Eine Werbung für Ingenieur-wissenschaften wäre verfehlt

27.08.1982

Als erstes wollen wir die Zahl der arbeitslosen Ingenieure analysieren, wobei wir uns mit dem Wissenschaftsrat auf die Zeit seit 1975 beschränken können, da es in den vorangehenden Jahrzehnten in der Bundesrepublik kein nennenswertes Arbeitslosenproblem gab. Außerdem ist es sinnvoll, den Zeitraum von 1975 bis 1980 getrennt von der jüngsten Entwicklung zu untersuchen, da die letztere durch einen schweren konjunkturellen Einbruch gekennzeichnet ist und in ihrer Tendenz völlig vom vorangehenden Fünfjahreszeitraum abweicht.

Unter den Universitätsabsolventen der Ingenieurwissenschaften gab es im September 1975 insgesamt 2960 Arbeitslose, im September 1980 waren es 2679. Auf den Problembereich der Architekten und Bauingenieure entfielen davon 1597 (1975) beziehungsweise 1116 (1980). Die Arbeitslosigkeit bei den Universitätsingenieuren nahm also in dem Fünfjahreszeitraum von 1975 bis 1980 um 9 Prozent ab, was in bemerkenswertem Kontrast zu der Zunahme um nicht weniger als 82 Prozent steht, die im gleichen Zeitraum bei der Gesamtzahl der arbeitslosen Universitätsabsolventen zu verzeichnen war. Besonders drastisch ist der Kontrast zur Lehrerarbeitslosigkeit, die von 2658 im Jahre 1975 auf 8550 im Jahre 1980 und damit um 222 Prozent gestiegen ist.

Bei den Fachhochschulabsolventen gab es im September 1975 8261, im September 1980 4686 arbeitslose Ingenieure, der Rückgang der Arbeitslosigkeit betrug also 43 Prozent. Die Zahl der Arbeitslosen unter den sonstigen Fachhochschulabsolventen stieg dagegen von 6656 im Jahre 1975 auf 8941 im Jahre 1980 und damit um 34 Prozent.

Im Fünfjahreszeitraum 1975 bis 1980 hat sich also der Arbeitsmarkt für Ingenieure als recht aufnahmefähig erwiesen im Gegensatz zur allgemeinen Entwicklung der Arbeitsmarktsituation für Akademiker. Die Zahl der offenen Stellen für Maschinenbau- und Elektroingenieure lag - ebenso wie bei Mathematikern, Informatikern und Physikern - über der Zahl der Bewerber und in vielen Fällen konnten offene Stellen für längere Zeit nicht besetzt werden. Auf anderen Teilarbeitsmärkten (zum Beispiel für Architekten, Vermessungs- und Bauingenieure) lag die Zahl der offenen Stellen unter der Zahl der Bewerber, doch war auch für Absolventen dieser Fachrichtungen die Situation noch vergleichsweise günstig und die Arbeitslosenzahlen nahmen ab.

Ingenieure ebenso betroffen wie andere Akademiker

Diese für die Ingenieure günstige Entwicklung des Arbeitsmarktes hat sich in den beiden letzten Jahren nicht mehr fortgesetzt. Vom September 1980 bis September 1981 stieg die Zahl der arbeitslosen Universitätsingenieure um 51 Prozent von 2679 auf 4045, die der beschäftigungslosen Fachhochschulingenieure um 47 Prozent von 4686 auf 6911. Dieser Anstieg lag prozentual noch über der Zunahme der gesamten Akademikerarbeitslosigkeit (Universitäts- und Fachhochschulabsolventen zusammengerechnet) um 43 Prozent von 41850 (1980) auf 59 866 (1981). Im Gegensatz zur Entwicklung im vorhergehenden Fünfjahreszeitraum waren also von dem Anstieg der Arbeitslosigkeit im Jahre 1981 die Ingenieure ebenso betroffen wie die anderen Akademiker, die Fachhochschulabsolventen ebenso wie die Universitätsabsolventen. Nach den letzten mir bekannten Zahlen von Ende Dezember 1981 standen 14 700 arbeitslosen Ingenieuren aller Fachrichtungen (Universitäts- und Fachhochschulabsolventen zusammengenommen) nur noch 9500 offene Stellen gegenüber; der Ingenieurmangel der vorhergehenden Jahre hat also sein Ende gefunden.

Die Ergiebigkeit des Arbeitsmarktes für Ingenieure in der zweiten Hälfte der 70er Jahre wird besonders deutlich, wenn man die rückläufige Arbeitslosenzahl mit der Entwicklung der Absolventenzahlen vergleicht. An den Universitäten beendeten 1975 insgesamt 4344 Ingenieurstudenten ihr Studium mit Erfolg, davon 1355 Maschinenbauer und 1200 Elektrotechniker; im Jahre 1979 waren es 5854, davon 1685 Maschinenbauer und 1515 Elektrotechniker. Die Zahl der Diplomingenieure, die ein Universitätsstudium erfolgreich absolvierten, hat also von 1975 bis 1979 um 35 Prozent zugenommen, während die Arbeitslosenzahl im gleichen Zeitraum um 14 Prozent zurückging. Bei den Universitätsabsolventen war die günstige Lage am Arbeitmarkt für Ingenieure in der zweiten Hälfte der 70er Jahre also ausschließlich auf einen starken Anstieg der Nachfrage, nicht aber auf ein rückläufiges oder stagnierendes Angebot an Arbeitskräften zurückzuführen.

Etwas anders liegt die Situation bei den Fachhochschulabsolventen. Bei diesen nahm die Zahl der Absolventen der Ingenieurwissenschaften von 15 359 im Jahre 1975 auf 14957 im Jahre 1975 ab; beim Maschinenbau lauten die Vergleichszahlen 6198 (1975) beziehungsweise 5378 (1979) bei der Elektrotechnik 4455 (1975) beziehungsweise 4484 (1979). Der Rückgang der Arbeitslosigkeit um 48 Prozent im Zeitraum von 1975 bis 1979 hat also bei den Fachhochschulabsolventen der Ingenieurwissenschaften neben dem starken Anstieg der Nachfrage seine Ursache auch in einem leichten Rückgang der Absolventenzahlen um 3 Prozent.

Wenn man die Entwicklung des Arbeitsmarktes und die Entwicklung der Absolventenzahlen zusammen sieht, dann kann man feststellen, daß sich die Nachfrage der Wirtschaft nach Ingenieuren in der zweiten Hälfte der 70er Jahre für Universitäts- und Fachhochschulabsolventen einigermaßen parallel und insgesamt sehr positiv entwickelt hat daß im Universitätsbereich diese Nachfrage durch steigende Absolventenzahlen im wesentlichen aufgefangen werden konnte, während im Fachhochschulbereich durch stagnierende Absolventenzahlen ein deutlicher Engpaß entstanden ist. Bei dieser Aussage muß allerdings einschränkend bemerkt werden, daß sie für die Bundesrepublik als Ganzes gilt; in Bayern war die Entwicklung des Fachhochschulsektors bei weitem günstiger als im bundesdeutschen Durchschnitt.

Wird fortgesetzt

Entnommen einem Vortrag über "Ausbildungs-" und Berufschancen der Jugend in technischen Bereichen". Das Referat wurde in München auf dem Bayerischen Wirtschaftstag (...) 2 gehalten.