SaaS-Anbieter Weclapp

Ein ERP-Paket für KMUs

12.10.2012
Von 


Joachim Hackmann ist Principal Consultant bei PAC – a teknowlogy Group company in München. Vorher war er viele Jahre lang als leitender Redakteur und Chefreporter bei der COMPUTERWOCHE tätig.
Das Startup Weclapp aus Marburg spricht mit einer ERP-Suite aus der Cloud mittelständische Firmen an. Zum Auftakt gibt es Warenwirtschaft und CRM zur Miete.
Foto: Experton Group

Das Angebot an echten Cloud-Diensten in Deutschland ist überschaubar. Es ist sogar spärlich, wenn man die Auswahl auf SaaS-Produkte im ERP-Umfeld beschränkte. Die Experton Group zählt in ihrem aktuellen Cloud-Vendor-Benchmark gerade mal sechs Anbieter (siehe Grafik), die Lizenz- und Abrechnungsmodelle auf Cloud-Anforderungen ausgerichtet haben (siehe auch "Deutsche Cloud-Provider im Vergleich").

Das jüngste Unternehmen in dieser Runde ist Weclapp aus Marburg. Es ist erst im Februar 2012 an den Start gegangen und richtet sich mit seiner Cloud-basierenden ERP-Suite ausdrücklich an kleine und mittelgroße Firmen. „ERP-Lösungen haben üblicherweise einen Lebenszyklus von zehn bis 15 Jahren“, weiß Ertan Özdil, Managing Direktor bei Weclapp. „Viele Applikationen wurden zur Jahrtausendwende installiert, so dass vielerorts ein Wechsel bevorsteht.“

Ertan Özdil, Managing Direktor bei Weclapp.
Ertan Özdil, Managing Direktor bei Weclapp.
Foto: Weclapp

Der Newcomer hofft, dass sich viele mittelständische Anwender bei der ERP-Auswahl gegen die Anschaffung von Software und für ein Mietmodell entscheiden. Weitere potentielle Kunden sind solche Firmen, die ihr Geschäft bis dato noch mit Excel-Tabellen steuern und dabei zunehmend an Grenzen stoßen. Interessenten bietet Weclapp sechs SaaS-Modulen zur Miete an:

  • Das Mobile Device Management hilft beim Verwalten mobiler Endgeräte;

  • Eine Helpdesk-Lösung ist zum Erstellen und Bearbeiten von Tickets vorgesehen.

  • Das Vertrags Management soll Geschäftsbeziehungen etwa hinsichtlich Laufzeit transparent darstellen.

  • Mit dem Modul Projekt Management verspricht der Anbieter Kontrolle in der Planung, Steuerung und Umsetzung von Vorhaben.

  • Die CRM-Komponente liefert Funktionen für das Kundenbeziehungs-Management.

  • Und die Warenwirtschaft stellt den Waren- und Informationsfluss im Unternehmen dar.

Sämtliche Komponenten lassen sich getrennt voneinander buchen. Bezieht ein Unternehmen ein zweites Modul aus dem Weclapp-Portfolio werden die vorhandenen und angelegten Daten erkannt und in die hinzu gebuchte Applikation übernommen. Der Datenaustausch erfolgt über eine dokumentierte Schnittstelle, so dass sich bei Bedarf auch Drittanbieter und Erweiterungsmodule anflanschen lassen.

Die Preisliste von Weclapp.
Die Preisliste von Weclapp.
Foto: Weclapp

Die Schnittstelle ist indes nicht standardisiert, weil es bis dato keine entsprechenden, international genormten APIs gibt. „Wir haben von Beginn an den Suite-Gedanken verfolgt“, begründet Ertan Özdil das Konzept. „Wir konnten uns nicht vorstellen, dass Anwender Lösungen verschiedenen Hersteller bevorzugen und damit auf viele, unterschiedliche Kennzahlenquellen zugreifen müssen.“

Weclapp im Kurzporträt

  • Weclapp gehört zu der 3U-Holding, die vor allem TK-Beteiligungen hält.

  • Der SaaS-Anbieter ging 2008 aus den Abteilungen Softwareentwicklung und IT der 3U Telecom GmbH hervor, anfangs noch als Segal Systems.

  • Zurzeit (Juli 2012) beschäftigt der Anbieter 44 Mitarbeiter in Deutschland und 15 Softwareentwickler in Indien.

  • Der Business-Plan sieht in drei Jahren Einnahmen im hohen zweistelligen Millionenbereich vor. Ab 2013 will man schwarze Zahlen schreiben. Die Finanzierung ist durch die Muttergesellschaft abgesichert.

  • Die SaaS-Produkte werden unter anderem über die Marktplätze von 1&1 und der Telekom vertrieben.

  • Weclapp ist zertifiziert nach ISO 27001.

  • Das Rechenzentrum steht in Marburg, die Energieversorgung stammt laut Anbieter zu 100 Prozent aus regenerativen Quellen. Weitere Data Center sollen hinzukommen.

