Auftragsrückgang der DV-Industrie in diesem Jahr wird signifikante Auswirkungen auf 1986 haben:

Eigendynamik des Wachstums gerät außer Kontrolle

13.12.1985

FRANKFURT - Das Wachstum der PC-Branche mündete dieses Jahr in ein Desaster. Börse und auch Industrie glaubten anscheinend fest, der Aufwärtstrend von 1982/83 werde sich ungehindert fortsetzen - doch in der Euphorie wurden die Gesetzmäßigkeiten des Marktes vergessen. Aber auch bei Herstellern großer und mittlerer Rechner zeigen sich Ermüdungserscheinungen. Anhand einiger Fallbeispiele wird aufgezeigt, wie die Finanzwelt die weitere Entwicklung der Informationsbranche einschätzt.

Fast 100 Unternehmen - allesamt Anbieter von IBM-kompatiblen Personal Computern und überwiegend finanziert aus dem übervollen amerikanischen "Venture-Capital"-Topf, der übrigens auch fleißig aus europäischen Quellen gefüllt wird - verkündeten im Herbst 1984 lauthals, sie würden sich bis zu zehn Prozent vom großen Kuchen abschneiden. Damit fanden sie offene Ohren bei vielen Marktstrategien, Anlegern und Investoren, die im Rausch um Prozente und Gewinne wohl allzu bereitwillig übersahen, daß am Markt für arbeitsplatzorientierte Kleinrechner kein Platz für derart viele Anbieter sein kann.

Diese Wachstumseuphorie generierte ihre Eigendynamik, die sehr rasch außer Kontrolle geriet. Dabei zwingt gerade eine solche Situation nach Ansicht von Eugen Starr von Moseley zu erhöhter Vorsicht. Dem gesamten Aufwärtstrend habe die notwendige gesamtwirtschaftliche Unterstützung gefehlt. Man habe auf Sand gebaut, und bei der geringsten Erschütterung drohe das Kartenhaus nun in sich zusammenzustürzen.

Eine Reihe von psychologischen Momenten geben ebenfalls zu denken. Industrie und Börse glaubten offensichtlich lange Zeit, die rasante Aufwärtsbewegung der Jahre '82/ '83 sei durch nichts zu bremsen. Entsprechend hochgestochen waren die Erwartungen. Dies alles schafft ein Klima, in dem rationales, an Gesetzmäßigkeiten des Marktes orientiertes Handeln allzuleicht in Vergessenheit gerät. Anfang 1984, als die Wachstumsraten noch einmal anzogen und viele Unternehmen kräftig expandierten, um dem antizipierten Nachfragedruck gerecht zu werden, schlugen so manche Entscheidungsträger der Computerbranche alle Warnungen aus Finanz- und Börsenkreisen in den Wind und setzten bedingungslos auf aggresive Markt- und Kreditpolitiken. Nicht wenige manövrierten dabei gesunde Unternehmen ins endgültige Aus.

Aus heutiger Sicht mutet das Resümee der letzten zehn bis zwölf Monate fast wie ein Lehrbuchbeispiel an. Zahlreiche neue, aber auch bereits etablierte Unternehmen, die sich am PC-Markt engagiert hatten, wollten möglichst schnell zum Konsumenten vordringen. Von diesem hieß es in vielen Beiträgen in der DV-Presse, aber auch in Börsenkreisen, er warte nur auf das Angebot. Das Anlaufen der Produktion wurde forciert. Nicht selten expandierte man schon, bevor auch nur ein einziger Rechner beim Kunden untergebracht war. Das Wachstum basierte in erster Linie auf vagen Absichtserklärungen des Handels und antizipierten Kaufneigungen potentieller Kunden.

Der Drang zu großen Stückzahlen wurde durch eine aggressive Preispolitik, die hohe "economies of scale" in ihre Kalkulation einbezog, verstärkt. Dies führte zu prallen Auftragsbüchern bei der Zulieferindustrie, was hier wiederum Anlaß zu einer expansiven Unternehmenspolitik war.

Aufträge wurden aufgestockt

Unternehmen - auch anderer Bereiche -, die elektronische Bauteile benötigen, sahen sich daraufhin oft gezwungen, ihre Aufträge an die Halbleiterproduzenten wesentlich aufzustocken. Dies geschah weniger aus prozeßtechnischen oder betriebswirtschaftlichen Überlegungen als aus Angst, ansonsten bei der Zustellung leer auszugehen. Die Halbleiteranbieter sahen sich wegen des großen Andrangs in der glücklichen Lage, nicht verkaufen zu müssen; sie verteilten lediglich die Ware.

