Gestaltungsspielraum - Voraussetzung für Akzeptanz:

Ein Moderator für Bürokommunikation muß her

19.10.1984

In seinem Buch "Einmal Legionär" bietet Philipp Rosenthal als Zusammenfassung zehn Thesen zum Überlegen an. Die zehnte These lautet: "Daß Erfolg im Leben natürlich auch von Begabungen und Anstrengungen im Machen und Darstellen abhängt, aber zumindest zu einem Drittel von reiner Fortune, die nur hinterher rationalisiert wird. Erfolg ist etwas Sein, etwas Schein und sehr viel Schwein." Dieses Motto scheint Peter Maisberger auch auf die Bemühungen um eine funktionierende Bürokommunikation zu passen.

Unter Bürokommunikation verstehe ich hier alle Tätigkeiten aus Abbildung 1, die voll- oder teilautomatisiert abgewickelt werden.

Daraus ergeben sich die in Abbildung 2 dargestellten Einsatzmöglichkeiten der Bürokommunikation.

Bürokommunikation ist also die organisatorische Verbindung der Datenverarbeitung, Nachrichtentechnik und der menschlichen Kommunikation.

Folgende drei Problemkreise stehen bei der Einführung der Bürokommunikation im Vordergrund:

1. Der Benutzer mit seinen Ängsten Widerständen, Nichtwissen und mangelnder Information.

2. Die Arbeitsorganisation mit dem (..)fordernis, eingefahrene Abwicklungsgleise zu verlassen und neue Abläufe zu gestalten.

3. Die Technik, insbesondere in der Form der Geräteergonomie (weg vom Gerätezoo, hin zum multifunktionalen Arbeitsplatz).

Während durch Lösungen in der Datenverarbeitung und in der Textverarbeitung vor allem Assistenzkräfte und Sekretärinnen beziehungsweise Sachbearbeiter tangiert wurden, gelten als Zielgruppe für Bürokommunikation auch Fachkräfte und Führungskräfte (Abbildung 3).

Bei Datenverarbeitungs- und Textverarbeitungsanwendungen wurde zumeist versucht, die späteren Benutzer in Projektgruppen zu beteiligen Bei Bürokommunikationsprojekten wird allerdings noch zusätzlich der Bereich von persönlichen Wertsystemen berührt oder Statussymbole angekratzt Für den Organisator ergibt sich daraus ein viel stärkerer Begründungszwang bei der Umstellung auf neue Arbeitsformen.

Die Schwierigkeit bei der Einführung der Bürokommunikation liegt darin, daß nicht nur einzelne Benutzer, sondern ganze Benutzergruppen im Verhalten koordiniert werden müssen. Um die Akzeptanzprobleme, die sich zwangsläufig daraus ergeben, auf ein Minimum zu reduzieren, sollte dem Benutzer ein möglichst großer Gestaltungsspielraum zugestanden werden.

Am Beispiel der rasanten Verbreitung von PCs, insbesondere auch in Großbetrieben, hat sich gezeigt, daß dort das Problem der Benutzerakzeptanz nicht existiert. Der PC gilt als der persönliche Computer des Sachbearbeiters. Dieser faßt selbständig den Entschluß, ab einem bestimmten Zeitpunkt einen von ihm ausgewählten Computer einzusetzen. Wesentlich ist dabei, daß die Auswahlentscheidung, der Kaufvorschlag, vom Jeweiligen Mitarbeiter ausgeht. Die spätere Nutzung des PCs erfolgt häufig im "learning by doing". Daß bei dieser Vorgehensweise keine Akzeptanzprobleme auftreten, ist offensichtlich. Trotzdem ist man in vielen Großbetrieben dazu übergegangen durch die zentrale EDV-Abteilung Hilfestellung beim Einsatz des PCs zu gewähren.

Bei der Einführung umfassender Bürokommunikationssysteme muß dagegen eine völlig andere Einführungsstrategie gewählt werden. Ein mögliches Modell wird in Abbildung 4 dargestellt.

Der wesentliche Unterschied der beiden dargestellten Modelle liegt darin, daß im Modell 1 eine lediglich formale Mitwirkung der Betroffenen beim Umstellungsvorgang stattfindet. Beim Modell 2 haben die Beteiligten eine weitgehende aktive Mitgestaltungsmöglichkeit. Für beide Modelle gilt, daß ein Verantwortlicher für die Durchführung von Bürokommunikationsprojekten gefunden werden muß. Eine Schwierigkeit in deutschen Großunternehmen, in denen bisher die Verantwortlichkeit auf die Datenverarbeitung, Organisation, Textverarbeitung und allgemeine Dienste verteilt ist. Dieser "Moderator", "Change Agent" oder "Promotor" wird in der Praxis häufig als Kommunikations- oder Informationsmanager bezeichnet.

Für beide Modelle der Benutzermitwirkung haben folgende Punkte Gültigkeit:

1. Der eingesetzte Promotor muß in der Lage sein, ein flexibles Konzept der Bürokommunikation auszuarbeiten.

2. Dem Management einen günstigen Startzeitpunkt vorzuschlagen.

3. Eine Pilotanwendung erfolgreich in die Wege zu leiten.

4. Die Ergebnisse dieser Pilotanwendung auszuwerten.

5. Mit den später betroffenen Mitarbeitern zu diskutieren und das Konzept entsprechend anzupassen.

6. Die erste echte Anwendungsgruppe auszuwählen.

7. Zusammen mit diesen Anwendern aufgrund klarer Benutzeranforderungen die geeigneten Bürokommunikationssysteme auszuwählen.

8. Gemeinsam mit dem Lieferanten des Systems die Benutzer zu schulen Benutzerhandbücher zu erstellen und Arbeitsabläufe zu gestalten.

9. Bei erfolgreichem Einsatz können weitere Anwendungen einbezogen und das Bürokommunikationssystem auf neue Benutzerkreise ausgedehnt werden.

Die dargestellte Vorgehensweise erfordert sowohl vom Organisator als auch vom Benutzer neue Fähigkeiten und Fertigkeiten.