Ein Stueckchen Zeitgeschichte

03.06.1994

Dieter Eckbauer

Im Herbst diesen Jahres wird die CW 20 Jahre alt: 1974 bis 1994 - ein Stueckchen DV-Zeitgeschichte. Die redaktionelle Planung der Jubilaeumsausgabe, die am 11. November 1994 erscheint, laeuft auf vollen Touren. Vielleicht gibt es ja den einen oder anderen CW- Leser der ersten Stunde, der rueckblickend Input liefern moechte fuer Geschichten, die das DV-Leben schrieb - ueber Erfolge, die nachwirkten, Misserfolge, deren Ueberwindung stark machte, oder einfach Begebenheiten am Rande, Histoerchen, die man nicht vergisst. Wir sind fuer jede Anregung dankbar. Am liebsten ist uns ein druckreifer Text.

Mit Resuemees und Prognosen muessen wir indes nicht auf einen bestimmten Stichtag warten, auch wenn dieser - wie der 20. Geburtstag der CW - von einem gewissen Symbolwert sein mag.

Ueber zwei Jahrzehnte hinweg laesst sich an der CW-Berichterstattung nachvollziehen, wie sich die DV-Welt veraendert hat und mit ihr immer mehr die Arbeitswelt in den Unternehmen: vom Mainframe ueber den Mini zum Mikro (PC); von der zentralen zur dezentralen DV, die saemtliche Geschaeftsprozesse direkt am Arbeitsplatz unterstuetzt.

So wird auch verstaendlich, weshalb und woran DV-Anbieter scheiterten. Beispiel Digital Equipment: Unlaengst konnten wir aus dem Munde des DEC-Chefs Robert Palmer hoeren, sein Unternehmen stehe am Scheideweg - weitere Fehler koenne sich Digital nicht mehr leisten. Fuer den CW-Chronisten war diese Entwicklung absehbar. Das Urteil ueber DEC besteht aus fuenf Worten: zu frueh und zu spaet. Es ergibt sich aus den Geschichtsfakten.

Zu frueh: Mit den Minis, Digitals Domaene, war die IBM-Mainframe- Festung nicht zu knacken. Dazu die CW am 29. September 1978: "Bereits 1971 wurde der Versuch unternommen, die kommerziellen DEC-Datasysteme ueber Rechenzentren und Systemhaeuser zu vermarkten. Viel Positives gab's bisher ueber den Ausgang des Experiments nicht zu hoeren." Sechs Jahre spaeter dann das Fazit (CW vom 12. Oktober 1984): "Eine Renaissance der Minis wird es nicht geben. Die Zeiten des PDP-Rausches sind ein fuer allemal vorbei. Also wird man sich mit bescheideneren Zuwachsraten zufriedengeben muessen."

Zu spaet: Wie bekannt, scheiterte die PC-Expedition des Mini- Marktfuehrers mit dem legendaeren "Rainbow" an der Ueberschlauheit des DEC-Gruenders Ken Olsen, der sich fuer PCs nie so recht erwaermen konnte. Folgenreicher war Olsens Fehleinschaetzung der Open- Systems-Bewegung. Orakelte die CW am 10. Juli 1987: "Es soll ja schon vorgekommen sein, dass Esel verhungert sind, weil sie sich - vor der Wahl, Hafer oder Gerste zu kaeuen - nicht entscheiden konnten. DEC aehnelt dem Grautier: Was tun? Man kann auf die SNA/SAA-Generallinie der IBM-370-Politik einschwenken. Man kann sich der OSI/Unix-Gruppe anschliessen. Man kann aber auch bockig sein und auf dem eigenen VMS/Ultrix-Standpunkt beharren. Das alles kann man tun. Ob DEC davon auch satt wird?" Die Antwort kennen wir. Digital war unfaehig, auf die Trends des Marktes zu reagieren. Bleibt die Frage: Was taugen die DEC-Produkte von morgen?