Geldwäscheprävention mit KI

"Ein Wettrennen mit dem organisierten Verbrechen"

04.09.2020
Von 
Heinrich Vaske ist Editorial Director a.D. von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO.

"Verhindern, dass schlechte menschliche Entscheidungen einfließen"

Gibt es Probleme mit der Datenqualität oder das Risiko einer falschen oder einseitigen Datenauswahl - Stichwort Bias?

Schweiger: Transaktionsdaten sind Transaktionsdaten und stark standardisiert. Stammdaten sind von guter oder schlechter Qualität, hier entsteht eher eine Herausforderung. Mein Problem ist aber eher das Dataset insgesamt: Bei Milliarden von Transaktionen, von denen nur 0,1 Prozent den Verdacht auf Geldwäsche wecken und der Rest nicht, muss man sich sehr gut überlegen, wie ein optimales Modell-Tuning aufgesetzt werden kann.

Deshalb spielen wir bei der Bekämpfung von Fehlalarmen Entscheidungen stichprobenartig zurück in die Fallbearbeitung, um nachzumessen, ob die Maschinenentscheidung der menschlichen Entscheidung entspricht. Man kann bei uns einstellen, welches Stichproben-Level man haben möchte, um diese Verprobung durchzuführen.

Wir werden auch damit beginnen, die menschliche Entscheidung so zu vermessen. Erfolgt sie zu schnell, wird der Fall einem anderen Bearbeiter zur neuerlichen Begutachtung vorgelegt. Ein AB-Test sozusagen, um sicherzugehen, dass die Entscheidungsqualität passt. So verhindern wir, dass schlechte menschliche Entscheidungen in die Automatisierung einfließen.

Wie funktioniert Ihr Geschäftsmodell?

Schweiger: Wir sind ein SaaS-Unternehmen, leben also von montlichen Subscriptions - abhängig vom Transaktionsvolumen - sowie von Dienstleistungen rund um Inbetriebnahme und Parametrisierung. Hinzu kommt oft ein analytisches Vorprojekt, in dem die vergangene Fallbearbeitung ins System übernommen wird. Außerdem wollen wir versuchen, einen Bonus für Effizienzgewinne zu bekommen, wenn etwa eine große Bank in der Geldwäscheprävention große Fortschritte macht. Der vierte Stream wäre ein Partnermodell, wo wir einen Umsatzanteil bekommen, wenn zum Beispiel Beratungshäuser mit unserer Software bei Bankkunden erfolgreich sind. Wir planen auch mit Technologie-Playern zusammenzuarbeiten - zum Beispiel beim Verfolgen von Kryptowährungs-Transaktionen.

Welche Rolle spielen heute Kryptowährungen in der Geldwäsche?

Schweiger: Die Schwelle zwischen Krypto- und Fiat-Währungen möchten viele Geldhäuser genauer beobachten, auch wenn sich die Vorkommnisse hier noch in engen Grenzen halten. In der Blockchain zu verfolgen, wie Gelder transferiert werden, ist nicht unser Thema. Da gibt es Spezialisten, die haben die forensische Verfolgung von Geldern in der Blockchain zum Ziel. Wenn eine Bank hier tiefer einsteigen will, würden wir solche Firmen als Partner einbeziehen. Ich sehe das Interesse aber momentan noch nicht. Aber die Kryptobörsen werden aufgrund der neuesten Anpassungen der Geldwäschegesetze nun auch in den Kreis der Verpflichteten aufgenommen.

Viel Geld wird durch den Handel mit Immobilien gewaschen. Wollen Sie dort auch aktiv werden?

Schweiger: Tatsächlich haben wir gerade mit einem großen Immobilienunternehmen gesprochen. Die unterliegen ja auch dem Geldwäschegesetz, denn um Geld zu waschen werden oft Häuser oder Wohnungen gekauft. Hier geht es weniger um die Überwachung von Buchhaltungskonten: Immobilienunternehmen möchten sicher sein, dass die Geschäftspartner, an die sie verkaufen, richtig identifiziert werden und die Quelle überwacht wird. Das ist ähnlich mit dem, was wir im Bankengeschäft machen. Es wird sich zeigen, ob wir in diese Richtung gehen. Die Tatsache, dass Deutschland keinen guten Ruf in Sachen Geldwäscheprävention hat, hängt ja weniger mit dem Banken- als mit dem Immobiliengeschäft zusammen.

In jedem Fall bleibt unser Fokus ganz klar auf der Bekämpfung von Geldwäsche und der Betrugsprävention, eine weitergehende Nutzung der uns zur Verfügung gestellten Daten schließen wir aus.