Klingeln der Kasse allein genügt nicht:

Einzelhandel benötigt mehr Informationen

11.06.1982

Wenn früher an den mechanischen Geschäftskassen das Klingelzeichen ertönte und damit von vollzogenem Verkauf sowie Summenaddition kündete, konnte der Chef zufrieden sein. Heute hat sich der Verkaufspunkt, gern auch mit dem neudeutschen Point-of-Sale unübersetzt sprachlich übernommen, zum größten Einkaufsproblem des Einzelhandels entwickelt.

Schon lange gibt es, vor allem im Food-Bereich, neben einer Vielzahl von Warengruppen und Artikeln, außerordentlich viele Preise, Rabatte und Sonderangebote, die Ein- und Verkäufern das Leben schwermachen. Überangebote und forciertes Konsumverhalten haben die heutigen "Verkaufsfabriken" entstehen lassen. Sie lassen sich rationell nur noch mit Computern führen.

Dabei ist der eigentliche Kassiervorgang nur Teil eines komplexen Warenwirtschaftssystems. Während im Hintergrund ein oder zwei Computer normalerweise als Organisationshilfen arbeiten und integrierte Preisauszeichnungsgeräte den Verarbeitungskreis schließen (sollten), arbeiten POS-Terminals im Vordergrund gleichsam als Datenerfassungsgeräte.

Sie haben alle vom DDP-Trend und vom Mikroprozessor profitiert. So bietet der Herstellermarkt heute kaum noch eine Kasse an, die nicht bis zu einem bestimmten geforderten Einsatzbereich "intelligent" ist. Ein Hersteller ist sogar so weit, die Verarbeitungslast aus dem Hintergrund hinweg auf die Kasse zu verlagern und auf reine Verarbeitungscomputer zu verzichten.

Ähnlich wie in anderen Datenerfassungsumgebungen mit dem "Flaschenhals" der relativ langsamen Eingabe hat die Industrie sich intensiv um automatische Eingabetechniken bemüht. Dafür haben sich optische Leseverfahren durchgesetzt. Bei den Bemühungen, hierfür verbindlich Normen einzuführen, hat es in Verbänden und Interessengemeinschaften jahrelang zähe Auseinandersetzungen gegeben. Jedes Verfahren war zum anderen unkompatibel und hätte völlig dedizierte Techniken erfordert.

Frohen Mutes

Die Europäische Artikel-Nummer (EAN) hat sich nun doch gegen manchen Widerstand bei uns durchgesetzt. Den Balkencode drucken inzwischen rund 80 Prozent der Food-Hersteller direkt auf die Verpackung ihrer Artikel. Sie schaffen damit die grundlegende Basis für ein automatisches Einlesen am Point-of-Sale. Hersteller sind ob dieser Entwicklung frohen Mutes und sehen zum Beispiel für das Scanningverfahren für 1982 endlich den langersehnten Durchbruch in Deutschland.

Herbeigeredet wurde dieser schon seit Jahren, ohne daß sich bei den Installationszahlen etwas Entscheidendes tat. Und noch heute nehmen sich die nicht einmal 50 arbeitenden Scanning-Installationen bei uns gegenüber den etwa knapp 5000 in USA mehr als bescheiden aus.

Die Laserstrahl-Abtastung des Scannings hat den Eingabevorgang am Point-of-Sale erheblich vereinfacht. Bedingung ist hierfür, daß die Waren nicht allzu groß und schwer sein dürfen, um einhändig schnell über den Leseschlitz geführt werden zu können. In Fachmärkten oder im Getränkehandel mit großen Gebinden sind Lesestifte oder -pistolen sinnvoll, die zur Ware hingeführt werden und dort den Code erfassen.

Bewegung akkurat

Da speziell im Getränkeabholmarkt die einzelnen Gebinde nicht ausgezeichnet werden, bietet sich die "Tableau"-Lösung an: An der Kasse sind alle Preise und Getränkesorten auf einer Preistafel aufgeführt. Neben diesen Angaben ist jeweils der Balkencode aufgedruckt. Ein Überstreichen dieser codierten Spalte mit dem Lesestift sorgt für die Verkaufsdatenerfassung und damit für die Integration in das Warenwirtschaftssystem. Einzelne Flaschenverkäufe werden über die Kassentastatur erfaßt.

