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Ärger um die geplante Vorratsdatenspeicherung

"Ein erheblicher Eingriff in die Grundrechte der Bürger"

08.11.2007
Am morgigen Freitag kann der Bundestag über die umstrittene Vorratsdatenspeicherung entscheiden. Der Internet-Verband Eco sieht in dem anstehenden Gesetz eine unzumutbare Belastung für die TK-Unternehmen.

Nachdem der Rechtsausschuss des Bundestages den Gesetzentwurf gegen den Einspruch der Opposition gebilligt hatte, könnte bereits morgen im Bundestag eine Entscheidung fallen. Das "Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG" ist höchst umstritten.

Die EU, auf deren Richtlinie das Gesetz zurückgeht, möchte in ihren Mitgliedsländern den Terrorismus und schwere Straftaten effektiver bekämpfen. TK-Anbieter inklusive Mobilfunk- und Internet-Provider werden verpflichtet, sämtliche "Verkehrsdaten" ihrer Kunden aufzuzeichnen und für sechs Monate flächendeckend und verdachtsunabhängig zu speichern. Für ein halbes Jahr können Strafverfolgungsbehörden im Fall einer "schweren Straftat" also nachvollziehen, wer mit wem per Telefon, Handy oder E-Mail in Verbindung gestanden und wer wann das Internet genutzt hat. Davon betroffen sind auch Berufsgeheimnisträger, darunter Ärzte, Journalisten und Anwälte. Das Speichern und Auswerten der Daten kann in den EU-Ländern unterschiedlich erfolgen. Einzelne Staaten wählen beispielsweise verschieden lange Speicherungszeiten – in Deutschland ist ein halbes Jahr vorgesehen, in Polen sind es sogar 15 Jahre. Auch die Schwere der Straftat können die EU-Mitglieder je nach ihrer Rechtsordnung auslegen.

Ausführliche Informationen zur Vorratsspeicherung finden sich hier:

wiki.vorratsdatenspeicherung.de

Richtlinie über die Vorratsdatenspeicherung

Kritik an Vorratsdatenspeicherung

Heftige Proteste gegen Datenspeicherung und Überwachung

Michael Rotert, Vorstandsvorsitzender des Verbandes der deutschen Internetwirtschaft (Eco), warnt vor den hohen Kosten, die auf TK-Anbieter zukommen werden: "Die flächendeckende und verdachtsunabhängige Speicherung, wer mit wem wann telefoniert, eine SMS oder eine E-Mail gesendet hat, ist mit immensen Anschaffungskosten für die TK-Unternehmen verbunden. Allein die Internetwirtschaft muss 332,5 Millionen Euro für die Anschaffung von Hard- und Software aufbringen, dazu kommen noch die laufenden Betriebskosten und die Kosten der klassischen Telekommunikationsunternehmen. Für diese Ausgaben sollen die Unternehmen nicht entschädigt werden. Wenn es dabei bleibt, werden die Belastungen letztlich auf die Verbraucher abgewälzt werden müssen."

Mit zahlreichen Protestaktionen im Internet und auf den Straßen warnen Datenschützer vor dem Überwachungsstaat.
Mit zahlreichen Protestaktionen im Internet und auf den Straßen warnen Datenschützer vor dem Überwachungsstaat.
Foto: www.vorratsdatenspeicherung.de

Der Eco erinnert an die unglaubliche Menge an Spam-Mails, die für die Strafverfolgung völlig nutzlos sind (sofern Spamming nicht unter Strafe gestellt wird) und nun sechs Monate aufgehoben werden müssen. Bei den anderen Informationen handele es sich um "meist sensible Daten von unbescholtenen Bürgerinnen und Bürgern, die einen erheblichen Eingriff in ihre Grundrechte hinnehmen müssen." Der Nutzen der Vorratsdatenspeicherung für die Bekämpfung von schweren Straftaten und Terrorismus ist laut Eco gering, da Kriminelle die Überwachung leicht umgehen könnten. Auch seien die Strafverfolgungsbehörden gar nicht für die Entgegennahme und Auswertung der Daten gerüstet.

"Wenn die Vorratsdatenspeicherung kommt, müssen die Bundesländer zumindest ebenfalls Geld in die Hand nehmen und die Strafverfolgungsbehörden technisch und personell aufrüsten. Sonst bringt die Speicherung für die Kriminalitätsbekämpfung nichts. Einen Erfolgsnachweis in Form einer aussagekräftigen Statistik ist das mindeste, was Steuerzahler, Wirtschaft und Verbraucher erwarten können", sagte Rotert. Immerhin sei auf Betreiben der TK-Branche hin in einem Punkt Realismus eingekehrt: Der Internetwirtschaft soll eine Übergangsfrist für die technische Umsetzung der Speicherpflicht bis zum 1. Januar 2009 zugestanden werden. Etwas anderes wäre laut Eco auch völlig illusorisch gewesen." (hv)