Bernd Kuntze, CIO der Haas Food Equipment GmbH

Einer, der sich nicht nur Freunde macht

18.03.2013
Von 
Karin Quack arbeitet als freie Autorin und Editorial Consultant vor allem zu IT-strategischen und Innovations-Themen. Zuvor war sie viele Jahre lang in leitender redaktioneller Position bei der COMPUTERWOCHE tätig.
Professionelle Informationstechnik ist die Passion von Bernd Kuntze, CIO der Haas Food Equipment GmbH - auch wenn ihn die User deshalb nicht immer mögen. Das würdigte auch die Jury für den "CIO des Jahres 2012".

Halbe Sachen mag Bernd Kuntze nicht: Hat der CIO des Maschinenbauers Haas Food Equipment - gemeinsam mit den Eignern des Familienunternehmens und den anderen Mitgliedern des Management-Teams - erst einmal Strategie und technische Standards definiert, so drängt er auch mit Konsequenz auf deren Einhaltung. Wie er betont, wird aber stets "ein Kompromiss zwischen einer harmonisierten IT-Landschaft und den geschäftlichen Bedürfnissen der Manager gesucht - und gefunden".

Von Leobendorf in die Welt

Letztlich war es diese Konsequenz, die Kuntze den Titel "CIO des Jahres 2012 im Mittelstand" einbrachte - übrigens als erstem Österreicher. Aus der Jury-Bewertung: "Mit Hilfe seiner herausragenden Fachkompetenz in Sachen IT-Governance für die Nahrungs- und Genussmittelbranche hat Kuntze das Unternehmen optimal für die globale Neuausrichtung positioniert."

Haas Food Equipment hat seinen Stammsitz im österreichischen Leobendorf. Doch die rund 1500 Mitarbeiter des mittelständischen Unternehmens haben den letztjährigen Umsatz von rund 252 Millionen Euro in mittlerweile 16 unterschiedlichen Ländergesellschaften erwirtschaftet.

Als es Kuntze vor etwa fünf Jahren zu Haas zog, fand er dort eine extrem heterogene ERP-Architektur vor: Die Zentrale, die österreichischen Landesgesellschaften und die Servicecenter setzten auf SAP-Software, die dänische Landesgesellschaft (später hinzugekommen) auf Applikationen von Baan, die Niederländer hingegen auf Microsofts Axapta, während die Brasilianer ein hierzulande kaum bekanntes Produkt verwendeten und die Amerikaner mit eher rudimentären ERP-Funktionen zurechtkommen wollten.

Diese "dreieinhalb ERP-Systeme" sind ein Teil der Altlasten, die Haas im Rahmen seiner IT-Strategie gern bereinigen würde. Die IT-Strategie umfasst die Formulierung einer weltweiten Governance, die Neugestaltung der IT-Infrastruktur, die IT-seitige Integration und Harmonisierung von Auslandstöchtern und Akquisitionen sowie geschäftskritische Projekte wie die Einführung einer neuen PLM-Lösung (Product-Lifecycle-Management).

Dieses PLM-Projekt war ein ganz wichtiger Faktor für den Erfolg der Harmonisierung. Eigentlich hatte Kuntze es zunächst nur in den Geschäftsbereichen des Stammwerks implementieren wollen: "Aber als ich im Rahmen des Management-Team-Meetings von unseren Plänen erzählte, erntete ich ein: Das will ich auch!" Früher als gewollt habe er deshalb den Projektumfang auf einige der Tochterunternehmen erweitern müssen - "darunter so herausfordernde Standorte wie Brasilien".

Vier Jahrzehnte lang in Betrieb

Das Ziel des Projekts bestand darin, die Konstruktion und den Service für alle Maschinen zu unterstützen, die Haas baut. Diese Produkte sind bei den Kunden oft bis zu 40 Jahre lang in Betrieb. Um sie warten und mit Ersatzteilen bestücken zu können, ist es notwendig, die Daten vom 3D-Entwurf im CAD-System bis zum Abbau sauber mitzuführen. Jeder, der sich mit Stammdatenpflege beschäftigt, weiß, dass sich diese Aufgabe nicht nebenher erledigen lässt.

Der interne Projektaufwand betrug bis zum Ende des vergangenen Jahres rund 3500 Manntage (ohne Trainings). Die externen Kosten lagen bei etwa 1,5 Millionen Euro. Bis zum Abschluss des Projekts, der für 2013 geplant ist, werden noch jeweils zehn Prozent hinzukommen.

Wie der CIO freimütig bekennt, verlief das Projekt nicht immer so glatt, wie auf dem Reißbrett entworfen. Als Grund dafür nennt er die für Haas unerwartet gute Geschäftsentwicklung. Die Wirtschaftskrise des Jahres 2008 sei an dem Unternehemn ohne gravierende Spuren vorübergegangen. Deshalb hätten die Konstrukteure - entgegen den gemeinsam verabschiedeten Plänen - weniger Zeit gehabt, an dem Projekt mitzuarbeiten. Die Kundenaufträge haben bei Haas wie anderswo erste Priorität. Und die internen Know-how-Träger ließen sich nun einmal nicht durch externe Kräfte ersetzen.

Flache Zentralfunktionen

Die IT konnte nur drei der rund 20 Mitarbeiter für das Vorhaben abstellen. Die Haas-Eigentümer wollten damals keine zusätzlichen Mitarbeiter anheuern: "Die Zentralfunktionen sollen nach ihrem Willen möglichst flach bleiben", erläutert Kuntze. Auch die Suche nach geeigneten und willigen Key-Usern gestaltete sich schwierig. Denn die damit verbundenen Aufgaben sind nicht en passant erfüllbar.