Die Halbleiterindustrie erhöhte ihre Ausbringkapazitäten, um dem Nachfragedruck gerecht zu werden. Die berühmte Aufwärtsspirale begann sich zu drehen. Sie erfaßte sehr rasch fast alle Technologiebereiche von den Mikroprozessoren über Speicherbausteine bis hin zur Peripherie. Solche Wachstumsspiralen haben es in sich, in luftigen Höhen immer breiter und damit letztlich auch schwerer zu werden. Somit ist es lediglich eine Frage der Zeit, bis die Basis unter der Last der Aufbauten zusammenbricht.

Überzogene Erwartungen

Als IBM dann auch im Mikrobereich die Muskeln spielen ließ und sich auf Anhieb einen signifikanten Marktanteil sichern konnte, begann für viele der Anfang vom Ende. Gleichzeitig wurde immer mehr Anwendern klar, daß ihre Erwartungen überzogen waren und daß Hardware einerseits und Software andererseits noch lange keine optimale Systemlösung ergaben, zumal in beiden Fällen Ankündigungen und Realität auseinanderklafften.

Es kam zu erheblichen Wachstumseinbrüchen und die PC-Industrie näherte sich sehr schnell der aus technischer Sicht realistisch erscheinenden 30-Prozent-Trendlinie. Diese hatten seriöse Wertpapier-Experten schon vor Jahresbeginn als denkbares Entwicklungsmuster prognostiziert. Die Umsätze mancher Unternehmen gingen über Nacht genauso dramatisch zurück, wie sie vorher emporgeschnellt waren. Gute Beispiele für solche Schicksale sind Osborne, Franklin und Eagle.

Nun begriffen auch die institutionellen Anleger, die erfahrungsgemäß der eigentlichen Entwicklung immer etwas hinterherhinken, daß das Aufnahmevermögen des Marktes wesentlich restriktiver beurteilt werden muß, als sie es bisher angenommen hatten. Spätestens Anfang 1985 hätte es dann dem letzten Anlageberater klar sein müssen, daß die Party gelaufen war und man ans Aufräumen gehen mußte: Es gab zu viele Halbleitermodule, zu viele Winchesterstationen und Diskettenlaufwerke und eine Übermenge an bereits montierten Systemen jeder Couleur. Der Handel war wegen des unbefriedigenden Weihnachtsgeschäfts bis oben hin vollgestopft. Ein erbarmungsloser Preiskampf um die Gunst des Kunden setzte ein, und viele Marginalunternehmen wurden durch den Totalzusammenbruch von den Leiden eines langsamen Dahinsiechens befreit. Dennoch gibt es heute immer noch zu viele Anbieter, und die eigentliche Marktbereinigung hat gerade erst begonnen.

In diese unruhige Zeit platzte eine neue Ankündigungswelle, auf der fast alle großen Mainframe- und Minicomputerhersteller mitschwammen, allen voran die beiden Marktführer IBM und Digital Equipment. IBM stellte die 3090 und das /36-Kompaktsystem vor, DEC die Venus und die MicroVAX II. Der Anwender war nun vollends verunsichert, und er tat das, was man in solchen Situationen zu tun pflegt: Nichts!

Der Auftragsrückgang, der in der ersten Hälfte bei fast allen amerikanischen DV-Anbietern zu verzeichnen war, wird auf das Ergebnis des gesamten laufenden Geschäftsjahres zurückschlagen und zudem signifikante Auswirkungen auf 1986 haben, meint Prudential-Bache. Dabei sollte beachtet werden, daß die aktuellen Notierungen an den wichtigsten Wertpapierbörsen die anhaltende Marktschwäche noch nicht voll widerspiegeln. Unternehmen wie IBM, DEC, Apollo oder Prime, die derzeit gute Umsätze realisieren, verdanken dies zum Großteil der starken internationalen Nachfrage.

Vieles spricht allerdings dafür, daß die internationale Konjunktur der amerikanischen mit einer bestimmten Zeitverzögerung folgen wird und daß demnach mit einem Nachfragerückgang zu rechnen ist. Dies wird unter anderem am Fall Hewlett-Packard deutlich, wo das internationale Geschäft in Europa konzentriert ist. Hier schlugen die historisch schwachen Monate Juli und August bereits stark zu Buche. Bei vielen Unternehmen sind die Auftragsbestände derzeit zu dünn, daß die Eingänge des dritten und vierten Quartals allein über Umsatz und Gewinn bestimmen werden.

