Der Markt für Business-Software (ERP, CRM, SCM)

Ein Tanker und viele Barkassen

24.09.2004
Von von FRANK
Kein anderer Softwareanbieter reicht auch nur annähernd an die Lizenzumsätze der SAP im ERP-, CRM- und SCM-Segment heran. In anderen Ländern stark vertretene Hersteller verzeichnen hierzulande vergleichsweise niedrige Umsätze.

Viele Marktauguren sagten noch vor zwei bis drei Jahren dem Geschäft mit Software für das Enterprise-Resource-Management (ERP) kein sonderlich großes Wachstum voraus. Sie prognostizierten, dass sich die Investitionen auf die Business-Software-Segmente Customer-Relationship-Management (CRM) und Supply-Chain-Management (SCM) verlagern würden. Doch die Analysten wurden eines Besseren belehrt. So kletterte der Umsatz mit ERP-Software in Deutschland nach den Zahlen von Gartner von 384 Millionen Dollar im Jahr 2002 auf knapp 465 Millionen Dollar für 2003, während beispielsweise die gesamten Einnahmen im SCM-Geschäft im gleichen Zeitraum von 123,5 Millionen Dollar auf 116,4 Millionen Dollar absackten. Allerdings standen die ERP-Zahlen auch unter dem Einfluss des schwachen Dollarkurses. Da viele SAP-Kunden ihre Softwarekäufe in Euro

bezahlen, ergibt sich bei einer Umrechnung der Lizenzeinnahmen in die US-amerikanische Währung ein hoher Betrag. Demzufolge wuchs auch der Marktanteil (gemessen am Lizenzumsatz in Dollar) der Walldorfer währungsbedingt stärker, und zwar von 52,3 Prozent auf 61,7 Prozent. Doch dies ändert nichts an der Dominanz des Branchenprimus: Der Zweitplatzierte, Microsofts ERP-Sparte "Business Solutions", die Softwaregeschäfte mit ihren Partnern in Dollar abrechnet, brachte es im Jahr 2003 auf 6,3 Prozent. Im Firmenumfeld laufen die Geschäft im Augenblick eher schlecht als recht. "Deutschland ist für ERP-Anbieter der Markt mit den schwächsten Aussichten", so Fabrizio Biscotti, Gartner-Analyst für den europäischen Softwaremarkt. Wenn überhaupt, dann investierten Unternehmen in Lösungen auf Abteilungsebene.

Eher schlecht als Recht

Wie schwer es die Anbieter auf dem deutschen Markt haben, belegen die zahlreichen Übernahmen. So schluckte die amerikanische Firma Agilisys vergangenes Jahr mit der Infor Business Solutions AG und Varial gleich zwei etablierte deutsche Softwareschmieden, nachdem sie 2002 bereits die insolvente Brain AG aufgekauft hatte. Wie sich diese Akquisitionen auf den hiesigen ERP-Markt auswirken werden, steht allerdings noch nicht fest. Ebenso wenig lässt sich prognostizieren, ob es Peoplesoft nach dem Deal mit J.D. Edwards gelingt, seine Marktpräsenz in Deutschland auszubauen. Gartner attestiert dem kalifornischen Softwarehaus einen Marktanteil von 1,1 Prozent. Möglicherweise wechselt aber auch Peoplesoft selbst noch den Besitzer, denn kurz nach dem J.D.-Edwards-Kauf verkündete Oracle, sich den Rivalen über eine feindliche Übernahme einzuverleiben, und versucht dies noch immer. Das Ansinnen beschäftigt derzeit die amerikanische und europäische Justiz. Oracle ist nach dem Zusammenschluss von Peoplesoft und J.D. Edwards im Handel mit geschäftskritischer Software ins Hintertreffen geraten. In Deutschland hat dies kaum Auswirkungen, denn während das ERP-Business anderswo in Europa gut läuft, konnte der Anbieter hierzulande bisher kaum Fuß fassen. Ihre Spitzenposition im ERP-Geschäft nutzte SAP, um auch den Markt für Supply-Chain-Management-Software für sich zu gewinnen. Viele Firmen mit bestehender ERP-Umgebung Marke SAP neigen dazu, auch die SCM- und CRM-Lösungen in Walldorf zu bestellen. Dies hat nach Ansicht von Gartner-Mann Biscotti nicht unbedingt mit technischer Überlegenheit, sondern mit unternehmenspolitischen Entscheidungen zu tun. "Für manche Firmen ist SAP wie eine Religion, und

sie warten lieber darauf, bis der Anbieter eine brauchbare Lösung auf den Markt bringt, als sich bei Spezialisten zu bedienen."

Spezialisten liegen vorn

Andere ERP-Hersteller waren nicht so erfolgreich beim Cross-Selling: Unter den zehn stärksten SCM-Anbietern in Deutschland finden sich außer SAP nur die ERP-Vollsortimenter SSA Global und Agilisys; beiden fielen durch Zukäufe (Baan und Exe Technologies beziehungsweise Infor) auch deutsche SCM-Kunden zu. Ansonsten liegen die Spezialisten vorn. Auf die erstplatzierte SAP mit über 52 Prozent Marktanteil folgt Daimler-Chrysler Systems (3,8 Prozent), die Lösungen für die Autobranche entwickelt. Ariba wird zwar als SCM-Anbieter aufgeführt, deckt hier jedoch nur die Teildisziplin der Beschaffung ab. Das Unternehmen hatte unlängst die Übernahme des auf Beschaffungsdienstleistungen spezialisierten Herstellers Freemarkets abgeschlossen. Gartner erwartet zwar, dass Ariba damit seine Marktposition stärken kann, jedoch verloren

beide Firmen Anteile im SCM-Lizenzgeschäft. Leicht zulegen konnte Manugistics, wohingegen der direkte Konkurrent i2 etwas absackte. Nachgelassen haben ferner der kanadische Anbieter Descartes sowie die schwerpunktmäßig auf die chemische Industrie ausgerichtete Aspen Technology.

Zweikampf SAP contra Siebel

Im deutschen CRM-Markt nimmt SAP eine dominante Stellung ein (48 Prozent der Lizenzumsätze entfallen auf die Walldorfer) und hat bis auf Großbritannien auch in Europa die Marktführerschaft inne.Siebel kommt in Deutschland auf etwa zwölf Prozent. Allerdings liegt der amerikanische Konkurrent bei der Anzahl der in 2003 in Betrieb genommenen Installationen vor SAP. Nach den Beobachtungen von Gartner ist das hiesige CRM-Geschäft geprägt vom Zweikampf zwischen Siebel und SAP. Andere Anbieter spielen ihre Stärken vor allem in bestimmten Branchen aus. Amdocs ("Clarify") verkauft sich gut in der Telekommunikationsbranche, Peoplesoft bei Finanzinstituten. Letzterer Hersteller vermarktet seit der J.D.-Edwards-Übernahme CRM-Produkte auch für den Mittelstand und trifft hier auf den CRM-Spezialisten CAS, der mit 4,5 Prozent im

Anbieter-Ranking den dritten Platz belegt.

* Der Autor Frank Niemann ist Redakteur bei der Computerwoche.