Eine halbe Milliarde Dollar fuer den Aktientausch Mit der Uebernahme von Frame erhaelt Adobe die Unix-Weihen

30.06.1995

MUENCHEN (IDG) - Durch eine neue Firmenuebernahme will die Adobe Systems Inc. den Markt fuer Desktop Publishing und Dokumenten- Management aufrollen. Mitte vergangenen Jahres hatte der Software- Anbieter aus Mountain View, Kalifornien, den Mitbewerber Aldus uebernommen. Jetzt streckt er die Hand nach Frame Technology aus.

Die im kalifornischen San Jose ansaessige Frame Technologie Corp. ist dort stark, wo Adobe noch nichts zu bieten hat: bei umfangreichen und textintensiven Dokument-Management- Applikationen, die in abteilungs- oder gar unternehmensweiten Unix-Netzen laufen. Bislang hatte sich Adobe vor allem auf den Windows- und den Macintosh-Markt konzentriert.

In Form der Dokumentenbeschreibungs-Sprache Postscript konnte Adobe bereits einen De-facto-Standard in der Desktop-Publishing- Welt setzen.

Mit einem Produkt wie dem Dokumenten-Management-System "Framemaker" im Ruecken koennten die Kalifornier, so prophezeihen Branchenbeobachter, auch ihr "Portable Document Format" (PDF) auf den Sockel heben. Das in die Adobe-Software "Acrobat" integrierte PDF dient unter anderem dazu, Dokumente innerhalb des World Wide Web (WWW) zu verschicken.

Neben dem Unix-Know-how und der Akzeptanz bei grossen Anwenderunternehmen besteht die Mitgift von Frame Technology unter anderem in einem Hypertext-basierten Werkzeug fuer die Umwandlung von Markup-Sprachen. "Ich habe keine Ahnung, wer dieser Kombination noch etwas entgegensetzen koennte", aeusserte der Berater Dan Emery von Emery and Associates, Huntington Beach, Kalifornien.

Zusammenschluss per Aktienaustausch

Der Zusammenschluss der beiden Unternehmen soll per Aktientausch vonstatten gehen. Fuer jeden Anteilsschein von Frame Technology hat Adobe 0,52 eigene Papiere angeboten, wodurch sich die Kosten der Uebernahme vorerst auf eine halbe Milliarde Dollar summieren duerften. Nach Adobe-Angaben entstuende aus dem Zusammenschluss ein Software-Unternehmen mit einem Gesamtumsatz von rund 725 Millionen Dollar.

Das laufende Geschaeftsjahr von Adobe kann sich sehen lassen: Fuer das am 2. Juni abgeschlossene zweite Quartal meldet Adobe einen Umsatz von 167,9 Millionen Dollar. Das bedeutet eine Steigerung von zwoelf Prozent gegenueber dem entsprechenden Zeitraum des vergangenen Jahres, der Einnahmen in Hoehe von 149,8 Millionen Dollar einbrachte. Der Gewinn betrug mit 33,9 Millionen Dollar nahezu das Doppelte von dem, was im zweiten Quartal 1994 unter dem Strich uebriggeblieben war (17,3 Millionen Dollar).

Frame Technology schreibt wieder schwarze Zahlen

Frame Technology hatte noch im Geschaeftsjahr 1993 in ernsthaften Schwierigkeiten gesteckt. Damals musste das gerade an der Boerse notierte Unternehmen einen Verlust von 34 Millionen Dollar hinnehmen. Aufgrund von Restrukturierungsmassnahmen und einem neuen Management unter George Klaus konnte das vergangene Jahr jedoch mit schwarzen Zahlen abgeschlossen werden.

Voraussichtlich bis zum kommenden September wird es dauern, bis die Aktionaere beider Unternehmen ihr Votum abgegeben haben. Falls keine unerwarteten Hindernisse auftauchen, wird Frame im Herbst dieses Jahres in Adobe aufgehen.

Was Adobe jetzt noch fehlt, ist eine staerkere Praesenz im zukunftstraechtigen Multimedia-Markt. Auf die Frage, ob er hier ebenfalls eine Akquisition plane, haelt sich Chief Executive Officer John Warnock bislang bedeckt.