürfnissen des mittleren Managements und denen des Top-Managements Rechnung tragen. Schnell sollten die neuen Tools sein, per Mausklick ohne Einarbeitungszeit zu bedienen und mit optisch ansprechender grafischer Oberfläche ausgestattet. Das neue Kind erhielt den Namen Executive Information System oder EIS beziehungsweise Chefinformations-System und stiftet zunächst einmal noch mehr Verwirrung in dem ohnehin schon unübersichtlichen Chaos an Kürzeln.

So manch einer tat sich in der Vergangenheit als Begriffserfinder mehr oder weniger rühmlich hervor und suchte durch die Einführung immer neuer Abkürzungen auf sich aufmerksam zu machen, so als sei das neue Kürzel bereits die Lösung. Auch der Begriff EIS ist auf dem besten Weg, in diesen Verdacht zu geraten, falls sich herausstellen sollte, daß er nicht mehr beinhaltet als eine schöne grafische Oberfläche mit bunten Bildern. Entsprechend lebhaft gestaltet sich derzeit die Diskussion um EIS und deren Charakteristika.

Bei MIS das Ende der Fahnenstange erreicht?

Bereits an der Definition scheiden sich die Geister: Manch einer neigt angesichts der gepriesenen Bedienerfreundlichkeit der neuen Software dazu, EIS respektlos mit Everybody's Information System zu übersetzen. Andere dagegen beharren darauf, dieses Instrument sei in der Tat speziell für die oberste Führungsebene geeignet. Recht haben eigentlich beide, denn ohne Bedienerfreundlichkeit für jedermann hat ein System keine Chance auf die Gunst der Manager.

Bedeutet der Neuansatz EIS zugleich, daß man schon am Ende der MIS-Fahnenstange ist? Sind attraktivere Oberflächen mit noch mehr Grafik alles, was die Zukunft erhoffen läßt? Oder steckt hinter der Idee des EIS mehr? Was gehört zu einem Informationssystem, wenn es wirklich ein Informationssystem für Chefs sein will?

Ein Teil der Antwort liegt wohl in dem Streben weg von der Insellösung. In der Praxis sieht das oft so aus, daß PC-basierte MIS-Systeme auf ihre eigene Datenbank zugreifen. Das hat den Vorteil, daß die Daten in der EIS/MIS-Datenbank alle eine Plausibilitätskontrolle durchlaufen, zuvor von den Fachabteilungen geprüft und freigegeben sind und außerdem einen einheitlichen Aktualisierungsgrad aufweisen.

Theoretisch könnte man auch an einen direkten Zugriff auf Daten der operativen Systeme denken - jedoch mit der Gefahr des Zugriffs auf nicht abgestimmte Daten. Immerhin bis zu 30 Datenquellen kann ein einziges Unternehmen allein für sein MIS anzapfen müssen, ohne zwischengeschaltete MIS-Datenbank nicht unbedingt ein sonderlich beruhigendes Konstrukt. Man stelle sich vor: Ein Top-Manager greift ad hoc auf eine dieser Datenbanken zu, bekommt ahnungslos nicht abgestimmte und auch nicht freigegebene Zahlen der zuständigen Fachabteilung, löst angesichts der blinkenden Warnpunkte auf dem Bildschirm dringende Nachforschungen oder gar Schlimmeres aus, nur um sich tags darauf sagen zu lassen, daß der Fehler im Zugriff lag. Die MIS-Begeisterung eines solchen Menschen dürfte nachvollziehbar gedämpft sein.

Gretchenfrage nach den Schnittstellen

Derartige Erfahrungen zu umgehen, setzt eine eigene MIS/EIS-Datenbank voraus. Darüber hinaus sollten die Informationssysteme idealerweise kommunikationsfähig sein. EIS-Anbieter sind daher gefordert, ihre Programme als Teil einer Gesamt-Bürokommunikation zu konzeptionieren. Via E-Mail beispielsweise fördert EIS dann auch die Kommunikation von Führungskräften untereinander. Räumliche Entfernung verliert dabei ihre Bedeutung. Geschieht diese Öffnung nicht, dann stehen Informationssysteme relativ isoliert zwischen anderen Bausteinen der Unternehmens- und Bürokommunikation.

Eine Gretchenfrage bei der Konzeption eines EIS ist folglich die nach den kommunikativen Schnittstellen: Viele Anwender träumen von einem Tool, das ihnen außer der Integration in die Bürokommunikation auch Ad-hoc-Abfragen erlaubt, also Abfragen, die in den Strukturen des MIS oder EIS noch nicht angelegt sind und die auch die Grenzen der MIS-eigenen Datenbank überschreiten. Hinter diesem Wunsch steht die Erfahrung, daß Führungsaufgaben oft keine strukturierten vorgedachten Abläufe umfassen und daß folglich auch viele Abfragewünsche spontan und assoziativ - außerhalb programmierter Pfade - entstehen. Momentan beantworten allenfalls Spezialsysteme solche Sonderabfragen, immer vorausgesetzt, der DV-Spezialist, der sie zu bändigen versteht, ist nicht gerade außer Haus oder gar im Urlaub.

