Hulk Hogan, Gawker & Peter Thiel

Ein Blog spaltet die Tech-Branche

01.06.2016
Die von einem Milliardär finanzierte Klage gegen das Blog "Gawker" schürt in den USA Sorgen um den Einfluss des Silicon-Valley-Reichtums auf die Medienwelt. Der Fall spaltet die Tech-Branche in zwei Lager.

Ein Silicon-Valley-Milliardär sieht seine Privatsphäre verletzt, als ein Blog seine Homosexualität enthüllt. Einige Jahre später veröffentlicht dieselbe Website namens "Gawker" dann kurze Fragmente aus einem Sex-Video mit Beteiligung der Ex-Wrestling-Ikone Hulk Hogan. Der zieht vor Gericht und bekommt 140 Millionen Dollar zugesprochen - eine Summe, die den Blog-Betreiber aus dem Geschäft werfen kann. Auf den ersten Blick haben diese beiden Ereignisse nichts miteinander zu tun. Sieht man mal davon ab, dass hier der Eindruck entsteht, ein rücksichtsloses Medium werde von einer seiner zahlreichen Verfehlungen eingeholt. Dann kommt allerdings heraus, dass die Klage gegen das Blog-Netzwerk Gawker von Paypal-Mitbegründer Peter Thiel finanziert wurde. Eben jenem Milliardär, dessen sexuelle Orientierung vor knapp zehn Jahren zur Schau öffentlich gemacht worden war.

Internet-Zukunft: Milliarden vs. Medien?

Seitdem tobt die Debatte: Sind das die Vorzeichen einer Zukunft, in der Tech-Milliardäre unliebsamen Medien die Luft abdrehen können - einfach nur, weil sie in Geld schwimmen? Zumal inzwischen immer mehr die Algorithmen von Facebook und Co. darüber bestimmen, welche Nachrichten hunderte Millionen Menschen zu Gesicht bekommen. Gawker-Gründer Nick Denton beschreibt dieses düstere Szenario in einem offenen Brief an Thiel, den er zu einer öffentlichen Debatte aufforderte: "Der Welt ist bereits unbehaglich angesichts der unkontrollierten Macht der Milliardärs-Klasse, der Anhäufung des Reichtums im Silicon Valley und des Einflusses der Technologie auf die Medien."

Thiel selbst, der die Gawker-Journalisten einmal mit Terroristen verglich, sieht sich als Rächer im Namen all derer, die von der Website schlecht behandelt wurden, sich aber nicht zu wehren trauten oder konnten. Es sei eine seiner bedeutenderen Wohltätigkeits-Aktionen gewesen, sagte der Mitgründer des Bezahldienstes PayPal der "New York Times". Von so manchem Kollegen aus dem Silicon Valley erntete er dafür Zuspruch. "Danke, Peter Thiel", schrieb schlicht die Mitbegründerin der bekannten Start-Up-Plattform Y Combinator, Jessica Livingston bei Twitter. Auch Internet-Investor Chris Sacca applaudierte Thiel. "Den Clickbait-Journalisten müssen Lektionen erteilt werden", schrieb bei Twitter ein anderer Milliardär und Internet-Investor, Vinod Khosla. In der Presse gebe es heute zuwenig Ethik.

Clickbaiting wird die Praxis genannt, Leser mit attraktiven Überschriften zum Anklicken eines Artikels zu motivieren - wobei der Inhalt dabei oft eine untergeordnete Rolle spielt. Gerade bei kostenlos zugänglichen Medienwebsites sind Klicks die Währung - mehr Leser heißt mehr Chancen auf Werbeerlöse. Dafür müssen Inhalte her. Mindestens fünf Posts pro Tag und eine Million Leser pro Monat - das sei die Vorgabe für Schreiber bei einem anderen großen Online-Medium gewesen, schrieb jüngst eine frühere Mitarbeiterin. Die "Gawker"-Blogs trieben dieses Modell zur Perfektion.

"Wir brauchen keine Lektionen oder Ethik von einem Milliardär, der mit uns noch ein Hühnchen zu rupfen hat", konterte die Tech-Journalistin Kara Swisher, die mit ihrem Blog "Recode" zu den kritischen Stimmen im Silicon Valley gehört und unter anderem bei Yahoo wegen ihrer guten Quellen ziemlich unbeliebt ist. Khosla bekam in den vergangenen Jahren selbst seine Tracht Prügel in den Medien: Er kaufte ein Grundstück in Kalifornien und sperrte dann den Zugang zu einem beliebten Strand. Seitdem streitet er mit den Behörden. Gawker titulierte ihn deshalb als "Milliardär und wahren egoistischen Bastard".

Pressefreiheit in Gefahr?

Die US-Medien sind neben der im ersten Zusatzartikel zur Verfassung zugesicherten Pressefreiheit auch durch Präzedenz-Urteile wie New York Times gegen Sullivan von 1964 weiträumig vor Klagen von Personen des öffentlichen Lebens geschützt. Doch während die Internet-Firmen immer reicher werden und die Medien-Unternehmen an Boden verlieren, entsteht ein neues Kräfteverhältnis. "Der erste Zusatzartikel droht zum Opfer der digitalen Revolution zu werden", schrieb der Rechtsexperte Thomas Rubin in einem Gastbeitrag bei "Recode".

Er forderte vor allem Facebook auf, entschiedener für die Meinungsfreiheit einzutreten. Das weltgrößte Online-Netzwerk geriet zuletzt - nach einem Bericht im Gawker-Blog "Gizmodo" - in den Verdacht, Nachrichten über Konservative in seinen Trends unterdrückt zu haben. Eine interne Untersuchung fand kein systematisches Vorgehen - aber der Spielraum für Entscheidungen einzelner Mitarbeiter wurde gekappt. Thiel, der den umstrittenen republikanischen Präsidentschaftsanwärter Donald Trump unterstützt, der seinerseits die Presse zügeln will, sitzt übrigens als früherer Investor im Facebook-Verwaltungsrat.

Der Fall Gawker spaltet die Tech-Welt in zwei Lager. Ein anderer Milliardär, Ebay-Gründer Pierre Omidyar, will Unterstützer-Briefe von Medienunternehmen für Gawker organisieren. Man müsse "selbst widerwärtige Presse" schützen, argumentierte er wenig schmeichelhaft für das Blog-Netzwerk. Und auch der ebenfalls milliardenschwere Amazon-Gründer Jeff Bezos, der vor zweieinhalb Jahren für 250 Millionen Dollar die "Washington Post" kaufte, zeigte wenig Sympathie für Thiels Vorgehensweise. Als Person des öffentlichen Lebens müsse man sich eine dicke Haut zulegen, denn man könne unangenehme Berichte sowieso nicht stoppen, sagte er bei einer "Recode"-Konferenz in der Nacht zum Mittwoch. Die amerikanische Gesellschaft gründete sich auch darauf, dass Leute "hässliche Dinge" sagen dürften. (dpa/fm)