Firmen setzen auf eigene Shopping-Portale

Einkaufen während der Arbeitszeit soll die Mitarbeiter an das Unternehmen binden

12.01.2001
Hochqualifizierte Mitarbeiter sind knapp. Deshalb tun Firmen gut daran, sie bei Laune zu halten. Neben zahlreichen Zusatzleistungen vom kostenlosen Handy über das hauseigene Fitness-Angebot etabliert sich ein weiterer Trend, um die Mitarbeiter zu motivieren: firmeneigene Shopping-Portale. Von CW-Mitarbeiterin Ingrid Weidner

Immer wieder gibt es Versuche von eher konservativen Personalern, den Mitarbeitern jede private Nutzung ihres Internet-Anschlusses zu verbieten. Ohne rechtliche Grundlage stehen solche Verordnungen auf tönernen Füßen und animieren in Zeiten von Personalknappheit keinen qualifizierten Mitarbeiter zum Bleiben. Geschickter ist dagegen eine andere Methode: Inzwischen kanalisieren manche Firmen lieber den Hang ihrer Angestellten zum Einkauf während der Arbeitszeit.

Bei Compaq in Dornach bei München dürfen die Mitarbeiter während der Arbeitszeit ganz legal surfen und über das Web einkaufen. Was in anderen Firmen nicht gern gesehen wird, unterstützt seit Anfang November eine eigene Einkaufsplattform im Intranet. "Unser Unternehmen bewegt sich im Internet-Geschäft, die Nutzung neuer Technologien gehört bei uns dazu. Wir möchten den Mitarbeitern einen attraktiven Arbeitsplatz bieten", erklärt die Projektleiterin Christa Filipowicz das Konzept. Viele Firmenstandorte von Compaq liegen in Industriegebieten und nicht in praktischer Innenstadtnähe. Da kann der Einkauf von ganz alltäglichen Dingen wie frischem Obst und Milch schon zum echten Problem werden.

Deshalb stehen den Mitarbeitern neben dem Lebensmittelservice von Einkauf 24, einem Weinhandel und Reinigungsservice momentan insgesamt 3500 Produkte zur Verfügung. Die Lieferungen gehen an die Firmenadresse. In extra bereitgestellten Kühlschränken passiert der Milch nichts, selbst wenn der künftige Besitzer etwas länger arbeitet.

Öffnet das Angebot dem Arbeiten ohne Ende die Hintertür? Filipowicz winkt bei solchen Einwänden ab. "Natürlich kamen anfangs solche Fragen. Aber für uns ist es eher eine Zusatzleistung für die Mitarbeiter." Inzwischen haben sich schon fast die Hälfte der Beschäftigten angemeldet, um das Angebot zu testen. Neben den Tagesnachrichten bietet das System auch eine Erklärung zu den einzelnen Produkten an. Ist sich ein Käufer nicht sicher, welcher Weißwein am besten zu den bestellten Shrimps passt, kann das Shopsystem durchaus helfen, einen Fauxpas beim Kerzenschein-Dinner zu verhindern. Luxusartikel möchte Filipowicz nicht in das Angebot aufnehmen. Zwar wünschen sich die Mitarbeiter bei einigen Shops - etwa für Bekleidung - eine bessere Auswahl, aber den Kaschmirpulli für 500 Euro gibt es trotzdem nicht zu kaufen.

Die technische Plattform stellte Netembassy zur Verfügung. Das Startup wurde Mitte 1999 in München gegründet und ist nach eigenen Angaben der erste Online-Mitarbeiterservice Europas. Seit September leitet Rainer Stinner als Vorstandsvorsitzender das Unternehmen. Der ehemalige Unternehmensberater kam zum Münchner Startup als Business Angel und war von der Geschäftsidee so begeistert, dass er sich gleich selbst als Mitarbeiter bewarb. "Wir haben nach ausführlichen Recherchen erkannt, dass Mitarbeiterbindung momentan ein zentrales Thema ist." Mit Mitarbeiterportalen im Intranet möchte Netembassy die Firmen dabei unterstützen.

Von Car-Sharing bis zum Babysitter-ServiceDas Argument, die Unternehmen animierten ihre Mitarbeiter zum Online-Einkaufen während der Arbeitszeit, zählt für den 53-jährigen Manager nicht. "Wenn die Mitarbeiter am Arbeitsplatz einen Internet-Zugang haben, dann surfen sie sowieso während der Arbeitszeit. Besser ist, wenn sie es über das firmeneigene Portal tun."