Komfortables Instrument für den Anwender

Wie verführerisch ist da die Vorstellung, beispielsweise mittels Structured Query Language (SQL) alle Abfragen aus der EIS-Oberfläche heraus machen zu können. Aber Hand aufs Herz: Welche Führungskraft möchte demnächst auch noch die SQL-Syntax lernen? Es gibt inzwischen Anbieter, die angesichts der Anwenderwunschträume an einem neuen EIS-Konzept arbeiten: Die Lösung liegt in der Rolle des EIS-Entwicklers - also desjenigen im Unternehmen der das System für seinen Vorstand oder Geschäftsführer pflegt. Gerade die Funktion dieses Entwicklers ist bislang unterschätzt worden. Vor lauter Sorge, daß der Manager am Rechner es ja einfach haben soll, ist der Komfort für den Entwickler manchmal in Vergessenheit geraten. Statt dessen konzentrierte man sich völlig darauf, immer neue, noch buntere und einfachere grafische Oberflächen für den Anwender zu entwickeln. Der einfache Zugang zu den entscheidungsrelevanten Informationen für die Manager trübte teilweise den Blick für die vielen emsigen Zuträger, Betreuer und Datenlieferanten auf unteren Ebenen.

Dabei ist der Entwickler der eigentliche Kandidat für die angesprochenen Ad-hoc-Abfragen. Wenn ihm die Option offensteht, auf jede kompatible Datenbank im Unternehmen zuzugreifen, ist das Inseldasein mancher MIS-Lösung kein Thema mehr. Dann ist nämlich das System einerseits ein sehr komfortables Instrument für den Anwender, der grafisch gestaltete Bildschirme, Mausbedienung, Einfachheit und Schnelligkeit verlangt. Unter dieser Oberfläche aber wartet auf den Entwickler andererseits ein leistungsstarkes Integrations-Tool, das ihm den wahlfreien Zugriff auf alle kompatiblen Datenbasen im Unternehmen erlaubt.

Die Praxis wird in aller Regel zeigen, daß sich bestimmte Ad-hoc-Abfragen außerhalb vorbereiteter Analysestrukturen wiederholen. Solche Abfragen wiederum für den Top-Manager komfortabel zu machen, obliegt dem Entwickler.

Die entstehende Stufenpyramide - unten operationale Systeme, in der Mitte das MIS und oben das in die MIS-Datenbank eingebundene EIS - hat eine Reihe von Vorteilen. Sie schafft durchgängige Strukturen, verläßliche Daten, bietet für jeden das geeignete Werkzeug und befreit dennoch vom Korsett vorgegebener Analysestrukturen, falls unvorhersehbare Abfragewünsche auftauchen. Da gleichzeitig im MIS auch weiterhin strukturorientiert gearbeitet wird, bleibt auch die Vergleichbarkeit der Ergebnisse erhalten - ein Punkt, der ob der Begeisterung für wahlfreie Abfragen gerne vergessen wird.

Flexibilität gegenüber dem Medium Papier

Eine weitere Stärke liegt in der Flexibilität einer solchen Systempyramide. Standardberichte lassen sich per EIS/MIS sehr schnell in grafisch optimaler Form auf Papier ausdrucken und erlauben damit das gewohnte Nachschlagen. Dennoch bleibt die Flexibilität gegenüber dem Medium Papier erhalten: Was-wäre-wenn-Überlegungen bei Planungs-Meetings enden nicht mehr damit, daß die Fachabteilungen mit neuen Vorgaben nach Hause gehen, sich drei Tage einschließen, rechnen und anschließend die Ergebnisse neu aufbereiten und vorstellen. Statt dessen gibt der Entwickler idealerweise während der Besprechung die neuen Vorgaben ins System ein und hat für alle Standardauswertungen binnen Sekunden auch neue Ergebnisse parat. Das Planungs-Meeting kann sofort weitergehen.

Wahlweise als Grafik oder Tabelle

Sollte das EIS nicht auch das Rascheln, Blättern, Heften und Stapeln beenden, indem es Berichte auf Papier überflüssig macht? Dagegen steht wohl die Psyche des Anwenders. Selbst viele Computerprofis überkommt doch angesichts der Flüchtigkeit von Bildschirminhalten gelegentlich der Wunsch nach dem guten alten Ausdruck, nach dem Motto, was du schwarz auf weiß besitzt, kannst du getrost ins Meeting tragen. Warum also nicht das Beste aus beiden Welten bekommen: den ElS-Ausdruck der Standardberichte in beliebiger Größe und natürlich wahlweise als Grafik oder Tabelle.

Der Bildschirm steht für alle weiteren Fragen bereit - wirklich für alle weiteren Fragen? Sind es nicht recht triviale Fragestellungen, auf die heutige MIS/EIS Antwort geben können? Sind Auftragseingänge, Marktdaten, Preisvergleiche und Produktionskennziffern wirklich so entscheidungsrelevant? Was ist mit den nicht quantifizierbaren Daten, wo bleiben die Unsicherheiten, die Planannahmen und die Risiken? Wo bleiben Daten und Fakten zu Fragen, die man tunlichst nicht an sein MIS/EIS richtet: Soll die neue Fabrik in Dresden oder in Eisenach gebaut werden? Ist Müller oder Meier der richtige Kandidat für die Vertriebsleitung? Wo sollte endlich das Sortiment gestrafft werden? Was werden die neuen Tarifverhandlungen für Auswirkungen auf das Betriebsergebnis haben? Wie können die Gemeinkosten um mindestens 20 Prozent gesenkt werden?

Die wirklich wichtigen Fragen entziehen sich der Beantwortung durch den Computer. Wenn komplexe Probleme nicht akribisch zerlegt und in Teilaspekten beleuchtet werden können, sind alle MIS/EIS überfordert

Fazit: Alles sollte schon einmal vorher sorgfältig durchdacht und vorstrukturiert sein - und das trifft nun einmal auf die Routineaufgaben und wiederkehrenden Berichte zu. Für neue Probleme und unerwartete Ereignisse sind die heutigen Systeme jedoch noch denkbar schlecht ausgelegt.