Interview mit Reinhard K. Sprenger

Ein Unternehmen, das eine Suchanzeige aufgeben muss, hat schon verloren

01.03.2014
Von Christian Thunig

Unternehmen spielen Theater

Über die Art der Führung sprechen Sie sehr intensiv und nehmen gegenüber Zielvereinbarungen, Incentives, Gehaltserhöhungen oder Beförderungen als Bindungsmaßnahme eine kritische Haltung ein. Sie betonen, dass die Bindung durch die Qualität zwischenmenschlicher Beziehung insbesondere Chef-Mitarbeiter entsteht. Das aber ist gar nicht so einfach zu fassen: Welche konkreten Mittel haben Führungskräfte, Mitarbeiter dauerhaft an das Unternehmen zu binden?

Gar keine. Und sie sollten auch nicht versuchen, Mitarbeiter zu binden. Alles, was man festhält, flieht. Was wäre denn gewonnen, wenn der Mitarbeiter eigentlich gehen will, aber wegen goldener Fesseln dennoch bleibt? Würdeloser kann Zusammenarbeit doch kaum sein! Nein, es geht um Selbst-Bindung. Nur wenn der Mitarbeiter sich selbst bindet, weil er zum Beispiel spannende Aufgaben hat oder seine Kollegen sehr schätzt, dann ist sein Bleiben wertvoll und produktiv für das Unternehmen.

Sind Manager derzeit ausreichend für diese Bindungsaufgaben sensibilisiert und geschult?

Im Grunde wissen sie, was sie tun oder lassen sollten. Aber vom Wissen zum Handeln ist der Weg oft weit. Und es wird den Managern ja auch nicht leicht gemacht. Meistens wird ein guter Sachbearbeiter zur Führungskraft gemacht und die Führungsaufgaben kommen einfach hinzu, ohne dass die neue Führungskraft operativ entlastet wird. Zwar wird immer die Bedeutung der Führungsarbeit betont, den Führungskräften aber kaum die Zeit zugestanden, sich ernsthaft mit ihren Mitarbeitern zu beschäftigen.

Viele Führungskräfte müssen oft auch noch "Vorarbeiter" sein, sie kämpfen um wichtige Kunden, arbeiten an Projekten, erstellen Präsentationen und versuchen, die Flut der E-Mails zu bewältigen. Dieser Spagat zwischen Teamführung und Sachkompetenz ist nicht schmerzfrei zu leisten. Manches kann man sicher optimieren, einiges besser priorisieren. Kommt aber von der Kundenseite Druck, drängt sich das Dringliche vor das Wichtige. Die Mitarbeiterführung hat dann meistens das Nachsehen.

Was wird sich im Verhältnis der Führungskräfte zu ihren Mitarbeitern in Zukunft ändern müssen?

Wenn sich im Verhältnis der Führungskräfte zu ihren Mitarbeitern etwas ändert, dann werden das die Märkte erzwingen. Damit meine ich Absatzmärkte und Personalmärkte. Und da diese nicht vorhersehbar sind, mag ich keine Prognose abgeben. Solange die Unternehmen gute Leute finden, die die Kontroll- und Umerziehungsexzesse mitmachen, werden die Dinge so bleiben, wie sie sind.

Mal ganz persönlich an Sie gerichtet: Was ist der größte berufliche Irrtum, dem Sie je aufgesessen sind?

Ich habe lange geglaubt, Unternehmen seien Veranstaltungen betriebswirtschaftlicher Rationalität. Das sind sie nicht. Es sind vielmehr Theateraufführungen, in denen viele Spielelemente nur deshalb berechtigt erscheinen, weil sie der Organisation als Organisation geschuldet sind. Also ihrer Eigenlogik. Das Spiel mitzuspielen, ohne zynisch zu werden, das ist die Kunst.

Quelle: Wirtschaftswoche