IT in der Automobilindustrie/Auf einer "grünen Wiese" bei Mainz

Ein neues Rechenzentrum für Forschung und Entwicklung von Isuzu

24.09.1999
Der japanische Hersteller von Pkw-Dieselmotoren und Nutzfahrzeugen Isuzu investiert kräftig in seine IT-Infrastruktur. Bei Mainz ist "auf der grünen Wiese" ein Forschungs- und Entwicklungszentrum entstanden. Andreas Beuthner* hat sich das Zentrum angesehen.

Ein hartes Stück Arbeit liegt hinter Projektleiter Andreas Petry. Innerhalb weniger Monate mußte er gemeinsam mit Matthias Hofmann sowie Berthold Enders im Spätherbst vergangenen Jahres ein modernes Rechenzentrum für die neue Deutschlandniederlassung des japanischen Motoren- und Automobilherstellers Isuzu Motors Limited in Ginsheim-Gustavsburg bei Mainz aus dem Boden stampfen. Das Lösungskonzept wurde ursprünglich von der zentralen Planungsgruppe im Stammhaus in Tokyo entworfen und enthielt die wesentlichen Vorgaben für die Investitionen in das notwendige IT-Equipment, die Anmietung der internationalen Leitungen sowie die Router-Konfiguration.

Die IT-Abteilung von Isuzu ist mit drei IT-Experten nicht gerade üppig bestückt. Zumal sich die Zuständigkeit nicht nur auf den Standort Ginsheim-Gustavsburg mit derzeit 80 Mitarbeitern beschränkt, sondern ebenso auf Isuzu Motors Europe Ltd. in Watford bei London mit 30 Mitarbeitern. Auf die Tatsache, daß innerhalb kürzester Zeit eine umfangreiche, sehr komplexe moderne IT-Infrastruktur aus dem Nichts aufgebaut wurde, ist Petry heute noch stolz: "Wir dachten, das schaffen wir nie."

Die Aufgabe war reizvoll. Das Management wollte einen zentralen Netzwerkknoten für den Datenverbund aller europäischen Lokationen untereinander und mit dem Mutterhaus in Tokio realisieren. Weniger angenehm war der knappe Zeitrahmen. Server-Umgebung, PC-Clients und Kommunikationsnetzwerk sollten binnen sechs Monaten den Produktivbetrieb aufnehmen. Die Order aus Tokio lautete: Erstellen einer hochwertigen Hard- und Softwarearchitektur unter Einhaltung aller wichtigen Standards in bezug auf Sicherheit und Verfügbarkeit.

Für die IT-Planer war schnell klar, daß sie mit den Vorgaben aus Japan allein nicht zurechtkommen würden. Petry holte sich deshalb IT-Spezialisten der Haitec AG in München mit ins Boot, die ihm vor allem bei grundlegenden Fragen der IT-Infrastruktur und der Systemintegration zur Seite standen. Schon nach ersten gemeinsamen Arbeitssitzungen stellte sich heraus, daß die Investitionsplanungen einer detaillierten Bedarfsanalyse nicht standhielten. "Die ursprünglichen Vorgaben wurden in Kooperation mit den externen Systemingenieuren überarbeitet", berichtet Petry, "und weitere Beschaffungen veranlaßt."

Immerhin standen jetzt die Eckpfeiler des Projektes fest:

- Installation von IBM F50RS/6000-Servern und 80 PC-Clients,

- Entwicklung und Betrieb von SAP R/3-Anwendungen,

- Aufbau von Direktverbindungen zwischen den europäischen Standorten und nach Japan,

- Kommunikationsnetz mit Lotus Notes und Netfinity-Servern,

- Internet-Anbindung mit leistungstarker Firewall.

"Nach anfänglichen Verwirrungen konnten wir erst mit einem Partner die Vorgaben aus Japan zügig umsetzen", erinnert sich Petry. Das IT-Projekt hatte Ausmaße angenommen, die das ursprüngliche Konzept weit übertrafen, und Petry befürchtete Engpässe bei der Implementierung aufgrund einer beengten Personalsituation.

