Unzugängliche Anlage am Bildschirm sichtbar gemacht

Ein Virtual-Reality-System inspiziert die Gas-Pipeline

16.08.1996

Troll A liegt 80 Kilometer von der norwegischen Stadt Bergen entfernt mitten in der Nordsee. Die Plattform dient dazu, das Gasfeld auszubeuten, das sich 1600 Meter unterhalb des Meeresbodens erstreckt und in den nächsten 70 Jahren zehn Prozent des europäischen Erdgasbedarfs dekken soll.

Wenn es gefördert wird, ist das Gas noch mit Wasser und anderen Fremdsubstanzen vermischt. Die Anlage, die alle störenden Stoffe herausfiltern soll, steht auf norwegischem Festlandboden. Zwischen ihr und der Förderplattform erstreckt sich über 65 Kilometer die rauhe Nordsee. Trotzdem lassen sich 95 Prozent dieser Entfernung relativ leicht überbrücken. Etwa 62 Kilometer lang strömt das Gas-Wasser-Gemisch durch eine Pipeline, die Norske Shell auf dem Meeresboden verlegt hat.

Schwierigkeiten bereiteten allerdings die letzten drei bis vier Kilometer. Da die Küstenlinie extrem felsig ist, ließ sich die Leitung nicht einfach an Land fortsetzen, sondern mußte durch das Gestein geführt werden. Deshalb bohrte Norske Shell einen 3,7 Kilometer langen Tunnel, der sich sofort mit Wasser füllte. Für den Gastransport stellte diese feuchte Umgebung kein Problem dar - wohl aber für die Sicherheitsinspektionen des Tunnels.

Im allgemeinen werden schwer zugängliche Anlagen mit Kameras und ferngesteuerten Fahrrobotern (Remote Operated Vehicles) überwacht. Unter Wasser angebrachte Videokameras liefern aber keine Bilder in der Qualität, die erforderlich wäre, um etwaige Schäden mit einer für Sicherheitsprüfungen notwendigen Exaktheit erkennen zu können. Bei jedem Schadensverdacht hätte das Kontrollteam mehrere Stunden lang die Video-Übermittlungen mit bereits vorhandenen Aufnahmen vergleichen müssen.

In Zusammenarbeit mit dem Hardwarehersteller Silicon Graphics und dem schottischen Software-Unternehmen Morrison McLean hat Norske Shell deshalb ein visuelles Simulationssystem entwickelt. Sensoren erfassen die für die Inspektion relevanten Parameter, die dann in ein rechnerbasiertes 3D-Modell des Tunnels übertragen werden. Die Aktualisierung dieses Modells erfolgt in Echtzeit. Das notwendige Equipment lieferte Silicon Graphics in Gestalt eines Computers aus der "Onyx"-Familie. Wie der Hersteller verspricht, lassen sich mit dem für Norske Shell entwickelten System eventuelle Schäden an der Anlage mit einer maximalen Abweichung von einem halben Meter lokalisieren.

Mittlerweile hat Norske Shell auf diese Weise die erste Inspek-tion hinter sich gebracht. Eigenen Angaben zufolge benötigte das Unternehmen dafür nur ein Zehntel der Zeit, die es für eine traditionelle Videoinspektion hätte aufwenden müssen.