Einfacher Start mit Device- oder Projekt-Management

Die Experton Group hat Weclapp im Rahmen der Markterhebung analysiert und zum Newcomer des Jahres gekürt. „Die Module sind gut integriert, sie nutzen alle das gleiche Framework und damit einheitliche Datenbestände“, lobt Steve Janata, Senior Advisor der Experton Group und Co-Autor der Benchmark-Studie. „Die Suite unterstützt wesentliche Kernprozesse mittelständischer Firmen.“

Das Produktportfolio ist so gewählt, dass Interessenten mit schlanken und kleinen Lösungen starten können, um die Umgebung kennen zu lernen. Dafür eignet sich etwa das Mobile Device Management (MDM), mit dem mittelständische Kunden ihre mobilen Geräte verwalten können. Das Tool lässt sich wie sämtliche Module 30 Tage lang kostenlos testen.

Warenwirtschaft steht im Zentrum des SaaS-Angebots

Kernelement und Stolz des Weclapp-Portfolios ist die Warenwirtschaft. „Eine solche Lösung ist sehr komplex, wir haben es uns nicht zugetraut, sie alleine zu entwickeln“, räumt Özdil ein. Man habe deshalb externe Hilfe und Fachwissen hinzugezogen und Peter Hohmann verpflichtet, Professor für praktische Informatik an der Technischen Hochschule Mittelhessen und frühere Geschäftsführender Gesellschafter bei dem ERP-Anbieter Complan + Partner.

Sämtliche Funktionen und Abläufe gehen auf Anforderungen im eigenen Konzern zurück. Weclapps Muttergesellschaft 3U hatte im Jahr 2006 eine Restrukturierung eingeleitet, um die Abhängigkeit vom volatilen TK-Geschäft zu reduzieren. Im Zuge der Neuausrichtung wurden 3U-Firmen und -Beteiligungen veräußert, andere wiederum hinzugekauft. Parallel zu diesem Erneuerungsprozess sollte die Softwarelandschaft aktualisiert werden, doch Weclapp-Geschäftsführer Özdil, damals noch Abteilungsleiter der Systementwicklung, konnte sich mit keinem der im Markt verfügbaren Produkte anfreunden.

Aus Mangel an passenden Lösungen entstand die Idee, eine eigene Cloud-basierende ERP-Suite für die Konzerntöchter zu entwickeln und sie bei Marktreife auch extern zu verkaufen. „Wir haben das Vorhaben als Investition in den Zukunftsmarkt Cloud Computing gestartet. Es war von Beginn an eine bewusste Entscheidung für die externe Vermarktung und für ein weiteres Geschäftsfeld im 3U-Konzern“, betont Özdil.

Enterprise Java und HTML5

Bei der technischen Gestaltung hat sich Weclapp vor allem an Salesforce.com orientiert und auf Enterprise Java sowie HTML5 gesetzt. Dem Backend liegt eine skalierbare Stack-Architektur mit event-basierenden Modulen zugrunde. Die Software wird im eigenen Rechenzentrum in Marburg betrieben.
Weclapp arbeitet bereits seit vier Jahren an der Gestaltung und Programmierung der ERP-Applikationen, seit Februar 2012 ist man endlich Online. Zuvor wurde die Software schon im eigenen Konzern genutzt und getestet, zudem wurde die Lösung schon vor dem offiziellen Start bei ersten Kunden in Betrieb genommen.

Die Planung sieht vor, die Applikationen bis kommenden Herbst auch für den englischsprachigen Markt zu öffnen. „Wir haben indische und amerikanische Wettbewerber genau analysiert und sehen gute Möglichkeiten für den internationalen Erfolg“, zeigt sich Özdil zuversichtlich. Ziel ist es, im kommenden Jahr die schwarzen Zahlen zu erreichen und in drei Jahren die Einnahmen in einen hohen zweistelligen Millionenbereich hochzuschrauben.

„Die Chancen sind da, weil der internationale Markt nach solchen Lösungen sucht“, bestätigt Janata mit Blick auf die internationale Konkurrenz. Insbesondere angloamerikanische Anwender stünden dem SaaS-Gedanken viel aufgeschlossener gegenüber, als deutsche Kunden, daher sei der Schritt ins Ausland sinnvoll. Zudem seien Anbieter mit deutschen Rechenzentren auch im Ausland gern gesehen, betont Janata. Nicht zuletzt deshalb laufen bei Weclapp die Planungen an, die Data-Center-Kapazitäten in Deutschland zu erweitern. (Kennen Sie schon unseren Wettbewerb "Best in Cloud"? Wir küren die besten Projekte!)

Die Roadmap

Weclapp hat sich eine ehrgeizige Roadmap verordnet:

  • Im September 2012 soll ein Modul zur Verwaltung von Finanzkennzahlen für das Rechnungswesen und die Finanzbuchhaltung erscheinen.

  • Im Herbst 2012 soll eine englischsprachige Web-Site Online gehen.

  • Noch in diesem Jahr plant Weclapp den Betriebsstart eines Speicherdienstes, der Anwendern einige GB Storage zur kostenlosen Nutzung überlässt. Damit möchte Weclapp auf die eigene ERP-Suite aufmerksam machen. Das Unternehmen hofft auf Cross-Selling-Möglichkeiten.

  • Im Juli oder August 2012 wird es Weclapp-Apps in den Marktplätzen für Android- und iOS-Smartphones geben.

  • Ende des Jahres soll eine SaaS-Lösung für das Personal-Management startklar sein.

  • In Planung ist zudem eine sehr einfach gestaltete Auftragsverwaltung etwa für Handwerker.

  • Zudem sind branchenspezifische Anwendungen etwa für die Logistikbranche in Vorbereitung.