Effiziente Netzplanung

Ein Intranet muß kein Speisekarten-Web sein

07.11.1997

Das Stichwort Intranet als Zauberwort für eine moderne Datenverarbeitung wird mittlerweile von immer mehr Unternehmen sehr skeptisch gesehen. Viele Unternehmen stellen fest, daß die erste Version des eingeführten Kommunikationswunders Intranet verbesserungsbedürftig ist, daß die Netzwerklast drastisch steigt oder daß einfach die Informationen schneller veralten als ursprünglich angenommen.

Auch die Frage nach der effizienten Nutzung bleibt in diesen Fällen nicht aus. Wer liest die publizierten Informationen eigentlich? Wie kann man zielgruppengerechte Informationen bereitstellen, ohne daß der Anwender zum Goldgräber in der eigenen Informationsflut wird? Die vielfältigen Fragen zeigen, daß eine strukturierte und sachliche Vorgehensweise bei der Intranet-Planung unabdingbar ist, um unangenehme Überraschungen zu vermeiden und den erhofften Erfolg zu erzielen.

Schon am Beispiel von Client-Server-Umgebungen haben viele DV-Entscheider gelernt, daß eine Netzeinführung nur dann erfolgreich sein kann, wenn der Aktionismus einer geregelten Vorgehensweise weicht. Eine Zieldefinition und eine genaue Betriebsplanung sind die ersten Aufgaben, die zu bearbeiten sind, um die weiteren Leistungen in die richtigen Bahnen zu lenken. Support-Probleme, mangelnde Effizienz, falsch kalkulierte Projektkosten sind nur einige Beispiele für die Fehler der Vergangenheit, aus denen man lernen konnte. Und heute, kaum fünf Jahre später, scheint alles vergessen.

Um die Intranet-Technologie erfolgreich einzuführen und zu betreiben, ist eine anders gewichtete Vorgehensweise als die herkömmliche Netzplanung notwendig. Ausgehend davon, daß das Intranet als Plattform für die Unternehmensinformationen verstanden wird, bietet diese lediglich die Möglichkeiten und Chancen, nicht jedoch die Lösung für eine effiziente Intranet-Einführung.

Eine Vielzahl von Faktoren ist zu berücksichtigen, um von der Plattform zu einem effizienten Netz zu gelangen. Entscheidungen über Zuständigkeiten sind klar zu definieren, und ein Administrationskonzept ist zu erstellen. Häufig sind neben der eigentlichen Intranet-Thematik weitere Komponenten anderer Bereiche betroffen, die es zu berücksichtigen gibt. Hierzu zählen Datenbanken, die Netzinfrastruktur oder existierende Bürokommunikationssysteme.

Die Gründe, weshalb Unternehmen das Intranet überhaupt nutzen, sind vielfältig. Allgemein wird diese Technologie eingesetzt, um Mitarbeiter über interne Abläufe, Prozesse und Verfahren besser zu informieren und um auf diesem Wege miteinander zu kommunizieren. Diese allgemeingültige Anforderung an das Intranet ist nun je nach Unternehmen zu spezifizieren.

Ein Intranet ist keine Einbahnstraße

Im Rahmen der Planung ist es daher nützlich, mittels einer Matrix zunächst einmal festzulegen, welche Informationen von wem aufbereitet welche Empfängergruppe adressieren sollen. Als nächstes folgen Entscheidungen über die Informationsempfänger und Übermittlungsverfahren. Heutzutage gehen die meisten Unternehmen von einem Web-Server aus, der den Anwendern die Möglichkeit bietet, über den eingesetzten Browser HTML-Seiten abzurufen.

Vielfältige Integrationsmöglichkeiten zeigen allerdings, daß die aktuelle Intranet-Technik deutlich mehr leisten kann, als nur eine Informations-Einbahnstraße zu sein. Die Wahl von Push- oder Pull-Techniken bietet beispielsweise die Option, bestimmte Informationen an den Anwender zu versenden (push) oder diese dem Anwender für seine Suche (pull) bereitzustellen. Zudem lassen sich Anwendungen in unterschiedlicher Weise integrieren. Web-Funktionen zu nutzen ist nur eine denkbare Zugriffsvariante beim Betrieb des internen Netzes. In diesem Fall ist die Kommunikation mit nahezu allen Daten der bestehenden Unternehmens-DV möglich.

