Kommunikationsanalyse bei der Stadtsparkasse Köln:

Ein positiver Ruck ging durchs Haus

08.11.1985

KÖLN - "Zuviel Papier und zuwenig Information", so lautete verstärkt das Ergebnis Interner Mitarbeiterbefragungen bei der Stadtsparkasse Köln. Ziel dieser Umfragen war, ein "Stimmungsbild" von den einzelnen Arbeitsplätzen im Hause zu erhalten. Um jedoch die Probleme und Wünsche der Mitarbeiter genau definieren und entsprechend reagieren zu können, reichte das bis dato verwendete Umfrageverfahren nicht mehr aus. Eine DV-unterstützte Kommunikationsund Informationsanalyse - an der alle Beteiligten intensiv mitarbeiteten - brachte Klarheit und lieferte gleichzeitig die Richtlinien für den künftigen Technologie-Einsatz.

Kundengruppenorientierung, die heutige gängige Organisationsform in Kreditinstituten und Dienstleistungsunternehmen, erfordert immer mehr Engagement der Mitarbeiter und vor allem einen optimalen Informationsfluß in den verschiedenen Abteilungen und Geschäftsstellen eines Hauses, so Hans-Jürgen Klumpp, Leiter der Abteilung "Information und Volkswirtschaft" bei der Stadtsparkasse Köln. Kundenorientiert zu arbeiten bedeutet in Köln, daß der Bankkunde für alle seine Aktivitäten immer mit einem Gesprächspartner zu tun hat. Bei der Stadtsparkasse geht das sogar so weit, daß die Kunden dem einzelnen Kundenberater namentlich zugeordnet sind. Da bei der Stadtsparkasse Köln rund 80 Prozent der Mitarbeiter für den Markt das heißt im direkten Kundenkontakt oder geschäftsunterstützend tätig sind, ist es für das Sparkassen-Management von größter Bedeutung zu wissen, wie die "Stimmung" an diesen verantwortungsbewußten Arbeitsplätzen ist. Dies vor allem, um gegebenenfalls schnell bestehende Defizite abbauen zu können und erforderliche Veränderungen vorzunehmen. Aus diesem Grund gab es im Hause regelmäßig Mitarbeiterbefragungen, die den Verantwortlichen ein "Meinungsbild" vermittelten.

Zuviel Papier - zuwenig Information

Klumpp, bei der Stadtsparkasse Köln zuständig für das interne Informationswesen, erkannte durch diese Umfragen, daß gerade in letzter Zeit verstärkt Kritik laut wurde: Zuviel Papier auf der einen Stelle und zuwenig Information auf der anderen. Zudem stellte Klumpp fest, daß "Information" ein nicht greifbarer Tatbestand ist, denn jeder Mitarbeiter hat eine eigene Interpretation dafür. Um aber tiefer in die Probleme und Wünsche der Mitarbeiter einzudringen, war das herkömmliche Umfrageverfahren nicht mehr geeignet.

Die Verantwortlichen der Stadtsparkasse Köln setzten sich deshalb mit der "Infora", einem Kölner Beratungsunternehmen für Bürokommunikation, in Verbindung, um die Informations- und Kommunikationssituation im Hause zu analysieren und zu verbessern. Die Kölner Beratertruppe konnte helfen; und zwar mit dem von ihr entwickelten System

"Veriks", einer Methode zur Analyse und Verbesserung der innerbetrieblichen Kommunikation und zur Erstellung von Kommunikationskonzepten.

Dieses System erwies sich insbesondere deshalb als geeignet, weil es nicht nur die Erstellung detaillierter Kommunikationsprofile erlaubt, sondern auch DV-gestützte Auswertungen zur Identifikation von Schwachstellen im existierenden Kommunikationssystem bietet.

Im Frühjahr 1984 begannen alle Beteiligten, sich mit der Veriks-Vorgehensweise auseinanderzusetzen.

Dabei war von Anfang an klar, daß nicht alle Mitarbeiter befragt werden konnten; einmal aus Zeitgründen, und zum anderen, um die über 3500 Mitarbeiter nicht ständig mit Umfragen zu belasten. Es könnte ein schlechtes Licht auf das Unternehmen werfen, wenn man es nötig hat, alle zwei Jahre wieder solche Befragungen zu starten. Das Interesse läßt dann nach, an solchen Aktionen gründlich mitzuarbeiten.

In Köln entschloß man sich deshalb, eine repräsentative "Probandengruppe" zusammenzustellen, die alle hierarchischen Ebenen, alle Funktionen und alle lokalen Betriebsstätten in vollem Umfang berücksichtigten. Ausgewählt wurden insgesamt zirca 150 Personen aus allen Bereichen und Hierarchien - vom Manager bis zum Kassierer. Gleichzeitig wurde eine in Form eines Quality Circles strukturierte Arbeitsgruppe gebildet, die den Projekten begleitend zur Seite stand und die einzelnen Vorgehensweisen diskutierte und verifizierte. Daneben gab es noch das eigentliche Projektteam, bestehend aus Mitarbeitern der Infora und der Stadtsparkasse, wobei die Koordination zwischen der Stadtsparkasse und der Infora durch die Abteilung Information und Volkswirtschaft erfolgte.