Die Korrekturen an der vorgegebenen Konzeption häuften sich. Auch im Stammhaus in Tokio legte das Management mehr Gewicht auf die informations- und kommunikationstechnischen Systemkomponenten.

Den Verantwortlichen in Japan ist nicht entgangen, daß eine reibungslose Informationsversorgung neben der klassischen Datenverarbeitung eine wichtige Rolle innerhalb des Konzernauftrittes spielt. Dies gilt vor allem für Europa. Der direkte Datenaustausch zwischen dem neuen Produktionswerk in Polen und allen anderen Niederlassungen sowie eine enge Verzahnung von Unternehmensbereichen wie Marketing, Vertrieb und Service gelten als strategische Maßnahmen für das Europa-Engagement des Motoren- und Pkw-Herstellers.

Customizing der Unix- und NT-Server

Zunächst einmal ging es jedoch um eine konsequente Systemintegration mit exaktem Customizing der Unix- und NT-Server. Auf Empfehlung der Berater entschied sich Isuzu für den Einsatz von Netfinity-Servern unter Windows NT sowie das Datensicherungs- und Archivierungs-Tool ADSM und neue CAD-Workstations. "Die Ansprüche waren hoch", verrät Achim Homann, Systemingenieur von Haitec, "mit CAD-Integration und Produktdaten-Management bis zum Internet-Anschluß der Außendienstmitarbeiter und Testfahrer." Etwa 20 Mitarbeiter sind meistens mit Testfahrzeugen unterwegs und zeichnen Daten auf, die abends vom Notebook aus über das Internet ins Rechenzentrum übermittelt werden.

Groupware-Funktionen besonders geschätzt

Als Kommunikationsplattform dient Lotus Notes, das über eine Web-basierende Komponente die Kommunikation nach außen herstellt. Der Datenaustausch beruht auf EDI (Electronic Data Interchange) sowie auf E-Mail mit eigenem E-Mail-Server. Bei Lotus Notes schätzen die Mitarbeiter besonders die Groupware-Funktionen. Auf der Entwicklungs- und Konstruktionsebene strebt der Autobauer die virtuelle Zusammenarbeit verschiedener Teams an. Das bedeutet rechenintensive CAD-Applikationen mit hohem Datendurchsatz via Standleitung oder Internet, aber auch Zeitvorteile bei Neuentwicklungen oder der Anpassung von Konstruktionsdaten an europäische Standards.

Der Knotenrechner mit den Kommunikationsmechanismen wurde auf Windows-NT-Basis realisiert. SAP R/3 implementierten die Projektteams auf AIX-Maschinen. Zwar stand kurzzeitig der Einsatz von MS Exchange zur Debatte, aber aus Tokio kam die klare Entscheidung für Notes. Der Zuschlag ergab sich aus der Integrierbarkeit der Kommunikationsplattform und aus Vergünstigungen. So war beim Kauf von Netfinity-Servern auch gleich eine Lotus-Domino-Serverlizenz enthalten.

Die Entscheidung für eine IBM-Firewall und ADSM (Adstar Distributed Storage Manager) fiel aus Gründen der Stabilität und Interoperabilität der Systeme. Beispielsweise dient das Datensicherungsprogramm ADSM auch zur Archivierung von Produk- tionsdaten und damit zum Aufbau eines digitalen Speichersilos, das den Informationsaustausch zwischen den Standorten unterstützt.

Kostengründe spielten auch bei der Gestaltung von Ausfallsicherheit und Verfügbarkeit eine Rolle. Entwicklungsingenieure und CAD-Abteilung stimmten einem Notfallplan zu, der einen zeitlichen Spielraum bei Systemausfall von vier Stunden vorsieht. Mit dieser Entscheidung war das Thema Hochverfügbarkeit und die damit verbundenen Investitionskosten vorerst vom Tisch. Statt dessen implementierten die Systementwickler ein zweites Backup-System, das abgeschaltet neben den produktiven Servern steht und im Ernstfall manuell verbunden wird.

