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Antitrust-Prozeß

Ein schier unendliches Trauerspiel

23.02.1999
Von Michael Hufelschulte
Antitrust-Prozeß

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Microsoft beweist mit der Auswahl seiner Zeugen im Kartellprozeß, den das US-Justizministerium und 19 Bundesstaaten gegen den Softwareriesen angestrengt haben, wirklich kein glückliches Händchen: Als jüngster in der Reihe blamabler Zeugen der Verteidigung (CW Infonet berichtete) versagte gestern der General Manager für Neue Technologien, Dan Rosen. Chefankläger David Boies hatte sein Kreuzverhör des Top-Managers mittendrin mit - wie man es aus zahllosen Gerichtsfilmen kennt - "Keine weiteren Fragen, Euer Ehren" abgebrochen, nachdem er zur Ansicht gelangt war, Rosen habe sich genügend unglaubwürdig gemacht.

Im Mittelpunkt der Diskussion standen verschiedene Memos und E-Mails, die Rosen als Verhandlungsführer eines Treffens mit Netscape im Juni 1995 an Microsoft-Chef Bill Gates und andere Kollegen verschickt hatte. Die Anklage geht davon aus, daß Microsoft bei dem Meeting einerseits Netscape unter Druck gesetzt und andererseits Vorschläge für eine illegale Aufteilung des Internet-Markts zwischen den beiden Rivalen unterbreitet hat.

Rosen hatte seinerzeit an Gates geschrieben, ein zentrales Ziel der Verhandlungen sei es, "Microsoft in den Besitz der Internet-Plattform für Windows 95 zu bringen". Der Microsoft-Mann behauptete im Gerichtssaal aber steif und fest, damit sei keineswegs gemeint gewesen, man habe Netscape schaden wollen. Im Microsoft-Jargon bedeute "Besitz" nämlich nur die Zusage, Dinge zu verbessern. Der vorsitzende Richter Thomas Jackson hakte daraufhin nach: "Besitz heißt also etwas liefern, was man zuvor versprochen hat?", was Rosen bejahte. An dieser Stelle verdrehte Jackson demonstrativ die Augen und starrte zur Saaldecke.

Im weiteren Verlauf der Verhandlungen erklärte Rosen zudem, er habe Netscape in den Jahren 1995, 1996 und 1997 zu keiner Zeit für einen Konkurrenten gehalten. "O nein, Sir, das habe ich nie geglaubt. Die Gespräche mit Jim Barksdale haben mir gezeigt, daß wir keine Wettbewerber waren." Seltsam nur, daß ausgerechnet Rosens Management-Kollegen Brad Chase und Paul Maritz das genaue Gegenteil ausgesagt hatten. Es kam aber noch besser: Angesprochen auf den schon legendären "Browser-Krieg" zwischen Microsoft und Netscape behauptete der Microsoft-Zeuge: "Ich habe bei Microsoft nie jemanden von einem Browser-Kampf reden hören."

Staatsanwalt Boies erklärte nach der Verhandlung vor Pressevertretern, er habe sein Verhör unterbrochen, weil die Glaubwürdigkeit des Zeugen hinreichend demontiert gewesen sei: "Er hat seiner eigenen Aussage widersprochen, er hat den Aussagen anderer Zeugen widersprochen, seinen eigenen Dokumenten und den Dokumenten anderer Zeugen - das reicht ja wohl".