Bereits vor dem Aufbau eines eigenen Intranets sind die technischen Möglichkeiten und die damit verbundenen unternehmensspezifischen Einsatzbeispiele für das eigene Unternehmen genauer unter die Lupe zu nehmen.

Während erstere eine Abbildung nahezu aller IT-Funktionen im Intranet erlauben, werden als typische Einsatzbeispiele neue Anwendungen der Informationsverarbeitung eingeführt. Somit stellt das Intranet meist einen funktionalen Mehrwert dar; eine Migration von bestehenden Lösungen wird bislang nur selten umgesetzt.

Die vier Funktionen des Netzes, ganz gleich ob Internet oder Intranet, sollen dies verdeutlichen:

-Eine der Aufgaben ist es, Informationen bereitzustellen, auf die der Anwender über einen Browser zugreifen kann. Von dort kommt er zu weiteren Informationen (WWW-HTML-Funktionen).

-Dem Anwender können diese Dienste mit einer weiterführenden Funktion zu anderen Anwendungen, Informationsquellen und Dateien zur Verfügung gestellt werden. Über einen Link in den einzelnen Seiten lassen sich Dokumente, Informationen aus Datenbanken und Dateiablagen gewinnen. Internet-Dienste aus dem Bereich der HTML-Seiten werden demnach in die Umgebung des Anwenders eingebunden. Auf diesem Weg läßt sich mit Pfaden und Verweisen auf Informationen zu bestehenden Anwendungen zugreifen.

-Produktiver und effizienter ist es, asynchron oder synchron mit anderen Personen und/oder Applikationen direkt zu kommunizieren (Interaktivität).

-Schließlich ist auch die Einbindung von Objekten in HTML-Seiten möglich. Dies erlaubt auf Präsentationsebene den Zugriff auf nahezu alle Applikationen (objektorientierte Einbindung). Der Anwender kann seine Datenbankabfragen ebenso wie seine Reportings und Mailings im Unternehmen erstellen.

Der größte Vorteil dieser Intranet-Anbindung gegenüber herkömmlichen Applikationen liegt in der einfachen Administration und der Sicherstellung eines zentralen Software-Managements. Auf diese Weise reduzieren sich die Aufwandskosten für Standardisierungen und Support der Applikationen. Weitere Pluspunkte sind die verglichen mit herkömmlichen Applikationen geringen Anforderungen an Arbeitsplatzrechner und Netzwerke. Ein Vergleich dieser Vorteile mit den Implementierungskosten sowie den Machbarkeitsaspekten ist Basis für eine Entscheidung.

Eine Analyse der geplanten Lösung anhand der funktionalen Anwendungen in einem Gesamtmodell verlangt die Beantwortung folgender Fragen:

-Verändert der Einsatz eines Intranets andere DV-Komponenten?

-Sind bestehende Anwendungen von der Einführung betroffen?

-Gibt es technische und logische Redundanzen zu bestehenden Systemen und Verfahren?

-Welche System- und Problem-Management-Änderungen sind erforderlich, um die neuen Techniken umzusetzen?

Sobald diese Abhängigkeiten bekannt sind, lassen sich die Intranet-Funktionen bereitstellen. Die Planung erfolgt in einzelnen Schritten und Überlegungen:

Wer soll die Informationen erhalten? Wer stellt die Informationen bereit? Wer definiert die Zieladressen nach einzelnen Gruppen? Welche Anbindungen lassen sich durch das Intranet erweitern, welche Anwendungen sind redundant oder werden ersetzt?

