Der deutsche Microsoft-Geschäftsführer Richard Roy sieht die Politik seines Unternehmens bestätigt

"Eine außergerichtliche Einigung ist möglich"

06.07.2001
Mit Richard Roy, dem scheidenden Geschäftsführer von Microsoft Deutschland, sprachen die CW-Redakteure Heinrich Vaske und Wolfgang Miedl über die Folgen des Richterspruchs für sein Unternehmen und die künftige Produktpolitik.

CW: Das Berufungsgericht hat das erstinstanzliche Urteil aufgehoben, das die Zerschlagung von Microsoft vorgesehen hatte. Gleichzeitig wurden jedoch wesentliche Vorwürfe, insbesondere der des Monopolmissbrauchs, bekräftigt.

Roy: Insgesamt war das Ergebnis des Berufungsprozesses für uns eindeutig positiv. Das Urteil ist ein Schritt in die richtige Richtung. Komplett aufgehoben wurde das Strafmaß. Die Gefahr einer Zweiteilung ist damit ausgeräumt. Ebenso wurde der Vorwurf, wir hätten versucht, den Browser-Markt zu monopolisieren, nicht aufrechterhalten. Der Fall ist insgesamt viel stärker eingeschränkt worden. Wir fühlen uns bestätigt, dass wir Produkte innovativ weiterentwickeln und damit auch Technologien integrieren können.

CW: Innovativ weiterentwickeln - das ist bei Ihnen im Haus offenbar die Sprachregelung zum Thema Bündeln von Produkten mit dem Betriebssystem. Microsoft hat aber doch keineswegs einen Freibrief bekommen, Produkte beliebig zu koppeln. Das nachgelagerte Bezirksgericht ist beauftragt worden, die Bündelung von Betriebssystem und Browser noch einmal zu prüfen.

Roy: Das Gericht hat auch die Regeln anders definiert, wann etwas rechtmäßig ist und wann nicht. Aus Sicht des Berufungsgerichtes ist eine Bündelung nicht rechtens, wenn der Endverbraucher geschädigt wird. Insofern sind wir nach erstem Durchlesen des Urteils und einer ersten Interpretation der festen Überzeugung, dass wir die Strategie, die wir verfolgt haben, weiter vorantreiben können. Auch das, was wir heute mit Windows XP mit seinen neuen technologischen Möglichkeiten anbieten, verstößt unserer Meinung nach nicht gegen das von der zweiten Instanz formulierte Urteil.

CW: Das Berufungsgericht hat doch das Bezirksgericht angewiesen, zu klären, ob die Kopplung von Betriebssystem und Browser rechtens war. Warum sind Sie sich Ihrer Sache so sicher?

Roy: Das Urteil hat einen Kernbereich eindeutig geklärt: Der Vorwurf lautete, Microsoft habe versucht, durch die Integration des Browsers in das Betriebssystem den Browser-Markt zu monopolisieren. Das zweitinstanzliche Verfahren hat jetzt entschieden, dass wir dies nicht getan haben.

CW: Die Richter haben gesagt: Die Beweise reichen nicht aus, um dies als gegeben zu bezeichnen.

Roy: Ob es ein Freispruch erster Klasse oder aus Mangel an Beweisen ist, ist doch egal. Das Gericht hat klar entschieden, dass dieser Anklagepunkt fallen gelassen wird.

CW: Das klingt so, als hätten Sie das Thema Bündelung von Produkten schon abgehakt. Gerade in Bezug auf kommende Produkte, insbesondere Windows XP, dürfte das Bundling aber wieder aktuell werden.

Roy: Die Frage ist: Wo setzen Sie die Trennlinie zu dem, was im Sinne des Konsumenten an Technologie integriert werden darf? Da hat das Berufungsgericht eine ganz andere Auffassung als die erste Instanz. Wenn es dem Wettbewerb gut tut und dem Endverbraucher Nutzen bringt, dann ist es rechtens.

CW: Eine wesentliche Aussage im Berufungsprozess lautete: Microsoft hat sein Monopol im PC-Betriebssystem-Markt missbraucht, um seine Vormachtstellung in diesem Markt zu festigen.

Roy: Die Vorwürfe des Missbrauchs beziehen sich auf Geschäftsbedingungen im Umfeld von Verträgen, die wir zum Beispiel mit OEMs geschlossen haben. Das Gericht hat aber nur Verträge zur Verfügung, die schon älter sind als ein Jahr. Wir haben unsere Verträge inzwischen zum Großteil geändert. Insofern sind wir der Überzeugung, dass es nicht schwierig sein wird, diese Probleme möglichst schnell zu beheben.