Separierte Laufwerke für den Wiederstart

Die SAP-Daten werden von ADSM verwaltet und bei Rechnerausfall von den Plattenlaufwerken des Stand-by-Systems aufgenommen. Die NT-Daten mit den Kommunikationsfunktionalitäten, die auf Basis von Seagate/Veritas Backup Exec gesichert werden, kommen ebenfalls auf separierte Plattenlaufwerke für den Wiederstart bei einem Zusammenbruch der aktiven Server. Ein Speicherplatz von 18 Gigabyte für CAD-Daten steht derzeit zur Verfügung. Zu sichernde NT-Daten (Lotus Notes, File-Shares) liegen auf vier Netfinity-Servern und werden von einem eigenen DLT-Drive gesichert. Bis Ende des Jahres sollen 180 Gigabyte installiert sein.

Die billigste ist nicht die preiswerteste Lösung

Mit großem Interesse verfolgt Autobauer Isuzu deshalb den IBM-Kurs in Sachen Raid-Subsysteme auf Basis der Serial Storage Architektur (SSA). Die Aufstockung auf 180 Gigabyte Speicherkapazität macht nur dann Sinn, wenn alle Daten-Formate im Hause zentral verwaltet werden. Das bedeutet für die Speichersubsysteme, daß der Zugriff auf Daten aus Unix-Maschinen wie aus NT-Servern zeitgleich erfolgen kann. Ein gerade eingekauftes SSA-Raid-Subsystem soll den Brückenschlag beim Backup zwischen Windows NT, CAD-Systemen und SAP-Daten schaffen, was Projektleiter Petry vor allem mit Blick auf zukünftige Korrekturen an der IT-Infrastruktur sehr entgegenkommt.

Die Projektbeteiligten haben inzwischen erkannt, daß "die billigste Lösung bei weitem nicht der preiswerteste Weg ist", wie Systemberater Achim Homann freimütig einräumt. Um die IT-Ressourcen im vollen Umfang zu nutzen, gehören Ergänzungen und Erweiterungen der Architektur zum Alltag des Administrationsteams.

Im SAP-Umfeld sind inzwischen die anfänglichen Schwierigkeiten aus dem Weg geräumt. Die als Entwicklungsserver für SAP-Applikationen installierte RS6000-Maschine der Modellreihe F50 zeigte kurz nach Inbetriebnahme deutliche Performanceschwächen. Der Server ist Entwicklungsplattform für mehrere SAP-Module, darunter die Software für Finanzen, Materialwirtschaft, Sales & Distribution sowie Logistik, die sowohl am Standort in Deutschland wie auch in England und Polen eingesetzt werden. Eine Rekonfiguration der Hardware stellte schließlich die volle Leistungskapazität der Rechner zur Verfügung mit den erhofften Zugriffs- und Responszeiten, die auch für die Datenverteilung vom Server-Standort in Ginsheim-Gustavsburg zu den lokalen Rechnern in Polen, England und Japan notwendig sind.

Ein besonderes Augenmerk richteten die Planer auf die Internet-Anbindung. Schnell waren sich alle Beteiligten einig, daß der Internet-Zugang über einen einzelnen Übergangspunkt erfolgen muß. Das Gateway ist über eine Firewall geschützt. Doch die Installation von Firewall-Technik allein reicht als sicherer Schutzschild nicht aus. Isuzu nimmt bereits gemeinsam mit Haitec-Unterstützung die Fortschreibung des Sicherheitskonzeptes ins Auge und denkt an Verschlüsselungsmechanismen, die den gesamten Datentransfer via öffentliche Netze wie auch Standleitungen erfassen.

Angeklickt

Isuzu zeigt auch hierzulande mit der Installation eines neuen Forschungs- und Entwicklungszentrums "auf der grünen Wiese" Flagge. Die IT-Investitionen des japanischen Automobilkonzerns, der weltweit an 50 Standorten mit insgesamt mehr als 15000 Mitarbeiter agiert, kommen nicht von ungefähr. Die Internet-Anbindung der Mitarbeiter beschleunigt die Geschäftsabläufe und erhöht das Informationsniveau an den einzelnen Standorten auch über große geografische Distanzen. Die Kommunikation ist durch Lotus Notes schneller, kostengünstiger und vor allem im internationalen Austausch mit anderen Standorten sicherer geworden.

*Andreas Beuthner ist freier Fachjournalist in München.