Fachkonferenz: Neue Produkte in der digitalen Welt

Ein "bisschen" Digitalisierung geht nicht

04.02.2016
Von 
Beate Wöhe leitete als Director Experts Network das IDG Experten-Netzwerk für alle Online-Portale der IDG Tech Media GmbH. Sie hatte diese Position nach über zehnjähriger Tätigkeit als Redakteurin und leitende Redakteurin des IDG-Titels ChannelPartner im Juli 2014 übernommen. 
Viele Fragen gibt es für Unternehmen zu klären, bevor sie den Schritt in die Digitalisierung gehen. Auf der Fachkonferenz "Neue Produkte in der digitalen Welt" des Münchner Kreis und der Heinz Nixdorf Stiftung erhielten die Teilnehmer Antworten und Vorschläge für mögliche Vorgehensweisen.

Kein Licht ins Dunkel, aber vielleicht einige Lichtblicke brachten zahlreiche Referenten zum Thema Digitale Transformation auf der Fachkonferenz "Neue Produkte in der digitalen Welt". Moderiert von Michael Dowling, Vorsitzender des Vorstandes des Münchner Kreis, wurden vor allem die Branchen Fertigungsindustrie, Finanzdienstleistungen, Gesundheitswesen und Logistik angesprochen.
Auch in diesen Geschäftsbereichen wachsen immer mehr neue digitale Wettbewerber aus dem Boden, die viele Unternehmen bisher als Konkurrenten noch gar nicht auf dem Schirm hatten.

Neben Datenbrillen sind vernetzte Arbeitshandschuhe derzeit das sichtbare Sinnbild der digitalen Transformation in der Fertigungsindustrie.
Neben Datenbrillen sind vernetzte Arbeitshandschuhe derzeit das sichtbare Sinnbild der digitalen Transformation in der Fertigungsindustrie.
Foto: Münchner Kreis

Angst vor Kannibalisierung

Laut einer Oxford Economics-Studie bewegen sich 70 Prozent der Unternehmen bei ihrem Fortschritt zur Digitalisierung innerhalb der ersten drei Stufen von fünf. "Technologisch existieren noch zu viele siloartige Systeme. Die Zukunft sind verbundene Systeme, die sich untereinander verstehen", sagt Ulrich Ahle, der beim Dienstleister Atos IT Solutions and Services GmbH beschäftigt ist.
Doch genau mit dem Thema der sich untereinander verständigenden Produkte hat so mancher mittelständischer Betrieb schon im Vorfeld sein Problem. Systeme, die sich untereinander verstehen, kann bedeuten, mit anderen Unternehmen zusammenarbeiten zu müssen - ob Freund oder Feind. Vor allem für den Mittelstand ist es keine Selbstverständlichkeit, mit einem Wettbewerber zu kooperieren: "Da hakt es doch schon, noch bevor wir die erste Programmzeile geschrieben haben", entgegnet Bettina Horster, von der Vivai Software AG in der Diskussion.

Darüber hinaus tauchen viele weitere Fragen auf, die zum Teil während der Konferenz von den Referenten oder den Teilnehmern angesprochen wurden:

  • Was passiert mit dem Außendienst, wenn der Kunde eine Versicherung oder einen Kreditvertrag in zwei Minuten über sein Smartphone abschließen kann?

  • Müssen alle Produkte ab sofort miteinander kommunizieren können?

  • Taugen die vorhanden technischen Möglichkeiten überhaupt für eine Umstellung?

  • Wo ist das geeignete Personal zu finden?

  • Wer hat innerhalb einer Kooperation die Kontrolle über welche Daten?

  • Obsoleszenz bei vernetzten Geräten: Wer haftet für welchen Teil?

Warum nicht ein Startup?

Zu diesen Fragen lieferten die Referenten einige Denkanstöße. Geben es die vorhandenen technischen und sonstigen Mittel her und steht auch die Belegschaft hinter der Entscheidung, kann das Projekt umgesetzt werden. Aber in manchen Fällen kann es auch sinnvoll sein, sich Gedanken über die Gründung eines Startups zu machen. Dadurch befasst sich ein unabhängiges Team parallel mit einem völlig neuen Produkt, das für ein digitales Umfeld entwickelt wird. Unabhängig davon läuft der gewohnte Geschäftsbetrieb im alten Unternehmen weiter. Dieses Vorgehen kann dazu dienen, Ruhe in die Belegschaft bringen. Ein solches Beispiel stellte Peter Sany, der das Projekt damals als CITO bei dem Versicherer Swiss Life begleitete, vor.

Doch es gibt auch Beispiele aus dem Mittelstand, die bereits einen großen Schritt in der digitalen Umsetzung gemacht haben. So berichtete Sebastian Saxe, CIO der Hamburg Port Authority (HPA), von dem Projekt smartPORT logistics, das sich mit der Beschleunigung diverser Logistikprozesse im Hamburger Hafen beschäftigt. Saxe wurde dafür auch zum CIO des Jahres 2015 in der Kategorie Mittelstand gekürt.

Ebenfalls aus der Praxis berichtete Martin Vetter. Als Projektmanager für Strategie und Innovation beim TÜV Süd kann er das Thema Digitalisierung sowohl aus Anbieter als auch aus der Anwendersicht beleuchten. Während der TÜV Süd mit dem Digital Service-Programm Unternehmen bei ihrem Weg in die digitale Transformation begleitet, sucht der eigene Servicebereich neue Möglichkeiten, Angebote mehr zu digitalisieren. Ein Beispiel dafür sind Drohnen, die mit Kameras ausgestattet sind, um Rotorblätter an Windenergieanlagen zu inspizieren. Diese Entwicklung soll den menschlichen Einsatz von Industriekletterern ersetzen.

Als allgemeines Fazit konnten die Konferenzteilnehmer mitnehmen, dass Digitale Transformation nicht nebenher gehen kann. Das Thema muss in den Fokus und die Mitarbeiter müssen mitgehen - und zwar alle.

Weitere Informationen:
Industrial Data Space e.V.: Gegründet wurde diese strategische Initiative, an der sich 18 Unternehmen und Organisationen, darunter 12 Fraunhofer-Gesellschaften beteiligen, gerade erst im Februar dieses Jahres.

Smart Service Welt: Informationsplattform des Bundeswirtschaftsministeriums

Münchner Kreis: Am 29. Juni 2016 Veröffentlichung der Studie "Neue Produkte in der digitalen Welt". Durchgeführt vom Münchner Kreis in Zusammenarbeit mit der Heinz Nixdorf Stiftung und der Universität Regensburg. (bw)