CAD-Netzwerk an der Universität Bochum Teil 1

Ein Hardwarekonzept für die CAD-Ausbildung an Hochschulen

09.08.1991

Eine Hauptforderung der Industrie an Universitäten bezüglich Forschung und Lehre ist bekanntlich in praxisbezogene Ausbildung, etwa im CAD-Bereich, an möglichst industrienahen Beispielen.

Am Institut für Konstruktionstechnik der Retorten-Universität Bochum ist man diesem Anliegen in den letzten Jahren mit der Einführung des "reformierten Grundstudiums" und einer CAD-Rechenanlage in vorbildlicher Weise nachgekommen. Große Studentenzahlen und steigende technische Anforderungen bedingen aber weiterhin hohe Investitionen in die Hardware. Hochschulmittel von seiten des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen sind jedoch nicht in Sicht.

Ausbildung und Forschung im Bereich CAD haben an der Ruhr-Universität Bochum am Lehrstuhl Maschinenelemente und Konstruktionslehre von Professor Seifert eine langjährige Tradition. Bereits zu Beginn der siebziger Jahre wurde hier mit der Entwicklung des CAD Systems "Proren" der Grundstein für die Einführung modernster Technologien gelegt. Eine beachtliche Zahl von Dissertationen auf dem CAD-Sektor und die seit mehr als zehn Jahren erfolgreiche Vermarktung von Proren durch das Systemhaus Isykon legen Zeugnis über die Qualität dieser Aktivitäten ab.

Zunächst konzentrierte sich die CAD-orientierte Ausbildung auf Vorlesungen im Hauptstudium, hier vor allem auf die schon sehr früh angebotene Grafische Datenverarbeitung" und die Anfertigung entsprechender Studien- und Diplomarbeiten .

Maschinenzeichnen am CAD-System

Das natürliche Interesse der Studenten an diesem Themenkreis stieg mit dem wachsenden CAD-Einsatz in der Industrie ebenso wie durch die Verbreitung der PCs, so daß seitens der Fakultät eine neue Prüfungsordnung ausgearbeitet wurde, die sowohl das reformierte Grundstudium als auch die neue Vertiefungsrichtung "Rechnerintegrierte Konstruktions und Fertigungstechnik enthält.

Das reformierte Grundstudium stellt insofern ein völlig neues Konzept dar, als hier erstmalig an einer deutschen Hochschule die letzte Übungsaufgabe im Fach Maschinenzeichnen (im ersten Semester) mittels eines industriebewährten CAD-Systems an der Ausbildungsrechenanlage anzufertigen ist. Die anderen Übungsaufgaben werden nach alter Tradition als Blei- beziehungsweise Tuschezeichnungen erwartet, damit die Studenten auch diese Fähigkeiten erlernen. Für die Konstruktionsaufgaben des Fachs "Maschinenelemente" in den folgenden Semestern ist es den Studenten freigestellt, ob sie traditionell oder mit Rechnerunterstützung arbeiten wollen.

So fortschrittlich die neue Prüfungsordnung auch war, so sehr erwies es sich zunächst als beinahe unlösbar, in Analogie zu den bewährten Zeichenbrettern den Maschinenbaustudenten nun eine hinreichende Anzahl grafischer Arbeitsplätze zur Verfügung zu stellen.

Die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen Prüfungsordnung bereits stillgelegte ehemals gemeinsame Rechenanlage der Fakultäten Maschinenbau und Bauwesen war mit einem einzigen grafischen Arbeitsplatz ausgestattet, der für die wenigen "Auserwählten" früherer Zeiten gerade noch genügen konnte.

Kurze Reaktionszeiten und schnelle Übertragung

Die geringe Leistungsfähigkeit dieser Anlage schloß Erweiterungen aus, und die Einbindung des Universitätsrechenzentrums war wegen der besonderen Anforderungen von CAD-Software, nämlich kurze Reaktionszeiten und schnelle Übertragung großer Datenmengen, für die Grafikerstellung, schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt als nicht sinnvoll erkannt worden.

So blieb nur der Ausweg, in der Fakultät für Maschinenbau selbst eine geeignete Rechenanlage zu installieren, die konzeptionell vollständig an die Forderungen des Ausbildungsbetriebes angepaßt sein mußte. Was diese auf den ersten Blick banal klingende Forderung bedeutet, mag eine Betrachtung der Studentenzahl klären.