Die Vorgehensweise beinhaltete mehrere Stufen. Zunächst wurde in einer Selbstaufschreibung der eigentliche Ist-Zustand erhoben. Diese Daten wurden vom Projektteam einer vielfältigen Kontrolle unterworfen und dann einer zweiten Probandengruppe - zumeist Abteilungsleiter - zur Verifikation und zur Erstellung der Bewertungen zugeführt. In einer dritten Stufe wurden dann persönliche Befragungen mit den Probanden der ersten Gruppe durchgeführt. Ziel dieser ersten Stufen war es, die Ist-Situation im Hause zu ermitteln und die Schwachstellen zu identifizieren.

Die Befragungspersonen sollten deshalb Auskunft darüber geben welche Informationen sie erhielten wie zum Beispiel Rundschreiben EDV-Listen, Aktennotizen sowie Mitteilungen schriftlicher, mündlicher oder fernmündlicher Art. Anzugeben war auch, von wem diese Informationen kamen und wie die befragten Personen sie für ihre Aufgabenerfüllung bewerteten. "Vor allem bei Führungskräften kommt es öfters vor, daß gewisse Informationen einlaufen, die für bestimmte Mitarbeiter von wesentlich größerem Interesse sind als für sie selber", berichtet Klumpp. Deshalb sollten die Befragten nicht nur angeben, was sie selbst mit diesen Informationen anfangen sondern auch einschätzen, was der Empfänger damit tun würde. Die Ergebnisse dieser Selbstaufschreibung wurden dann von der Infora DV-gestützt ausgewertet und anschließend vom Projektteam verifiziert beziehungsweise ergänzt. Dabei zeigte sich eine ziemlich homogene Informationssituation im Geschäftsstelenbereich, wohingegen im Unterstützungsbereich der Hauptverwaltung der Informationsbedarf und dessen Befriedigung sich je nach Funktion heterogen darstellte.

Auf der Basis der in der Selbstaufschreibung erhobenen Informationen und der darauf basierenden Auswertungen mit dem Veriks-Programm wurden von einer zweiten Probandengruppe sogenannte Soll-Profile pro Funktion beziehungsweise pro Arbeitsplatz erstellt. Für den Unterstützungsbereich oblag diese Aufgabe dem jeweiligen Abteilungsleiter, für den Geschäftsstellenbereich den einzelnen Funktionsträgern (Geschäftstellenleiter, Kundenberater und so weiter). Wesentlicher an diesen Soll-Profilen war die quasi neutrale Wertung jeder einzelnen Information in bezug auf ihre Bedeutung für die Aufgaben Probanden. Außerdem bestand für die Probanden hier die Wünsche und Vorstellungen bezüglich der Informtionsversorgung zu jeder einzelnen Information abzugeben, die dann in der weiteren Auswertung zusätzlich Berücksichtigung fanden.

Diese Soll-Profile wurden dann von der Infora mit dem Veriks-Programm ausgewertet und den Ergebnissen der Selbstaufschreibung gegenübergestellt. Ergebnisse dieser Auswertung waren dann sogenannte Schwachstellen-, Informationsbedarfs- und Kommunikationsprofile.

Den Schluß der Aktion bildeten die vom Beraterteam durchgeführten Einzelinterviews. Die Auswertung erfolgte ebenfalls EDV-gestützt, und zwar anonym.

Vier Monate nach Beginn der Untersuchung lagen die Gesamtergebnisse vor und konnten dem Vorstand präsentiert werden. Natürlich waren Erkenntnisse dabei, die bereits bekannt waren oder die erwartet wurden. Überrascht war man bei der Stadtsparkasse jedoch von der Deutlichkeit der Analyse: "Wir konnten so sehr konkret feststellen, was die

Mitarbeiter wirklich wollen und was sie zu ändern erachteten." Im Vordergrund stand vor allem der Wunsch nach weniger Papier, präzisen Informationen, besserer Verfügbarkeit und nach mehr Technik am Arbeitsplatz. Klumpp über die Eindrucke der Projektgruppe: "Wir waren erstaunt, wie genau die Mitarbeiter beurteilt haben, wo sie welche Technik einsetzen möchten." Ebenso beeindruckt war man bei der Stadtsparkasse über den Erwartungshorizont im Hause. Die Infora hatte als Abschluß die Frage gestellt: "Welche Erwartungen haben Sie an diese Umfrage?" Zwei Drittel der Probanden erwarteten erhebliche Änderungen, und zwar positiver Art. Das war auf der einen Seite sehr erfreulich, brachte auf der anderen Seite das Stadtsparkassenmanagement in Zugzwang, bekannte der Informationsverantwortliche. Deshalb wurde unmittelbar an die Analyse ein Arbeitskreis ins Leben gerufen, der sich ausschließlich mit der Erstellung eines Konzepts für die Informationstechnik - und zwar im Rahmen einer Langfristplanung für die nächsten fünf bis zehn Jahre - befassen mußte. Gleichzeitig wurden "Ad-hoc"-Maßnahmen eingeleitet, vor allen Dingen organisatorischer und arbeitsplatzbezogener Art, die der unmittelbaren Beseitigung der Schwachstellen dienten, wie sie die Analyse aufgezeigt hatte. Gerade auf die Realisierung der "Ad-hoc"-Maßnahmen legte man größten Wert, um die oben dargestellten hohen Erwartungen der Mitarbeiter vorab zu befriedigen. "Es geht nicht, die Mitarbeiter zu solchen Aussagen zu motivieren, um sie dann auf eine Langfristplanung zu verweisen", stellt Klumpp fest.