Nach Ansicht von Bache haben wir es mit einer Nachfrage-orientierten Wachstumsphase zu tun. In solchen Phasen sind traditionell drei Aspekte von Bedeutung:

1. die Wachstumserwartungen der Investoren = Anwender von Informationstechnologien,

2. die Produktivitätserwartungen,

3. das Preis/Leistungs-Verhältnis neuer Produkte.

Zu 1: In diesem Jahr ist es zu einem wesentlichen Korrekturprozeß bei den Wachstumserwartungen der US-Industrie gekommen. Die relative Stärke des Dollar verschaffte Importprodukten komparative Wettbewerbsvorteile, was sich naturgemäß negativ auf den Inlandsabsatz auswirkt. Es kam zu Produktionsstops, Fabrikstillegungen und Massenentlassungen. Wenn ein Unternehmen Mitarbeiter entläßt, kann dies wohl nicht als Anzeichen dafür gewertet werden, daß dieses Unternehmen demnächst eine größere Anzahl neuer Terminals, Workstations oder Minicomputer anschaffen wird.

Zu 2: Was die Produktivitäts- und Rentabilitätsaspekte anbelangt, so muß man unterscheiden, um welche Anwendungen es sich handelt. Bei technisch-wissenschaftlichen Systemen, die zum Beispiel für CAD/ CAM/CAE oder CIM ausgelegt sind, ist es nicht unüblich, daß der Benutzer bereits nach zwölf Monaten die Ersatzinvestitionen wieder eingefahren hat. Diese Anwendungen lassen sich demnach kaum mit Überlegungen, die auf die Wachstums-Erwartungshaltung abzielen, beurteilen. Ganz anders im Bürobereich. Hier wurde mit großen Ankündigungen - Büro 2000 etc.- eine Menge an Erwartungen geweckt, die bisher kaum gerechtfertigt werden konnten. Dennoch handelt es sich auch hier um ein Marktsegment, bei dem ein absolutes Wachstum innerhalb einer Unternehmung nicht notwendig ist, um einen zusätzlichen Nachfragedruck (aus Produktivitätsgründen) zu erzeugen.

Es gibt allerdings einen gewichtigen Hemmschuh: Die großen Märkte, die durch Produktionsvorteile angeheizt werden könnten, scheinen durch Softwareengpässe stark behindert. Die Hardware ist am Markt, es fehlt jedoch an qualifizierter Software und an leistungsfähiger Kommunikationstechnologie .

Zu 3: Die Markteinführung eines neuen Produktes mit einem signifikant besseren Preis/Leistungs-Verhältnis kann nicht nur neue Applikationsmärkte öffnen, sondern auch Anwender, die bisher vor allem aus Kostengründen die Anschaffung neuer Systeme nicht rechtfertigen konnten, zum Kauf animieren. Der PC ist hierfür ein gutes Beispiel. 1986 werde es die MicroVAX 11 von DEC sein, meint Bache. Allerdings wird der Erfolg dieses Systems wesentlich stärker von der allgemeinen konjunkturellen Entwicklung abhängen, als dies bei Personal Computern und Arbeitsplatzrechnern der Intel-8088/8086-Klasse der Fall ist.

VAX II macht sich Konkurrenz

Der PC hatte keinen negativen Einfluß auf das sonstige Geschäft von IBM. Dies wird bei der MicroVAX II nicht so sein. Sie steht in einem mehr oder weniger starken Konkurrenzverhältnis zur traditionellen Minicomputer-Linie von Digital Equipment. Demnach kann es nur dann zu einem realen Wachstumsplus kommen, wenn die Zuwächse, die mit der MicroVAX II erzielt werden können, über dem bisherigen Trend liegen. Mit anderen Worten: Selbst für eine hochwertige Minicomputer-Konfiguration mit einem attraktiven Preis/ Leistungs-Verhältnis bedarf es 1986 der Unterstützung durch allgemeine - sprich: im wesentlichen Technologie-unabhängige - Marktkräfte.

Zusammenfassend kann man sagen, daß die Wall-Street-Analytiker auf der Basis der heute verfügbaren Daten mehrheitlich die Ansicht vertreten, daß die Erfolgsaussichten der Technologie- und Informationsunternehmen im nächsten Jahr zu einem sehr wesentlichen Teil durch die allgemeine wirtschaftliche Lage in den wesentlichen Volkswirtschaften beeinflußt werden. Weder die zu erwartenden Produktivitäts- und Rationalisierungseffekte noch die Preiselastizität der einzelnen Produkte könnten die Branche aus eigener Kraft auf einen Kurs bringen, der sich signifikant von der Entwicklung der übrigen Sektoren der US-Industrie abkoppeln würde.