Werden diese Fragen nicht im Vorfeld oder zu spät beantwortet, ist das Ergebnis das bekannte klassische "Speisekarten-Web". Hier werden die Menükarten der hauseigenen Kantine von DV-Mitarbeitern in Web-Seiten eingebunden. Die Folge ist eine ineffiziente Nutzung sowie ein veralteter Datenbestand. Dazu kommt es, weil die Daten in das interne Web konvertiert werden, anstatt sie aus den ursprünglichen Anwendungen automatisch zu portieren.

Dieses Problem läßt sich umgehen, indem die Aufgaben nach grafischen, logischen und inhalt- lichen Tätigkeiten getrennt werden. Erstere sind für eine einfache, strukturierte und übersichtliche Darstellung entscheidend und haben eine vergleichsweise lange Lebensdauer. Die logischen Definitionen bilden dagegen die funktionalen Komponenten ab (Semantic Layer) und werden erfahrungsgemäß stetig erweitert. Inhaltliche Komponenten, die keine DV-Ressourcen in der täglichen Arbeit binden sollten, werden je nach Einsatzgebiet von den Fachbereichen geändert.

Der geplante Inhalt und die hieraus resultierenden Adressierungen sind bei Planung und Design ein wichtiger Faktor, um Fehlentscheidungen zu vermeiden. Am Beispiel einer Dokumentenverwaltung, die mit grafischen Darstellungen und Bildmaterial gelöst wird, ist die Abhängigkeit von der eingesetzten Architektur und Infrastruktur leicht erkennbar. Erfolgt über Intranet-Techniken auch Sprach- oder Videokommunikation, sind Einflüsse auf die Infrastruktur nahezu unvermeidlich.

Eine effiziente Netzplanung schließt eine Gegenüberstellung von Kosten und Nutzen ein. Die Möglichkeiten der Intranet-Technologie sind daher einer ausführlichen Kosten-Nutzen-Analyse zu unterziehen. Investitions-, Betriebs- und Folgekosten des Einsatzes sollten daraus hervorgehen. Gemeinsam können dann EDV- und Fachabteilung Aussagen hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit im Betrieb und des Return on Investment (ROI) treffen.

Ist der Entscheidungsprozeß abgeschlossen, beginnt die technische Umsetzung des Intranets. Auch hier fallen Parallelen zu konventionellen Client-Server-Projekten auf. Ein Projekt-Ma- nagement, das nach dem Verfahren der "Wasserfall-Modelle" erfolgt, also einer genauen Ziel-, Projekt-, Ressourcen- und somit Budgetplanung unterliegt, ist aufgrund der eigenen Dynamik zum Scheitern verurteilt. Die vielfachen Möglichkeiten erkennen Anwender oftmals erst in der späten Projektphase der Betriebsaufnahme.

Fortlaufende Kontrolle der Wirtschaftlichkeit

Ein Projekt-Management quasi mit einer "Dies und das noch"- Mentalität zum Erfolg zu führen setzt unbürokratische, flexible und strukturierte Methoden voraus. Eine fortlaufende Kontrolle der Wirtschaftlichkeit gehört ebenso zu den Erfolgsfaktoren wie ein erfahrenes Ressourcen- und Qualitäts-Management. Grafik 2 zeigt, daß sich die Projektziele während der Umsetzungsphase verändern beziehungsweise erweitern können. Eine Teilung in Kern- und Zusatzprojekte ist unabdingbar.

Im Gegensatz zu diesen Erfahrungen steht der Aufwand bei der Inbetriebnahme und dem Rollout. Die Leistungen für die technische Umsetzung von Intranet-Projekten werden oft um ein Vielfaches überschätzt.

Im Bereich der dezentralen Datenverarbeitung wurde die Er- fahrung gemacht, daß aufgrund mangelnder Standards und fehlender Spezifikationen die technische Inbetriebnahme bis zu 60 Prozent der Projektzeiten und -ressourcen beansprucht. Intranet-Projekte lassen sich dagegen mit relativ geringem Aufwand durch ein automatisiertes Rollout umsetzen.