Der Arbeitskreis, der sich mit der Langfristplanung für das Informationssystem der Stadtsparkasse Köln befaßte, hat dann in Zusammenarbeit mit der Infora aus den Auswertungen für jede Abteilung beziehungsweise für jede Punktion spezielle Informationsversorgungs- beziehungsweise -anwendungsprofile erarbeitet, die als Grundlage für die neuen DV- und Kommunikationsrichtlinien dienen. Die EDV-Experten der Stadtsparkasse generierten . zusammen mit der Infora entsprechende Anwendungen und prüften gleichzeitig, ob sich die Anforderungen aus bereits bestehenden DV-Anwendungen ableiten lassen oder ob Neuentwicklungen notwendig sind. "Ergebnis ist, daß eine Vielzahl neuer Anwendungen geschaffen werden müssen."

Überrascht von der Intensiven Mitarbeit

Nachdem der Informations- und Kommunikationsbedarf im Hause nun festgestellt wurde, sei es relativ einfach geworden, die dazugehörige Technologie zu konzipieren und einen Realisationsplan für die nächsten Jahre zu erstellen. Dabei sind die unterschiedlichsten Techniken für die Konzeption vorgesehen, wie etwa multifunktionale Arbeitsplatzsysteme, integrierte Arbeitsplatzlösungen, digitale Nebenstellenanlagen und so weiter. Diskutiert wird in Köln auch über sogenannte "Informationspools", über die man Zugriff zu Informationen hat, die über den eigenen Informationsbedarf, das heißt den arbeitsplatzbezogenen Informationsbedarf hinausgehen. Al lerdings muß man dann auch organisatorisch sicherstellen, daß Aktualität und Verfügbarkeit immer auf einem hohen Level sind.

Überrascht hat alle Beteiligten die bewußte und intensive Mitarbeit der Probanden. "Man hatte das Gefühl, nach dieser Untersuchung ging ein positiver Ruck durchs Haus," Die Stadtsparkasse führt das nicht zuletzt darauf zurück, daß alle das Gefühl hatten, daß hier niemandem ein Rationalisierungsinstrument von oben verordnet wird, sondern daß hier ein arbeitsplatzorientiertes, flexibles Systemdesign entsteht, an dem die zukünftigen Benutzer von Anfang an mitarbeiten konnten.

Das Auswertungssystem "Veriks"

Die Datenerhebung zu allen erhaltenen beziehungsweise produzierten und gewünschten Informationen erfolgt durch Selbstaufschreibung durch die Probanden auf unterschiedlichen Erfassungsbogen.

Bevor die Daten für eine computergestützte Auswertung erfaßt werden können, ist es Aufgabe des Projektteams, die erhobenen Daten zu kontrollieren und insbesondere auf Redundanzen zu prüfen. Bei ordnungsgemäßem Ablauf der Selbstaufschreibung muß jede Information von allen Empfängern, die diese Information erhalten, als Input aufgeführt werden. Dabei ist allerdings nicht sichergestellt. daß alle Empfänger für identische Informationen die gleiche Bezeichnung verwenden. Um zu einer genauen Abbildung der realen lnformationsbeziehung zu gelangen, ist es daher notwendig, durch eine einheitliche Nomenklatur (erarbeitet durch das Projektteam, ergänzt um funktionsspezifische Expertise) die erhobenen Daten zu bereinigen.

Zusätzlich müssen die von den Probanden aufgeführten Informationen bewertet beziehungsweise klasstfiziert werden. Merkmal hierzu ist der Bezug und die Notwendigkeit einer Information für eine klar definierte Aufgabenstellung.

Die so ermittelten Daten werden rechnergestützt (PC) ausgewertet und liefern die erforderlichen Auswertungen. Zielsetzung des Systems ist die Identifikation des funktionsspezifischen Kommunikationsbedarfs, bezogen auf Inhalte, Medien, Kanäle, Verfügbarkeit sowie Aktualität und Fehlerfreiheit der Information,

- Reduktion der Kosten für die Informationsbeschaffung und - weitergabe innerhalb eines Unternehmens,

- Verbesserung der kommunikativen Zusammenarbeit zwischen den Funktionen, Abteilungen und externen Betriebsstätten,

- Beseitigung von organisatorischen Schwachstellen des Kommunikationssystems,

- Analyse der informellen Komunikationskanäle, sofern diese der Aufgabenstellung dienen,

- Abbau von Medienbrüchen innerhalb der Kommunikationsbeziehung,

- Einbeziehung des Produktionsfaktors Information in die betriebswirtschaftliche Planung

und Gestaltung.