An der Fakultät für Maschinenbau sind zur Zeit etwa 3500 Studenten eingeschrieben. Jedes Jahr nehmen rund 400 bis 450 Anfänger das Studium auf. Für alle Erstsemester und einen nicht geringen Anteil der Fortgeschrittenen müssen zu akzeptablen Betriebszeiten grafische Arbeitsplätze bereitgestellt werden. Darüber hinaus wird erfahrenes Personal für die Übungsaufsicht und die Wartung benötigt.

Vor mißbräuchlicher Benutzung schützen

Erste Schätzungen ergaben einen Bedarf von 24 grafischen Arbeitsplätzen unter der Annahme, daß ein Arbeitsplatz bei einer Übungszeit von zwei Semesterwochenstunden von jeweils zwei Studenten gemeinsam genutzt wird. Ein zweiter Aspekt, der leicht übersehen wird, ist die Prüfungsrelevanz der angefertigten Übungsarbeiten und der damit untrennbar verbundene Themenkreis der Datensicherheit. Einerseits muß dafür Sorge getragen werden, daß die von den Studenten erzeugten Daten, die ja bearbeitete Aufgaben darstellen, nicht verlorengehen können, andererseits müssen sie vor mißbräuchlicher Benutzung - "Abschreiben", hier als Kopieren zu verstehen - geschützt werden.

Als erstes stellte sich heraus, daß zum damaligen Zeitpunkt die geforderte Rechenleistung (24mal CAD) von keinem der üblichen Mini- oder Supercomputer mit vertretbarem Aufwand geliefert werden konnte. Als Alternative zu dem sonst allgemein gebräuchlichen Konzept eines Zentralrechners mit angeschlossenen Terminals wurde deshalb ein Pool vernetzter Workstations in Betracht gezogen. Obwohl dieser Gedanke schon aufgrund der guten Erfahrungen mit dem am Lehrstuhl Seifert installierten Sun 3/50 zunächst vielversprechend wirkte, mußte er aus Kosten- und vor allem aus Wartungsgründen verworfen werden. Beim Betrieb von 24 plattenlosen Workstations wäre die Belastung des Netzwerkes entschieden zu hoch geworden - alle Daten, alle Programme und das gesamte Swapping hätten über das Netz übertragen werden müssen.

Die Zusammenfassung von Maschinen in kleinen Gruppen mit jeweils einer gemeinsamen Platte hätte demgegenüber zwar die Netzbelastung verringert, dafür aber hätte man die gesamte Software für die Gruppe bereitstellen müssen und eine größere Anzahl von Systemen zu warten. Ein vielleicht boshafter Gedanke sei hier gleichfalls nicht verschwiegen: Für den Massenbetrieb sind Workstations ein viel zu hochwertiges Wirtschaftsgut, zumal im Gegensatz zu industriell genutzten Arbeitsplätzen in unserem Fall die Anwender ständig wechseln.

Arbeitsplätze auf der Basis von Standard-PCs

Aufgrund dieser Überlegung entstand der Plan, die Vorzüge des Zentralrechner-Konzepts mit dem Workstation-Prinzip zu verbinden. Am Lehrstuhl waren zu diesem Zeitpunkt, Anfang 1987, grafische Arbeitsplätze auf der Basis handelsüblicher PCs der AT-Klasse entwickelt worden, die in der Proren-typischen Konfiguration, bestehend aus je einem alphanumerischen und grafischen Bildschirm sowie einem Digitalisiertablett, im Tektronix-4014-Modus arbeiten konnten .

Die Entscheidung, solche "halb-intelligenten" Terminals zu nutzen, wurde durch die beiden Tatsachen erleichtert, daß bei gleichem Kostenaufwand - weniger als 10 000 Mark pro Arbeitsplatz - die bis dahin ausschließlich verwendeten monochromen Grafiksysteme gegen eine Farbausführung mit einer Auflösung von immerhin 800 x 600 Punkten bei 16 gleichzeitig darstellbaren Farben aus einer Palette von 4096 getauscht werden konnten. Darüber hinaus gelang es, die serielle Anschlußtechnik durch ein auf dem Telenet-Protokoll basierendes Netzwerk-lnterface zu ersetzen, was natürlich zu einer erheblich schnelleren Datenverarbeitung führte. Ergänzend sei erwähnt, daß ein defekter PC deutlich preiswerter - auch komponentenweise - zu ersetzen ist als eine defekte Workstation.