CW: Microsoft hat den Wahlkampf von George W. Bush gesponsert und viel Geld in Lobby-Arbeit investiert. Hat sich das jetzt ausgezahlt?

Roy: Es gibt eine ganze Menge Spekulationen in der Öffentlichkeit darüber, dass die neue US-Administration das Thema anders sieht als die Regierung Clinton. Doch das Berufungsgericht setzt sich aus Richtern zusammen, die alle zur Amtszeit von Clinton einberufen wurden oder sogar noch früher. Es gab hier keine Veränderung im Gericht, und das Verfahren war auch schon relativ weit fortgeschritten, als Bush die Macht übernahm.

CW: Wie sehen Sie die Chancen einer schnellen, eventuell außergerichtlichen Einigung?

Roy: Die Chance ist gestiegen, weil der Gegenstand der Verhandlung deutlich geschrumpft ist. Die Zerschlagung ist vom Tisch, die Themen, über die jetzt noch zu reden ist, sind fokussierter. Deshalb liegt jetzt eine außergerichtliche Einigung im Bereich des Möglichen.

CW: Wie könnte sie aussehen?

Roy: Die Bundesstaatsanwälte, die Staatsanwälte der 19 Klägerstaaten und wir als Unternehmen werden das Urteil jetzt sehr sorgfältig studieren und dann die jeweiligen Positionen definieren. Dem Urteil zufolge gibt es keinen kontinuierlichen Missbrauch eines Monopols, sondern nur einzelne Fälle, wo Geschäftsbedingungen bei uns nicht in Ordnung sind - das sind Dinge, die man relativ leicht ausräumen kann.

CW: Gerade erst vor zwei Wochen sind die Verhandlungen über die Integration des AOL-Clients in Windows XP gescheitert. AOL Time Warner behauptet, Microsoft habe einen exklusiven Einsatz des Windows Media Player anstelle des Real Player gefordert. Das ist genau die Politik, die zum Kartellprozess gegen Microsoft geführt hat.

Roy: Sie müssten umgekehrt AOL fragen, warum es seinen AOL Instant Messaging Service so proprietär aufgebaut hat, dass er mit anderen Diensten nicht kommunizieren kann. Ich werde hier keine Aussage darüber treffen, welche Themen für das Scheitern verantwortlich waren. Die Verhandlungen haben lange gedauert, beide Unternehmen hatten eine eigene Interpretation davon, wie eine Win-win-Situation geschaffen werden kann.

CW: Auch Windows XP werden Sie mit einer Reihe von Produkten bündeln, die dem alten Vorwurf Nahrung geben, Microsoft wolle über die Vormachtstellung bei Betriebssystemen neue Märkte erobern.

Roy: Ich bin überzeugt davon, dass wir im Oktober Windows XP auf den Markt bringen werden mit den neuen Technologien, die man heute in der Betaversion schon sehen kann. Nur Smart Tags werden nicht drin sein. Wohl aber der Windows Media Player. Der Kunde kann aber jederzeit andere Produkte nutzen, wenn er der Meinung ist, dass sie ihm größere Vorteile bringen. In dieser Politik sind wir durch das Urteil in zweiter Instanz klar und deutlich bestätigt worden.

CW: Führt Marktorientierung in Ihrem Sinne nicht zu einer immer größeren Abhängigkeit des Kunden von Microsoft? Man denke etwa an die Hailstorm-Web-Services mit Zwang zur Passport-Anmeldung oder die Smart Tags, von denen Kritiker sagen, Microsoft wolle die Kunden auf eigene Inhalte lenken.

Roy: Wenn Sie sich die ganzheitliche Strategie von Microsoft im Rahmen von .NET anschauen, dann haben wir auf der einen Seite unsere Server-Strategie, die wir als Infrastruktur positionieren, auf der anderen Seite unterstützen wir multiple Endgeräte und unterschiedliche Formfaktoren. Wir haben dafür auch die Entwicklungswerkzeuge, und wir haben so genannte Megaservices. Das ist das, was Sie ansprechen. Es wird Megaservices im Internet geben, die von Microsoft oder Partnern kommen. Sie sollen Kunden bestimmte Dinge des täglichen Lebens im Internet vereinfachen. Passport ist ein Element der Automatisierung, Speicherung ist ein anderes. Wir werden viele solche Elemente anbieten - von Partnern und von Microsoft. Das ist notwendig, damit E-Commerce Realität wird.