Neu am Wissenschaftshorizont: Optische Computer

Einmaleins mit Laserstrahlen berechnen

24.06.1983

Daß elektronische Computer Konkurrenz bekommen könnten, hätte bis vor kurzem wohl niemand geglaubt. Dazu sind diese Kinder modernster Technik zu erfolgreich. Und doch gibt es Anzeichen, daß ihnen andere Computer, die auf der Basis von Licht statt Strom arbeiten, vielleicht einmal den Rang ablaufen. Der Grund: Optische Computer sind theoretisch tausendmal schneller als die schnellsten elektronischen Computer.

Optische Computer existieren heute zwar erst auf dem Papier und in den Köpfen einiger Wissenschaftler. Aber der Grundstein für den Bau solcher Maschinen ist bereits gelegt: Drei Physiker von der Heriott-Watt-University in Edinburg, Eitan Abraham, Colin Seaton und Desmond Smith haben den ersten optischen Transistor entwickelt. Das völlig neuartige Bauelement wird in künftigen "Lichtcomputern" das gleiche tun wie der elektrische Transistor in den heutigen Computern: zwischen zwei Zuständen hin und herschalten.

So wie unsere jetzigen Elektronikwunder mit Millionen konventioneller Transistoren vollgestopft sind, werden ihre Optiknachfolger mit optischen Transistoren bestückt sein. Die neuen Computer werden zwar ähnliche Aufgaben erledigen wie ihre elektrische Konkurrenz, aber viel schneller, denn optische Transistoren brauchen rund tausendmal weniger Zeit als die schnellsten elektrischen, um von einem Zustand in den anderen zu schalten.

Wetter im Computer

Wozu Computer noch schneller machen? Diese Frage wird von den Fachleuten fast immer gleich beantwortet: Mit jeder Erweiterung des Computerhorizonts" wird es einfacher, Mammutaufgaben zu lösen wie die Berechnung langfristiger Wetter- und Klimavorhersagen oder die Simulation von technischen Vorgängen.

Schnelle Großrechner kommen zum Beispiel in der Geologie zum Einsatz oder in der Reaktortechnik, wo der Rechner die Analyse und Kontrollfunktionen des gesamten Reaktorkerns übernehmen kann. Viele dieser aufwendigen Arbeiten dauert selbst auf den heutigen Supermaschinen noch lange - oft zu lange: Das Wetter wartet bekanntlich nicht auf den Computer.

Interferenz steuerbar

Natürlich gibt es noch andere triftige Gründe, um die Computerentwicklung straff voranzutreiben: Den Firmen geht es um möglichst große Marktanteile in der Branche, den Forschern um den Ruhm und das Stillen ihres Wissensdurstes. Ob die Produkte, die dabei herauskommen, eine echte Anwendung finden und auch gefragt sind, weiß man am Anfang oft nicht.

Zurück zum optischen Transistor. Hier kommt eine völlig neue Technik zur Anwendung, die mit Laserstrahlen statt mit elektrischen Strömen arbeitet. Der Ausgangspunkt für das neue Schaltelement ist ein optisches Gerät, das die französischen Physiker Charles Farbry und Alfred Perot vor 90 Jahren erfanden. Fallen Lichtstrahlen auf dieses Gerät, werden sie in seinem Innern hin und herreflektiert. Die reflektierten Strahlen überlagern sich mit den einfallenden. Je nachdem, wie sie aufeinandertreffen, verstärken sie sich, oder sie löschen sich gegenseitig aus. Dieses Phänomen nennt man Interferenz; das Gerät heißt Interferometer.

Der optische Transistor ist ein spezielles Miniatur-Interferometer. Dieses wird an seinem Eingang mit zwei Laserstrahlen beschickt. Am Ausgang resultiert entweder ein sehr schwacher oder ein sehr starker Strahl, je nach Interferenz. Und diese läßt sich - das ist der Trick - mit dem einen Eingangsstrahl allein steuern, indem man ihn ein- oder ausschaltet

Der optische Transistor hat damit von der Wirkung her ähnliche Eigenschaften wie sein elektrisches Pendant: Auch dort steuert ein schwaches Eingangssignal das Bauelement so, daß am Ausgang entweder ein sehr schwaches oder ein sehr starkes Signal auftritt. Die Analogie zwischen den Schaltelementen geht so weit, daß sich die drei britischen Forscher überlegten, was passieren würde, wenn man die elektrischen Transistoren der heutigen Computer durch optische ersetzen würde. Ihr Schluß: Man würde einen völlig neuen Computer erhalten, einen Lichtcomputer!

Völlig andere Struktur

Die ersten dieser optischen Computer würden Daten auf die gleiche Weise verarbeiten wie die heutigen elektronischen Maschinen. Spätere Modelle aber könnten sogar ein neues Computerzeitalter einläuten: Mit der neuen Technik lassen sich nämlich völlig neue Computerideen verwirklichen, Ideen, die mit Elektronik nie realisiert werden können.

So ist es zum Beispiel denkbar, daß zukünftige optische Transistoren nicht bloß zwei Ausgangszustände ("Ein - "Aus" oder "1" - "0" oder "Ja" - Nein") haben wie ihre elektrischen Brüder, sondern drei oder noch mehr. Fazit: Maschinen mit solchen Bausteinen hätten eine völlig andere Struktur, die ganze Computerlogik (siehe Kasten) wäre anders.

Zurück auf den Boden der Realität. Den optischen Transistor gibt es, aber die Prototypen sind groß, funktionieren nur bei bestimmten Temperaturen und arbeiten langsam. Abraham und seine Kollegen sind aber optimistisch.

Sie glauben, daß der optische Computer ein völlig realistisches Konzept ist, das sich schon bald verwirklichen läßt. Anderer Ansicht ist man bei IBM. Fachleute des Forschungslabors in Rüschlikon sehen in den optischen Schaltelementen keine große Zukunft. Sie behaupten auch, die Idee sei gar nicht neu.

Rolf Landauer, einer der führenden Köpfe der IBM-Forschung, soll sich sogar beschwert haben, daß die drei britischen Wissenschaftler ihre Thesen im Scientific American, einem reputierten Wissenschaftsmagazin, veröffentlichen dürfen.

Was immer dies für Gründe haben mag und wer immer recht hat bei dieser Kontroverse, eines ist sicher: Der optische Computer ist sicher ein gutes Stück realistischer als der Biocomputer, ein Elektronikwunder, das ehrgeizige Wissenschaftler komplett aus organischen Molekülen bauen möchten.

*Felix Weber, Gockhausen/Schweiz.