Eintritt in IS-Dienstleistungswelt der DEC und IBM? Compaq will das Image des PC-Boxenschieber loswerden

09.07.1993

HOUSTON (CW) - Vier Jahre, nachdem die Compaq Computer Corp. mit dem "Systempro"-Server an die Oeffentlichkeit und so manchen Midrange-Systemanbieter vor das Schienbein trat, planen die Texaner fuer den Herbst 1993 offensichtlich die naechste Offensive. Im September will die Pfeiffer-Company mit einer grossen Server- und

Netz-Management-Ankuendigung einen weiteren Schritt weg vom reinen PC-Hersteller hin zum Dienstleister fuer IS-Zentren wagen.

Fuer Downsizing-Interessierte scheinen die Neuigkeiten aus Houston von besonderem Reiz, verspricht ihnen Compaqs System-Marketing- Direktor Virgil Hornstein doch PC-Server, deren Leistungsfaehigkeiten auch fuer die Anforderungen auf Abteilungsebene ausreichend sein sollen. Da das Preisgefuege bei 5000 US-Dollar beginnt, koennte Compaq einmal mehr ein interessantes Kapitel zur Preiswuerdigkeit leistungsstarker Rechnersysteme schreiben. Bekanntlich hatten die Texaner mit der Niedrigpreis-Politik ihrer Contura-, Prolinea- und Deskpro-I-PCs vor einem Jahr die Branche erheblich durchgeruettelt und sich selbst eine raketenhafte Umsatzentwicklung beschert.

Zudem zielt der PC-Hersteller anscheinend auf den Markt zeitkritischer Anwendungen: So zumindest ist Hornstein mit der Aussage zu verstehen, fuer Ende des Jahres koenne man mit Systemen rechnen, die von Grund auf fuer dieses DV-Segment entworfen worden seien.

Versprochen sind

Mainframe-Charakteristika

Die zukuenftigen Server-Produkte werden, so der Compaq-Manager weiter, ueber Charakteristika verfuegen, die Anwender bislang eher aus der Mainframe-Welt gewohnt waren: Neben einer Ueberwachungssoftware, die auf zu erwartende Hardwaremalaisen hinweist, seien dies eine nicht eingeschraenkte Energieversorgung, die zudem fuer ein ordnungsgemaesses Herunterfahren des Servers im Falle einer Havarie sorgt; eine Monitoring-Software, die die Auslastung des Gesamtsystems im Auge behaelt sowie eine Unterstuetzung von bis zu vier Prozessoren.

Fuer das nicht nebensaechliche Problem der Softwareverteilung in Unternehmen hat Compaq mit Einbau-CD-ROM-Laufwerken vorgesorgt. Compaq habe naemlich, so Hornstein, herausgefunden, dass sogar erfahrene LAN-Administratoren haeufig mehr als einen Versuch benoetigen, um komplexe Softwareprodukte wie etwa Netware zu installieren, wobei dieses Procedere nicht selten bis zu zehn Stunden dauern kann. Compaq habe deshalb CD-ROM-Versionen von Produkten wie Netware entwickelt, die den gesamten Installationsvorgang nicht nur narrensicher gestalten, sondern ihn auch auf knapp eine Stunde reduzieren wuerden.

Um das Vertrauen vor allem auch von IS-Verantwortlichen zu gewinnen, versucht sich die Compaq Computer Corp. ferner in der Zusammenarbeit ihrer Ingenieure mit Thirdparty-Partnern, wie dies Microsoft schon praktiziert. Beide Parteien sollen Service- und Supportorganisationen aufbauen, die auch den Beduerfnissen verwoehnter DV-Manager gerecht werden. "Es macht", erklaert Hornstein die konzertierte Aktion, "jedenfalls keinen Sinn, wenn Compaq selbst ein Heer von 20 000 Dienstleistern aufbaut."

Marktbeobachter bewerten Compaqs zukuenftige Aktivitaeten als grundlegenden Schritt weg vom reinen PC-Boxenschieber. Angestrebt sei die Transformation zu einem Anbieter von Leistungen, die denen der Grossen im DV-Geschaeft wie etwa IBM oder DEC aehneln. In diesem Zusammenhang duerften Verhandlungen, die die Texaner hinter den Kulissen mit Unternehmen wie Oracle und anderen wichtigen Software-Haeusern fuehren, fuer die Ankuendigung im September Bedeutung gewinnen.

Compaqs Strategie ist nach Meinung des Marktanalysten Jeffrey Henning von der BIS Strategic Decisions in Norwell, Massachusetts, so ausgereift, dass durchaus Chancen fuer ihre erfolgreiche Umsetzung bestehen: "Sie muessen allerdings die Details noch zu einem Ganzen zusammenfuegen", meint der Marktforscher. Andere Brancheninsider sind sich hingegen nicht so sicher, dass Compaq in Sachen Dienstleistungen erfolgreich gegen die Heavyweights der Branche anzutreten vermag.

Die Server-Modelle sollen im September vom Fliessband laufen. Ein Modell mit Intels Pentium-CPU soll in der Grundausstattung rund 6000 Dollar kosten, Topsysteme nicht mehr als 25 000 US-Dollar. Erste Demonstrationen werde es auf der am 13. September beginnenden Compaq-Grossveranstaltung "Innovate '93" geben.