Zwar basiert die Plattform auf der Shoplösung von Intershop, doch mussten die Münchner Programmierer einige Features zusätzlich in das System integrieren. Ein neuer Kunde in Düsseldorf wünscht sich neben den Einkaufsmöglichkeiten einen Car-Sharing-Dienst für die Mitarbeiter und ein Babysitter-Angebot. Stadtpläne und Ausgehtipps für deutsche Großstädte wie Berlin, München oder Hamburg gibt es dagegen schon. Sie sollen den gestressten Mitarbeitern helfen, das Leben auf Geschäftsreisen so angenehm wie möglich zu gestalten. Nach einem harten Arbeitstag entfällt die Suche nach dem besten italienischen Restaurant in der fremden Stadt. Selbst die aktuellen Tagesnachrichten gibt es in ausgewählter Häppchenform auf der Shopping-Site. Firmeneigene Chat- und Diskussionsforen lassen sich in die Plattform integrieren.

Deutschland zählt in Europa zu den wichtigsten Märkten. Allerdings träumt man in München schon von einem Engagement in weiteren europäischen Ländern. Die Idee der findigen Firmengründer ist einfach: Netembassy stellt für die Kunden eine Shoplösung im Intranet der Firmen und in deren Corporate Design zur Verfügung. Die komplette Logistik von der Bestellung bis zur Lieferung und Bezahlung regeln Besteller und Dienstleister. Inzwischen haben schon sechs Unternehmen, darunter Ernst & Young, Roland Berger + Partner und der Chip-Broker ACG aus Wiesbaden einen Vertrag unterschrieben und beginnen demnächst mit der Testphase. Als Zielgruppe hat das Münchner Startup allerdings nur Großunternehmen im Auge. "Die komplette Lösung wird erst für Unternehmen ab zirka 500 Mitarbeitern interessant", so Stinner.

Die Merconic GmbH startete im Juli 2000 mit einem ähnlichen Angebot. Sie entwickelt Corporate Shops für große Unternehmen als Extranet-Lösung. Als erster Kunde nutzt Pricewaterhouse-Cooper seit Anfang September die Plattform von Merconic. Für die Dienstleistungsangebote aus den Kategorien Elektronik, Freizeit, Genuss, Living, Reisen und Style bietet das Berliner Startup spezielle Angebote und Sonderkonditionen für die Mitarbeiter. Das Warensortiment bedeutet für die Käufer einen echten Preisvorteil, denn Merconic handelte mit den Lieferanten günstigere Preise aus. Felix Bosse, CEO von Merconic, sieht Netembassy deshalb nicht unbedingt als Konkurrenz. Bisher gehören Lebensmittel noch nicht zum Warenangebot, dafür allerlei elektronische Geräte vom Handspring bis zu den neuesten Handy-Modellen.

Bei SAP sind Shopping-Portale kein Thema"Unsere flexible Technologie bietet den Firmen noch andere Einsatzgebiete, beispielsweise den Verkauf firmeneigener Produkte", so Bosse über die selbst entwickelte Plattform. Musste früher die Sekretärin die Baseball-Mützen mit Firmenaufdruck noch während der Arbeitszeit verkaufen, lässt sich das problemlos über die Shoplösung abwickeln.

Allerdings stößt das organisierte Einkaufen nicht bei allen Unternehmen auf Begeisterung. Markus Berner, Unternehmenssprecher von SAP, kann sich nicht vorstellen, dass in Walldorf über solche Möglichkeiten der Mitarbeiterbindung nachgedacht wird. Zwar liegt die Unternehmenszentrale nicht unbedingt zentral, aber für das Einkaufen bleibt den Mitarbeitern auf jeden Fall genügend Zeit.

Bei Ciao.com in München gehören mittlerweile selbst die Massagestunden während der Arbeitszeit der Vergangenheit an. "Wir hatten einige Zeit lang die Möglichkeit. Aber wenn ich mich im Büro in meiner gewohnten Umgebung massieren lasse, dann bin ich doch eher mit meinen Gedanken bei der Arbeit. Richtig entspannen kann ich mich dabei nicht", weiß die Pressesprecherin Franziska Deecke aus eigener Erfahrung.

Beim Einkaufen gehen die Ciao-Mitarbeiter ebenfalls lieber eigene Wege. "Unser Büro ist mitten in der Stadt und es ist kein Problem, tagsüber einzukaufen", erzählt Deecke. Bei den gemeinsamen Aktivitäten der Mitarbeiter steht der Spaßfaktor im Vordergrund. Das Angebot reicht vom Sportprogramm bis zur Vorpremiere interessanter Kinofilme. Besonders beliebt sind die immer gefüllten Obstschalen in den Büroräumen. Die Vitamine stellt das Startup seinen Mitarbeitern täglich kostenlos zur Verfügung.