Bei IBM werden auch 1986 die Zeichen auf Erfolg stehen. Eine weitere Steigerung der Umsätze werde durch neue Systeme, Aufrüstungsmöglichkeiten und zusätzliche Software in fast allen Produktbereichen unterstützt. Dennoch werde sich auch beim Marktführer der zu erwartende Gewinn je Aktie nicht ganz von der allgemeinen konjunkturellen Entwicklung lösen können, obschon die Korrelation zwischen beiden Größen bei IBM wesentlich schwächer als im Branchendurchschnitt sein werde.

DEC mit guten Karten

DEC habe ebenfalls gute Karten, sowohl am oberen als auch am unteren Ende der Leistungsskala der Minicomputer fleißig mitmischen zu können. Im Vergleich zu IBM besteht jedoch ein wesentlich stärkerer Rückkopplungseffekt auf die eigene Produktlinie. Dieser könne sehr schnell auch auf das Angebot anderer Hersteller überschwappen. Vermutlich werde es bis Mitte 1986 dauern, bis die Umsätze richtig anziehen. Nach Ansicht von Shearson/ American Express ist DEC das laufende Geschäftsjahr (1985) mit einer ziemlich aggressiven Produkt- und Vertriebspolitik angegangen, die bereits erste Erfolge zeige.

Nach zwei Rezessionsjahren war 1984 durch eine starke Rekonvaleszenzphase gekennzeichnet, die auch in den ersten Monaten dieses Jahres anhielt. Trotz einer insgesamt leicht überalterten Produktpalette und ständigen Gerüchten um technische Probleme und Terminschwierigkeiten bei den Nachfolgemodellen, konnte das Auslieferungsvolumen insgesamt um 34 Prozent gegenüber dem Vorjahresergebnis gesteigert werden.

Digital strafte aber alle bösen Zungen Lügen und brachte seine neuen Systeme nicht nur termingerecht, sondern in ihrem Leistungsverhalten auch konform zu den Ankündigungen auf die Schiene. Die Auftragseingänge dokumentierten eine sehr positive Aufnahme durch den Anwender, die Zielvorgaben wurden nach Angaben eines Firmensprechers in den meisten Märkten übertroffen. Andererseits kam es bei der übrigen Angebotslinie - wie übrigens bei fast allen amerikanischen DV-Herstellern - zu zum Teil erheblichen Einbrüchen.

In Börsenkreisen geht man davon aus, daß DEC 1986 eine insgesamt defensivere, vor allem auf Sicherung angestammter Märkte ausgerichtete Unternehmenspolitik betreiben werde. Intern werde Digital Equipment wohl darangehen müssen, die bestehende Kostenstruktur zu überprüfen und in einigen vertikalen Bereichen eine höhere Produktivität durchzusetzen.

Aus der Sicht der Börse gibt es eigentlich nur eine mögliche "Zweckehe" gegen IBM: AT&T und DEC - alles andere wäre, so sehen es die meisten Wall-Street-Kommentatoren, bloße Kosmetik. Ein engeres Zusammenrücken dieser Unternehmen würde die aktuellen Kräfteverhältnisse an fast allen Märkten der Informationstechnologie in einer Weise verändern, wie es derzeit keine andere Wirtschaftlichkeit, ja nicht einmal ein Zusammenschluß von mehreren anderen DV-Herstellern, bewirken kann.

AT&T kann nach Ansicht weiter Kreise der amerikanischen Finanzwelt in angestammte IBM-Segmente vordringen, die DEC bisher immer verschlossen blieben. Die Produktpalette von Digital sei wesentlich "stromlinienförmiger" und eigne sich besser für dezentralisierte Konfigurationen mit umfassenden Kommunikationskonzepten als jene des blauen Marktführers. DEC sei als eigenständiger Anbieter jedoch zu schwach, um der gesamten Informationsindustrie richtungsweisende Impulse zu geben.

Ganz anders AT&T. Hier findet man die derzeit wohl beste Expertise in Sachen Telekommunikation. Zudem könne der Konzern mit einer breiten Unterstützung aus der gesamten Branche rechnen, wenn es darum gehe, neue Netzwerkstandards gegen IBM durchzuboxen. Ihm fehlt jedoch die Intstallationsbasis.

