Ein unabhängiges Sekretariat für das Projektmanagement

06.08.1976

Zweifellos gibt es Zielkonflikte bei der Planung und Realisierung von DV-Projekten. Vereinfacht dargestellt: Die Unternehmensleitung wünscht möglichst geringe Kosten, die Fachabteilungen wünschen schnelle Problemlösungen, das Rechnungswesen wünscht Transparenz und Datensicherheit, die EDV-Abteilung wünscht eine Berücksichtigung der Gesamtkonzeption integrierter Datenverarbeitung. Die Hersteller möchten möglichst viel verkaufen,

Alle Beteiligten am Entscheidungsfindungsprozeß haben ihre spezifischen Interessen. Wenn sie in den typischen EDV-Lenkungsausschüssen und -Koordinationsgremien zusammen sitzen, besteht zumeist die Gefahr, daß es zu Machtkämpfen kommt, weil für die Entscheidungsfindung nicht der Gesamtnutzen für das Gesamtsystem der Maßstab ist. In der Regel sind solche Sitzungen zudem schlecht vorbereitet, weil formalisierte Projektmanagement-Verfahren fehlen. Diese ständigen Konferenzen brauchen nämlich ein ständiges Sekretariat, je nach Unternehmensgröße: Einzelkämpfer oder eine ganze Abteilung.

Manpower für Checklisten

Projektmanagement umfaßt viel mehr als nur Termin- und Kostenkontrolle. Wichtiger noch ist die Sicherstellung der Wirtschaftlichkeit und der Qualität von Problemlösungen. Dazu ist erforderlich:

1. Ermittlung des Ist-Zustandes der bestehenden EDV-Verfahren.

2. Erarbeitung von Mittel- und Langfristplänen für Hardware, Software, Personal und die Budget-Entwicklung in Abstimmung zwischen Unternehmensleitung, Fachabteilung und EDV-Abteilung.

3. Kostenerfassung und Kostenverrechnung.

Hinzu kommt sicherzustellen, daß die Anwender an der Entwicklung von neuen Systemen in Mitverantwortung beteiligt werden, damit ihr Detailwissen garantiert, daß die Anforderungen der Fachabteilung gewährleistet werden. Dazu bedarf es Formblätter für die Definition der Anforderungen an das neue System und für Bestätigungen der Schätzungen über den Systemnutzen. Ständige Kontrolle kommt hinzu: Haben die Fachabteilungen rechtzeitig Testfälle erarbeitet? Wie weit ist das Training der Mitarbeiter in den Anwenderbereichen?

Das alles muß koordiniert und bearbeitet werden. Ist die dafür entsprechende Manpower wirklich vorhanden?

Die einzelnen Projektgruppen werden ihre Termine überwachen. Sollte das nicht besser an unabhängiger Stelle geschehen? Checklisten sind zu führen, "Fahrpläne" sind zu beachten. Ausnahmesituationen sind zu berichten.

Entmachtung der EDV-Abteilung?

Des weiteren sollte zu jedem abgeschlossenen Projekt eine Nachkalkulation erfolgen, damit sichergestellt wird, daß Standards eingehalten wurden und die Wirtschaftlichkeit der Anwendung auch erwiesen ist. Alljährlich sind ferner Budgets aufzustellen, neue Projektanträge müssen entscheidungsreif aufbereitet werden.

Wie sollen Lenkungsausschüsse und Koordinationsgremien Obersicht über Arbeitsvorhaben, Maschineneinsatz und Personal gewinnen, wenn Details dieser Aufgabenstellung nicht an ein ständiges Sekreteriat delegiert werden können, das von den einzelnen Interessen der Konferenz-Mitglieder unabhängig ist.

Die EDV-Chefs könnten eine solche Organisationsform als "Entmachtung" empfinden. Sie müßten jedoch eigentlich daran interessiert sein, von diesen leidigen betriebswirtschaftlichen und betriebsorganisatorischen Problemen entbunden zu sein, damit sie sich ganz auf ihre eigentlichen Aufgaben konzentrieren können.