Und last, but not least gab es gewisse Reibungsverluste bei der Abstimmung zwischen den Softwarelieferanten. Die Software basiert auf SAP ECC 6.0 und integriert das PLM-System "PDM/Link" von PTC, eine bidirektionale Schnittstelle von Innoface sowie ein Teile-Management- und Suchsystem von Cadenas mit diversen Infrastrukturelementen.

Der Beste im Mittelstand

  • Bernd Kuntze begann seine berufliche Laufbahn beim Österreichischen Verteidigungsministerium BMfLV.

  • Nach vier Jahren übernahm der studierte Informatiker (TU Wien) die IT-Leitung bei Masterfoods Austria. Die Verantwortung für Österreich weitete er später auf Zentraleuropa aus.

  • Nach 20 Jahren beim Lebensmittelkonzern ging er zur Raiffeisen-Informatik, wo er die interne Organisation leitete.

  • Seit 2008 ist Kuntze nun CIO bei der früheren Franz Haas Waffelmaschinen GmbH, jetzt Haas Food Equipment GmbH, wo er für IT und Organisation in allen 16 Standorten auf vier Kontinenten verantwortlich ist.

  • Der heute 55-jährige ist nicht nur zertifizierter Experte nach CGEIT (Certified in Governance of Enterprise IT) und Träger des Six Sigma Green Belt, sondern auch "allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger" für Informationssysteme.

Motivation für die Migration

Schnittstellen zu anderen Systemen liefert die Haas-IT nicht mit. Damit steigt für die größeren Niederlassungen mit ihren heterogenen ERP-Systemen die Motivation, auf SAP zu wechseln. Die kleineren Landesgesellschaften erhalten ein SAP-Template, das laut Kuntze sogar für die Service-Center mit teilweise nur einem halben Dutzend Mitarbeitern funktioniert. Wie der CIO erläutert, wäre es unklug, dort zunächst eine explizite Mittelstandssoftware wie Microsoft Dynamics einzuführen. Schließlich wolle das Unternehmen ja gerade in den Schwellenländern wachsen: "Und dann müssten wir ohnehin migrieren."

Das Reporting zu Behörden sei in den "Haas-Ländern" oft sehr komplex, sagt Kuntze. Auch deshalb wird nicht jede Funktion in jeder Landesgesellschaft in Form von SAP abgebildet: "Das Payroll-System in Brasilien beispielsweise ist so eigen, dass es leichter über eine Schnittstelle anzubinden wäre", konkretisiert der CIO die Vorgehensweise. Die Migration der ERP- Systeme soll sukzessive über die Bühne gehen. Kuntze kalkuliert mit neun Monaten pro Landesgesellschaft, so dass Ende 2016 alle Niederlassungen auf demselben ERP-Stand sein könnten.

Langfristig tragbare Entscheidung

Diese Strategie kann Kuntze nach seiner Überzeugung auch dann weiterverfolgen, wenn es wider Erwarten mal Rückschläge gibt. Zum einen findet der CIO bei den Firmeneigentümern ein offenes Ohr: "Sie sind interessiert und hören mir zu." Zum anderen legt das Haas-Management - anders als der Vorstand so manchen börsennotierten Unternehmens - Wert auf langfristig tragbare Entscheidungen: "Familienunternehmen sind eben auf die nächste Generation ausgelegt, nicht auf einen kurzfristig erzielbaren Aktiengewinn."

Eine solche Grundeinstellung kommt auch der Governance entgegen: "Ich habe mit den Eigentümern und dem gesamten Management-Team geklärt, wo wir hinwollen, und das Wichtigste auf zwei Seiten zusammengefasst", führt Kuntze aus, "das wird jetzt schrittweise implementiert." Wichtig ist hier, wie schon angedeutet, die Balance zwischen reinen IT-Themen und einer nachhaltigen Geschäftsentwicklung mit einem professionellen IT-Beitrag.

Ein Beispiel für seine konsequente Haltung gegenüber Sonderwünschen der Anwender hat Kuntze kürzlich in der COMPUTERWOCHE-Schwesterpublikation "CIO" beschrieben: Es gibt bei ihm keine Consumer-Apps wie "Dropbox", solange nicht geklärt ist, wo die Daten landen und wer darauf Zugriff hat. Dies vor allem, um die Interessen des Unternehmens zu wahren, wie der Haas-CIO beteuert.

Selbstverständlich ist Kuntze klar, dass er sich auf diese Weise nicht nur Freunde macht. Anwender tendieren nun einmal dazu, vor allem die Bequemlichkeit einer Lösung zu sehen. Deshalb bemüht sich der CIO auch um Alternativen. Im Fall Dropbox könnte das eine Inhouse-Lösung sein oder - wahrscheinlicher - ein Produkt von einem österreichischen oder deutschen Anbieter, der es auch hostet. Eine Entscheidung ist hier allerdings noch nicht gefallen.

Zertifizierter Gutachter

Seine Fachkompetenz stellt Kuntze bisweilen auch vor Gericht unter Beweis. Er ist zertifizierter Gutachter für IT-Fragen, wie sie beispielsweise im Streit um Gewährleistungsfälle auftauchen. "Reich kann ich von der Aufwandsentschädigung nicht werden", schmunzelt er, "aber dafür eigne ich mir auf diese Weise Wissen an, das ich im täglichen IT-Geschäft anwenden kann." (mhr)