Beratergeschichten

Ein Anruf aus Bangalore rettet schwäbische SAP-Einführung

27.05.2010

Kein Zugriff auf das System. Alles umsonst?

Nun ist Herr Rajiv Kalmers letzte Hoffnung. Für ihn hat er sich mit Luftmatratze und Schlafsack hier auf die Lauer gelegt, um den Anruf nicht zu verpassen. Hat die Techno-Bässe von der Gartenparty aus der Nachbarschaft ertragen. Kalmer beschwert sich nicht. Er hat gewusst, worauf er sich einlässt. Ständig neue Herausforderungen und die Aufgabenvielfalt, deswegen ist er vor acht Jahren in die IT-Beratung gewechselt. Bereut hat er es nicht. Die Arbeit mit Menschen, die Arbeit mit Technologie - für den promovierten Physiker und passionierten Wanderer macht das den Reiz seines Jobs aus.

Von den gängigen Vorurteilen gegenüber dem Beraterjob - Sieben-Tage-Woche, kein Familienleben, immer auf Achse - hält er nicht viel. Weil er weiß, dass es auch anders geht. Den Samstag hält er sich frei, meist auch den Sonntag. Die Familie ist ihm wichtig, wie Geselligkeit überhaupt. Einmal in der Woche singt er im Chor, begleitet seine Frau, eine Orchestermusikerin, zu Konzerten. Oft hat er sogar Zeit, Fremdsprachen zu lernen. Polnisch, Dänisch und Italienisch hat er sich beigebracht.

Uwe Kalmer ist gelassener geworden in den letzten Jahren, hat gelernt, kühlen Kopf zu bewahren und auch mal Nein zu sagen.
Uwe Kalmer ist gelassener geworden in den letzten Jahren, hat gelernt, kühlen Kopf zu bewahren und auch mal Nein zu sagen.

Jetzt sitzt er hier im Pausenraum und wartet darauf, dass der Mann aus Bangalore das Problem löst. Der hört sich alles genau an, unterbricht Kalmer mit Zwischenfragen. Nach knapp einer Stunde steht fest: Der Inder bekommt keinen Zugriff auf das System. Kalmer wird blass. War alles umsonst - das Warten, die strapazierten Nerven, die zig Seiten an Fehlermeldungen und Reports? Man einigt sich, in drei Stunden wieder miteinander zu telefonieren; bis dahin soll die Remote-Verbindung stehen. Kalmer beschließt, erst einmal zu frühstücken. Soviel Zeit muss sein, denkt er, die Kollegen in Bielefeld beginnen ohnehin erst in einer Stunde. Dann müssen die ran und die Verbindung herstellen.

Uwe Kalmer ist gelassener geworden in den letzten Jahren, hat gelernt, kühlen Kopf zu bewahren und auch mal Nein zu sagen. Früher wurde er in kritischen Situationen von Nervosität gepackt. Oft hat er dem Kunden zu schnell nachgegeben, findet er heute. Doch wer als Berater erfolgreich sein will, muss sein Terrain behaupten, manchmal auch um den Preis der Eskalation. Das hat er, der auf Ausgleich Bedachte, erst lernen müssen. So wie in einem seiner ersten Projekte. Die Kundenanforderungen waren in der vorgegebenen Zeit nicht zu schaffen. Hinzu kamen persönliche Querelen zwischen den Beteiligten. Als Kalmer seinen Projektleiter vertrat, geriet auch er in die Schusslinie. Bis dahin für die Stammdatenpflege zuständig, nahm er im Projekt nun Führungsaufgaben wahr. Infolgedessen wurden seine Leistungen anders abgerechnet als bisher. Der Kunde hatte dafür kein Verständnis und ging ihn hart an. Heute würde er sich das nicht mehr bieten lassen.