Standardsoftware für das Finanzwesen/Datenkonsolidierung und Flexibilisierung der Reports

Eine Lösung für die spezifischen Probleme des Fashion-Business

15.05.1998

Im Zuge der Erweiterung der Geschäftsfelder der Escada AG, München, beschloß der Controlling-Vorstand in Zusammenarbeit mit dem DV-Leiter und den Anwendern 1994 die Einführung eines neuen Controlling-Systems. Ein weiterer Grund für die Umstrukturierung des Controllings lag in der spezifischen Problemstellung im Fashion-Business: der Trennung saisonaler Produktinformationen von dem jeweiligen Fiskaljahr.

In der Regel versucht man, die beiden im Verkauf befindlichen Kollektionen zu einem Geschäftsjahr zusammenzufassen. Die Frühjahrs- und Sommerkollektion kommt dabei schon im Oktober des Vorjahres in den Laden und wird bis zum Schlußverkauf im Juni angeboten. Das Design für eine Produktlinie entsteht bereits ein Jahr vor Auslieferung. Die unterschiedlichen Termine bedingen eine große Datenvielfalt sowie die Problematik der genauen Abgrenzung ("cut-off") dieser Daten.

Ebenso generiert die horizontale Diversifikation der Produktlinie größere Datenbestände und das Bedürfnis, gezielte Informationen für das Management, die Investoren und die Aktionäre zu gewinnen. Als internationaler Konzern werden hier unter dem Schlagwort "InvestorRelations" vor allem Berichtsformate nach US-GAAP oder IAS diskutiert und erstellt. Dies erforderte eine Softwarelösung, die es erlaubt, die einzelnen Geschäftsfelder exakt zu analysieren. Für den Aufbau einer internationalen Produktlinie rechnet Escada mit etwa sechs Saisons. Hierfür sind in der Regel hohe Anlaufinvestitionen in Design und Vertriebsstruktur notwendig. Deshalb benötigte Escada ein Software-Tool, mit dem sich schnell zeigte, wie sich die Sache entwickelt, mit dem sich Business-Pläne erarbeiten lassen und die ganze Datenmenge konsolidieren läßt.

Für die Auswahl der neuen Controlling-Lösung wurde ein Projektteam gebildet, das ein genaues Anforderungsprofil für die neue Software erstellte. Dazu zählten Funktionen wie die Automatisierung von Routinen, der einfache und schnelle Datentransfer sowie die Flexibilisierung der Reports. Weiterhin sollte das Programm den Ausbau des Data- Warehouse bei Escada unterstützen, die bestehenden Datenbestände sichern und komplexere Berichtsdimensionen erlauben.

Zudem arbeitete der Modekonzern beim Erstellen der Berichte mit Excel.

Wegen des geringeren Schulungsaufwands sollte diese Möglichkeit bei der Einführung einer neuen Controlling-Lösung nicht verlorengehen.

Im Rahmen einer Veranstaltung der Controller-Akademie informierte sich das Projektteam über mögliche Lösungen.

Nach einer Vorauswahl blieben die Produkte TZ Info von MIK, SAP als generelle Softwarelösung sowie Enterprise von Hyperion Software übrig. Zum damaligen Zeitpunkt erschien Escada die Lösung von SAP als zu umfangreich. Zudem setzt das Unternehmen bis jetzt als Basissystem DCW von Wellenreuther ein, das eigentlich beibehalten werden sollte. TZ Info von MIK fiel aus dem Rennen, da die Software auf dem Betriebssystem OS/2 aufbaut und die IT-Verantwortlichen ihre Windows/ Unix-Plattform nicht um ein weiteres Betriebssystem erweitern wollten.

Ausschlaggebend für die Entscheidung für Hyperion Software waren die Windows-Umgebung und der Funktionsumfang. Dazu zählt auch die Flexibilität von Hyperion, mit der die Finanzsoftware auf die Subsysteme des Unternehmens aufsetzt. Enterprise erfüllt zudem das Kriterium, eine Standardsoftware zu sein, die individuelle Anpassungen erlaubt. Als sehr wichtig erachtete das Projektteam des Münchner Modeunternehmens die Unabhängigkeit des Controllings von der gesamten DV.