Neben dem Lesestift kommen mehr und mehr Lesepistolen zum Einsatz. Wahrend man den Lesestift ziemlich akkurat ansetzen und bewegen muß, lassen sich die Pistolen etwas legerer einsetzen.

Noch sicherer ist das hinwegschieben der Waren über den Scanning-Schlitz. Optische und akustische Anzeigen signalisieren, ob ein Preis erfaßt oder von der Logik nicht akzeptiert wurde. Auf die Scanning-Aggregate hat inzwischen das US-Unternehmen Spectra Physics eine Art von Monopol. Nur IBM stellt eigene Logiken her.

Mehr Informationen pro Artikel

Trotzdem baut Spectra auf seine Position und hat durch einen neuen Scanner so etwas wie eine bombensichere Scanning-Erfassung auf den Markt gebracht. Seitdem das Modell im April vorigen Jahres durch den "Fachausschuß Elektronik beim Hauptverband der deutschen Berufsgenossenschaften e.V. - Abt. Arbeitssicherheit" seinen Gütestempel erhalten hat, dürfen sich noch mehr Anwender für den Laser-"Verkäufer" entscheiden.

Der harte Wettbewerb im Einzelhandel zwingt die Unternehmen zu immer schnellerer Disposition und optimierten Lägern. Schon lange sind größere Märkte von der warengruppenorientierten Information zur artikelbezogenen Auskunft übergegangen. Nicht anders sind schlechte von gut gehenden Artikeln zu unterscheiden.

Dabei stehen sich zwei Kriterien störend gegenüber: Die meisten Großverbraucher-Märkte und Fachgeschäfte wünschen sich immer mehr Informationen pro Artikel. Die meisten haben jedoch kein Geld für teuere Hintergrund-Computer und ein geschlossenes Warenwirtschaftssystem. Grund: Die Spanne zwischen Einkaufs- und Verkaufspreis ist gering, und viele Food-Artikel müssen schnell verkauft werden.

Dazu kommen noch Inventur- und Bestandsarbeiten, Kasseninformationen pro Platz sowie die Geldkontrolle.

Durch den Einzug der Mikroprozessoren in die Kassen profitieren auch kleinere Fachhandelsgeschäfte bis hinunter zum "Tante-Emma-Laden". Wenn auch für letzteren ein integriertes Warenmanagement preislich nicht möglich und auch gar nicht relevant ist, können intelligente Kassen auch den Warenbestand "durchleuchten" und somit zum besseren Einkauf des Unternehmers führen.

Die freien Service-Rechenzentren sowie auf den Handel spezialisierte Dienstleistungsunternehmen bieten hier eine Fülle von Lösungen an. Für viele Branchen gibt es Standard-Programme in gemischter Betriebsweise. Meistens werden die Verkaufsdaten im Geschäft auf einem Datenträger zwischengespeichert, die periodisch vom Rechenzentrum ausgewertet werden. Auch das kleine Fachgeschäft erhält hierdurch Führungsinformationen .

Eine weitere Neuerung steht uns Europäern in den nächsten Jahren am Verkaufspunkt bereit: Das bargeldlose Bezahlen von Butter, Fisch und Konserven sowie anderen Konsumgütern. In Amerika, dem Scheckkarten-Wunderland sind eine Reihe von Pilotinstallationen in Betrieb. Trotzdem ist das EFTS (Electronic Fund Transfer System) dort noch lange keine Realität.

In Frankreich finden derzeit Verhandlungen zwischen Handelsketten und Banken statt. Bei uns ist unter Mitwirkung der Bayrischen Hypobank 1982/83 eine erste Pilotinstallation geplant. Wohl am weitesten sind die Österreicher: In Salzburg läuft bereits seit einem Jahr ein solches System mit NCR-Hardware.