Über die Entwicklungschancen deutscher Unternehmen der Technologiesparte schweigt sich Wall Street aus. Diese Firmen finden äußerst selten Eingang in die Bewertungen und Kommentare amerikanischer Börsenanalytiker, was nicht nur auf der teilweise recht chauvinistischen Einstellung führender US-Wertpapierhändler liegt, sondern auch am mangelnden Interesse der Anleger und der Börse für deutsche Titel. Wir sind also auf die Berichterstattung in der nationalen Wirtschafts- und Fachpresse sowie auf die Ausarbeitungen der Banken angewiesen.

Nixdorf: Hohes Wachstum

Nixdorf wird dort ein exzellentes, über dem Branchendurchschnitt (zehn- bis 15prozentiges) liegendes, Wachstum bei kontinuierlicher Produktivitätssteigerung bescheinigt. Das Unternehmen habe es frühzeitig verstanden, seine Produkt- und Vertriebsstrategie auf die dezentralisierte Datenverarbeitung und eine weitergehende Anwenderorientierung hin auszurichten. Für alle Systemfamilien steht standardisierte Software zur Verfügung, was zu einer großen Dienstleistungsintensität beiträgt. Positiv hervorgehoben wird aber auch die hohe Eigenkapitalquote, die eine solide Basis für eine weitere Expansion abgeben könne. Nixdorf investiert rund neun Prozent des Umsatzes in F+E-Aktivitäten und ergänzt sein diesbezügliches Engagement zusätzlich durch internationale Kooperationen.

Deutsche Finanzkreise verfolgen die Anstrengungen des Unternehmens im Telekommunikationssektor mit besonderem Interesse. Nach Angaben von Insidern soll diese Sparte mittelfristig bis zu 50 Prozent zum Umsatz beitragen. Ebenso positiv wertet man die geschickte Marktnischenpolitik und die ausgeglichene Kundenstruktur (60 Prozent Großkunden, 40 Prozent mittelständische Anwender). Komparative Wettbewerbsvorteile, die durch eigene, marktnahe Vertriebs- und Dienstleistungsnetze abgesichert sind, seien eine zusätzliche Garantie für eine erfolgreiche Zukunft. Über die kontinuierliche Erschließung der angestammten Abssatzgebiete hinaus werde das Engagement im ostasiatischen Raum weiteres Wachstumspotential eröffnen. Nixdorf werde allerdings an der unbefriedigenden Geschäftslage in den USA zu knabbern haben und müsse sich darauf einstellen, auch in Europa in einzelnen Teilbereichen sehr harte Konkurrenzkämpfe überstehen zu müssen.

Siemens peilt nach eigenen Angaben, die aus deutschen Bankenkreisen bestätigt werden, im laufenden Jahr neue Umsatz- und Ergebnisrekorde an. Gleichzeitig soll die Umsatzrendite auf 2,4 Prozent verbessert werden. Insgesamt geht die hiesige Finanzwelt davon aus, daß die Münchner in der Lage sein werden, auch zukünftig die bisherigen ausgezeichneten Bilanzrelationen zu halten. Dafür spreche, daß ein Großteil der Produkte in ausgesprochene Wachstumsmärkte vertrieben werde und daß das stark angestiegene Investitionsvolumen mit Schwerpunkt in Hochtechnologiebereichen auch 1985/86 beibehalten werden soll. Wie Nixdorf macht auch Siemens überproportionale Anstrengungen bei F+E-Aktivitäten, was sich in Zukunft wohl auszahlen dürfte.

Wenig Verständnis findet (auch) in Finanzkreisen die Entscheidung von Siemens, den eigenen PC haarscharf neben den allgemeinen Standard zu positionieren. Hier habe man ohne Not viel Potential dem Wettbewerb überlassen. Negativ bewertet werden zudem die ungenügende Kapazitätsauslastung in einigen Werken, die Verringerung des Zinssaldos durch das Absinken der liquiden Mittel sowie die Verluste bei der Transformatoren Union AG. Insgesamt wurden diese Kritikpunkte die positive Einschätzung der mittelfristigen Wachstumschancen jedoch nicht entscheidend beeinflussen.

*Dr. André Reuter ist Dozent an der Universität Heidelberg. Es handelt sich um einen Vortrag, den Reuter im Rahmen des "Diebold Forums 85" in Frankfurt gehalten hat. Das hier veröffentlichte Referat ist gekürzt um den Teil "Technische versus fundamentale Börsenanalysen: Methoden und Verfahren sowie ihre Brauchbarkeit für Trendaussagen außerhalb der reinen Anlagestrategie".