Flexible Strukturen als Ausweg

Eine Kündigung ist nicht immer die einzige Lösungsmöglichkeit

03.07.1992

BERLIN (hp) - Machten sich die Personalverantwortlichen früher Gedanken um die Mitarbeiterbeschaffung, zerbrechen sie sich heute den Kopf, wie sich der Personalstand am einfachsten reduzieren läßt. Über mögliche Losungswege wie Outplacement, Kündigung, Solidarkonzepte Werkverträge für Führungskräfte und flexiblere Arbeitszeiten diskutierten die Teilnehmer auf der Management-Circle-Konferenz "Freisetzung Personal" in Berlin.

Ist im Unternehmen die Entscheidung gefallen, daß das Personal reduziert werden muß, steht es vor einem großen Dilemma. Heinz Gallenmüller, Personaldirektor der Jenapharm GmbH in Jena, die über 50 Prozent der Mitarbeiter entlassen hat, erläuterte diesen Konflikt: "Das ist nicht nur ein quantitatives, sondern auch ein qualitatives Problem, Nach sozialen Gesichtspunkten müßten eigentlich die Mitarbeiter entlassen werden, die auf dem Arbeitsmarkt gute Chancen haben, aber genau das sind ja unsere Leistungsträger."

Daß vor allem in den ostdeutschen Betrieben Personalreduzierung die einzige Chance darstellt, wieder einigermaßen rentabel zu arbeiten, ist unbestritten. Ob allerdings Entlassungen für jedes Unternehmen die beste Lösung, sind, bleibt umstritten. So stößt dieser Weg der Krisenbewältigung in der DV-Branche, wo Entlassungen zur Tagesordnung gehören, allmählich auf Widerstand speziell der Gewerkschaften. Ihr Argument: Sie wollen nicht die Suppe auslöffeln, die ihnen das Management durch Fehlentscheidungen eingebrockt habe.

Inzwischen zweifeln einige an der Rolle der Kündigung als Allheilmittel und suchen nach anderen Lösungen. So stellte Rainer Marr, Professor am Lehrstuhl für Personal- und Organisationsforschung der Bundeswehr-Universität in München, einige Alternativen vor.

Mit flexiblen Modellen Personalkosten einsparen

Zu ihnen gehören Einkommensflexibilisierung, Arbeitsumverteilung, Langzeiturlaube, Qualifizierungsfreizeiten, Outplacement oder Solidarkonzepte, bei denen die Mitarbeiter freiwillig weniger arbeiten und so auf Lohn verzichten, um damit Entlassungen zu vermeiden. Dieses Modell, so die Erfahrung von Hanns Peter Kleine, Leiter der betrieblichen Altersversorgung bei Siemens, scheitert oft am Widerstand der Betroffenen: "Je besser die Mitarbeiter verdienen, desto weniger sind sie bereit, Solidarkonzepte zu unterstützen."

Im Führungsbereich taucht das Schlagwort Outplacement auf Inzwischen gibt es auch in Deutschland Personalberatungen, die sich ausschließlich auf Outplacement konzentrieren. Sie werden von den Unternehmen engagiert und beraten die betroffenen Führungskräfte bei der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz. Unter Umständen kann diese Lösung sich auch finanziell rentieren, da die Ablösesummen die Unternehmen teurer zu stehen kommen als die Beraterkosten, die bei rund 15 bis 20 Prozent des Jahreseinkommens der betroffenen Führungskraft liegen.

Wann aber kommt Outplacement in Frage? Herbert Mühlenhoff, geschäftsführender Gesellschafter der Mühlenhoff und Partner GmbH, nannte drei Situationen:

- Das Unternehmen ist an der Konfliktsituation mitschuldig, da es beispielsweise die Unzufriedenheit nicht rechtzeitig artikulierte.

- Führungskräfte, die sich im Unternehmen verdient gemacht haben, überschreiten das 50. Lebensjahr und, sind. den neuen Anforderungen nicht mehr gewachsen.

- Mitarbeiter erweisen sich als labil.

Im Idealfall stellt die Outplacement-Beratung einen systematischen Prozeß dar, bei dem Schritt für Schritt verschiedene Stufen von der Ursachenforschung Über die individuelle Neuorientierung und Bewerbungsphase bis hin zum Abschluß eines neuen Vertrages durchlaufen werden. Allerdings eignet sich Outplacement nicht für alle Situationen.

Bei Mitarbeitern ab 58 Jahren, so Mühlenhoff, ist beispielsweise zu überlegen, ob eine Vorruhestandsregelung nicht die angemessenere Lösung ist. Auch bei Alkoholabhängigkeit oder psychischen Leiden komme eine Beratung nicht in Frage, da Outplacement keine Therapie ersetzen könne.

Gedanken über die Kündigung und Ablösesummen machen sich die meisten Unter nehmen in der Regel erst dann, wenn die Konfliktsituation eingetreten ist. Siemens-Mann Kleine schlug in diesem Zusammenhang vor, Werkverträge mit optionaler Verlängerung für Führungskräfte zu konzipieren, also Funktionen auf Zeit zu vergeben. Denkbar wäre auch eine Verbindung von Grund- und Projektvertrag, um die Führungskräfte abzusichern. Dieser Vorschlag stieß bei der Veranstaltung auf Widerstand. Werner Then vom, ISA Institut der Fachhochschule Nürtingen hielt dagegen: "Bei Werkverträgen geht die Kontinuität im Unternehmen verloren. Außerdem entsteht damit das Bundestags-Phänomen, alle denken nur noch kurzfristig an die Wiederwahl und entwerfen keine langfristigen Perspektiven."