Aufwand und Zeit berücksichtigen

Wichtige Aspekte sind hierbei allerdings zu berücksichtigen. So sind beispielsweise Aufwand und Zeit, die durch Software-Entwicklungen entstehen, noch hinzuzuzählen. Diese Werte können je nach geforderten Funktionen und eingesetzten Entwicklungsmethoden und -werkzeugen variieren. Auch für die Leistun- gen und somit die Kosten durch Change-Management-Aktivitäten gelten die genannten Kriterien.

Verglichen mit herkömmlichen Client-Server-Anwendungen sind Browser-Projekte aufgrund des nur geringen Konfigurations- aufwands der Arbeitsplatzrech- ner und der Möglichkeit zur zentralen Softwarepflege und -erweiterung weniger aufwendig. Beim Projekt-Management wird ein weiterer Pluspunkt der Intranet-Anwendungen deutlich, da nahezu keine Versionskonflikte oder Inkompatibilitäten im Umfeld der Arbeitsplatz-PCs zu berücksich- tigen sind. Selbst Arbeitsausfälle während der Umstellung oder Erweiterung von Systemen, wie sie bei konventionellen Anwendungen entstehen, sind für Clients unwichtig. Die Frage nach der Einbindung in weitere Dienste, etwa Internet-Kopplungen oder Extranet-Anbindungen, ist ebenfalls frühzeitig in dem Verfahren zu berücksichtigen. Dies ist notwendig, da sich bei einer solchen Implementierung weitere Anforderungen an Sicherheit, Übertragungsstrecken etc. ergeben.

Fazit: Intranet-Projekte erfordern eine wesentlich umfangreichere Organisation und Planung als vergleichbare Client-Server-Anwendungen, bei denen die Client-Software auf den Arbeitsplatzrechnern eingesetzt wird. Der Aufbau eines Intranets sowie der Aufwand für Betrieb und Support lassen sich jedoch im Vergleich dazu stark vereinfachen.

Inwieweit zusätzliche Kosteneinsparungen und Effizienzsteigerungen durch NC-Techniken im Unternehmensnetz zukünftig möglich sind, bleibt abzuwarten. Mit steigender Intranet/Internet-Einbindung in die Betriebssysteme Windows 95 und 98 sowie Windows NT setzt Microsoft beispielsweise deutliche Zeichen, die einen Aufbau von Intranets weiter erleichtern und die Nutzung noch effizienter machen.

Der nächste Technologieschritt und der damit verbundene Boom am Markt wird neben der Integration neuer Funktionen, etwa Video, die sukzessive Ablösung von bestehenden Anwendungen sein. Dennoch ist schon heute der Zeitpunkt für eine Intranet-Einführung ohne Kinderkrankheiten gegeben. In vielen Fällen lassen sich aufgrund der bisherigen Markterfahrungen die klassischen, hier geschilderten Fehler vermeiden.

Angeklickt

Vielfach stoßen Intranets noch auf Skepsis. Sei es, daß die erste Version verbesserungsbedürftig war, die Netzlast steigt oder die Informationen schneller veralten als erwartet. Es gilt, Aktionismus zu vermeiden und eine genaue Planung vorzunehmen. Auch aus Fehlern der Vergangenheit läßt sich lernen. Zu den Problemen, die schon bei der Einführung von Client-Server-Systemen auftauchten, gehören mangelnder Support, geringe Effizienz und falsch kalkulierte Projektkosten. Verglichen mit der herkömmlichen Netzplanung sind die Vorbereitungen bei Intranets aufwendiger, die Realisierung dagegen einfacher. Es empfiehlt sich die Erstellung einer Matrix, welche Informationen, von wem aufbereitet, an wen gerichtet werden sollen. Ein häufig auftretender Fehler ist, daß Daten konvertiert werden, anstatt sie aus den Anwendungen automatisch zu portieren. Das Resultat ist ein sogenanntes "Speisekarten-Web". Außerdem sind die Aufgaben unbedingt nach grafischen, logischen und inhaltlichen Tätigkeiten zu trennen.

*Eckhard Klockhaus ist Geschäftsführer bei der DV Management & Beratung GmbH in Solingen.