Das bedeutet, daß die Controlling-Abteilung eigenständig bestimmte Konsolidierungsläufe oder ähnliches starten kann, ohne einen DV-Betreuer damit zu beauftragen.

Zu guter Letzt sollte die neue Softwarelösung über eine Excel-Schnittstelle verfügen. Denn mit der Excel-Schnittstelle Retrieve von Hyperion Enterprise lassen sich die Daten in Excel portieren, so daß die Mitarbeiter in der Lage waren, wie gewohnt ihre Berichte zu erstellen sowie bestehende Berichte in Enterprise zurückzuschreiben.

Enterprise wird in den Tochtergesellschaften von Escada in Deutschland, in den USA und Frankreich eingesetzt. Innerhalb der de- zentralen Organisationsstruktur ermöglicht diese Lösung die einfache Zusammenführung und Analyse der Konzerndaten.

Derzeit wird damit das komplette Finanzberichtswesen beim Münchner Modekonzern abgewickelt.

Darunter fallen unter anderem auch die Erstellung von Gewinn- und Verlustrechnungen, Bilanzen und Statistiken aus dem Finanzbereich sowie alle Formen des Forecasts und der finanzgebundenen Berichte für Banken, Aufsichtsräte, Vorstand und die mittlere Führungsebene. Dazu kommen die Quartalsberichte und Business-Pläne, um nur einige Schlagworte zu nennen.

Enterprise konsolidiert darüber hinaus die Produktlinienergebnisse. Dabei werden die weltweiten Ergebnisse der verschiedenen Sparten - Fashion, Accessoires und Beauté - zusammengeführt. Diese setzen sich aus den Einzelergebnissen der 50 Key- und 120 Einzel-Shops, des Wholesale-Geschäfts der 64 Tochtergesellschaften sowie aus 15 verschiedenen Marken zusammen. Mit der Controlling-Lösung realisiert das Unternehmen erstaunliche Zeitersparnisse bei der Berichterstellung; gleichzeitig ermöglicht dieses Vorgehen eine qualitative Aufwertung der Arbeit der Controller.

Noch sind weitere Einsatzgebiete offen

Bei der Einführung und im laufenden Betrieb gab es bisher keine nennenswerten Probleme. Nach etwa drei Wochen war die Grundimplementierung abgeschlossen, nach zwei Monaten begann der Modehersteller eigene, auf den Konzern zugeschnittene Applikationen zu entwickeln. Derzeit betreut ein im Controlling angesiedelter DV-Administrator diese Softwarelösung. Er kümmert sich um die technische Weiterentwicklung der Applikation und klärt Anwenderfragen im Tagesgeschäft. Die Schulung der Anwender hielt sich infolge der gewohnten Excel-Schnittstelle in Grenzen.

Das Haus

Die Escada AG besteht aus 24 Vertriebs-, acht Produktionsgesellschaften, 21 Einzelhandelstöchtern und 13 sonstigen Tochterunternehmen in über zehn Ländern weltweit. Der Gesamtumsatz im Geschäftsjahr 95/96 belief sich auf 1,23 Milliarden Mark, von denen 402 Millionen Mark, etwa 33 Prozent, auf Deutschland entfielen.

Angeklickt

Escada avancierte vor einigen Jahren unerwartet schnell zu einer der Topmarken des internationalen Modemarkts. Nach dem Tod der erfolgreichen Gründerin Margaretha Ley übernahm ein Designerteam die Weiterentwicklung der Escada-Linie und schlug die Strategie der horizontalen Diversifikation ein. Heute bestückt Chefdesigner Brian Rennie den Konzern nicht nur mit Bekleidung, sondern auch mit Lifestyle- und Sportswear-Kollektionen, Parfüm und Accessoires. Die Diversifikation erforderte ein neues Controlling-System.

Ralf Kleber ist Leiter des Controllings bei der Escada AG in München.