Unternehmen spielen Theater
Über die Art der Führung sprechen Sie sehr intensiv und nehmen gegenüber Zielvereinbarungen, Incentives, Gehaltserhöhungen oder Beförderungen als Bindungsmaßnahme eine kritische Haltung ein. Sie betonen, dass die Bindung durch die Qualität zwischenmenschlicher Beziehung insbesondere Chef-Mitarbeiter entsteht. Das aber ist gar nicht so einfach zu fassen: Welche konkreten Mittel haben Führungskräfte, Mitarbeiter dauerhaft an das Unternehmen zu binden?
Gar keine. Und sie sollten auch nicht versuchen, Mitarbeiter zu binden. Alles, was man festhält, flieht. Was wäre denn gewonnen, wenn der Mitarbeiter eigentlich gehen will, aber wegen goldener Fesseln dennoch bleibt? Würdeloser kann Zusammenarbeit doch kaum sein! Nein, es geht um Selbst-Bindung. Nur wenn der Mitarbeiter sich selbst bindet, weil er zum Beispiel spannende Aufgaben hat oder seine Kollegen sehr schätzt, dann ist sein Bleiben wertvoll und produktiv für das Unternehmen.
Sind Manager derzeit ausreichend für diese Bindungsaufgaben sensibilisiert und geschult?
Im Grunde wissen sie, was sie tun oder lassen sollten. Aber vom Wissen zum Handeln ist der Weg oft weit. Und es wird den Managern ja auch nicht leicht gemacht. Meistens wird ein guter Sachbearbeiter zur Führungskraft gemacht und die Führungsaufgaben kommen einfach hinzu, ohne dass die neue Führungskraft operativ entlastet wird. Zwar wird immer die Bedeutung der Führungsarbeit betont, den Führungskräften aber kaum die Zeit zugestanden, sich ernsthaft mit ihren Mitarbeitern zu beschäftigen.
- Effektive Problemlösung
Um die richtigen Mitarbeiter im Team zusammenzubringen, muss sich eine Führungskraft zunächst ihrer eigenen Ziele bewusst sein. - Durchhaltevermögen
... und ein Blick für das Ganze bewahrt Manager davor, sich in kurzfristigen Zielen zu verlieren und dabei die großen Meilensteine außer Acht zu lassen. - Herausforderungen annehmen
Eine gute Führungskraft begeistert und motiviert ihr Umfeld und bewahrt bei Gegenwind einen kühlen Kopf. Überwindet das Team kleinere Hindernisse, sollte das der Vorgesetzte würdigen. So bauen die Mitarbeiter Selbstvertrauen auf und werden sich an größere Herausforderungen wagen. - Eine großzügige, gemeinschaftliche Haltung
Die beiden klassischen Denkmuster der Geschäftswelt sind "win-lose" oder "win-win". Nach Stein gibt es jedoch einen weiteren Weg, bei dem zusätzlich Dritte profitieren, beispielsweise Kunden oder die Gesellschaft. Die Basis dafür ist eine großzügige und am Wohl anderer orientierte Haltung der Führungskräfte. - Die Bereitschaft, sich seinem Chef zu widersetzen
Leader sollten gemäß ihrer Überzeugungen handeln. Welches Verhalten gegenüber Vorgesetzten im Konfliktfall jedoch angemessen ist, dazu gibt die Management-Literatur kaum Aufschluss. Stein empfiehlt hier eine gewisse Furchtlosigkeit. In der Finanzkrise schwammen zu viele Finanz-Manager lieber mit dem Strom, anstatt vor Fehlentwicklungen ihrer Unternehmen zu warnen. - Der Mut zu wissen, wann Schluss ist
Während Bergsteiger sich auf beide Richtungen ihrer Route vorbereiten, wird in der Welt des Geldes und der Politik häufig vergessen, dass auf jeden Aufstieg ein Abstieg folgt. Führungskräfte müssen lernen, im richtigen Moment auszusteigen.
Viele Führungskräfte müssen oft auch noch "Vorarbeiter" sein, sie kämpfen um wichtige Kunden, arbeiten an Projekten, erstellen Präsentationen und versuchen, die Flut der E-Mails zu bewältigen. Dieser Spagat zwischen Teamführung und Sachkompetenz ist nicht schmerzfrei zu leisten. Manches kann man sicher optimieren, einiges besser priorisieren. Kommt aber von der Kundenseite Druck, drängt sich das Dringliche vor das Wichtige. Die Mitarbeiterführung hat dann meistens das Nachsehen.
Was wird sich im Verhältnis der Führungskräfte zu ihren Mitarbeitern in Zukunft ändern müssen?
Wenn sich im Verhältnis der Führungskräfte zu ihren Mitarbeitern etwas ändert, dann werden das die Märkte erzwingen. Damit meine ich Absatzmärkte und Personalmärkte. Und da diese nicht vorhersehbar sind, mag ich keine Prognose abgeben. Solange die Unternehmen gute Leute finden, die die Kontroll- und Umerziehungsexzesse mitmachen, werden die Dinge so bleiben, wie sie sind.
Mal ganz persönlich an Sie gerichtet: Was ist der größte berufliche Irrtum, dem Sie je aufgesessen sind?
Ich habe lange geglaubt, Unternehmen seien Veranstaltungen betriebswirtschaftlicher Rationalität. Das sind sie nicht. Es sind vielmehr Theateraufführungen, in denen viele Spielelemente nur deshalb berechtigt erscheinen, weil sie der Organisation als Organisation geschuldet sind. Also ihrer Eigenlogik. Das Spiel mitzuspielen, ohne zynisch zu werden, das ist die Kunst.
Quelle: Wirtschaftswoche