Eifeler Softwarehaus realisiert offene Loesung Papierarme Auftragsbearbeitung bei einem Pappartikelvertreiber Von Manfred Schumacher*

10.12.1993

Ein gewachsenes Beleg- und Bearbeitungsvolumen, zudem gestiegene Anforderungen an die Bearbeitungsgeschwindigkeit und Informationsverfuegbarkeit veranlassten den Pappartikelvertreiber Papp-Star aus Kall in der Eifel Anfang dieses Jahres zum Umstieg auf ein Dokumentenverwaltungs- und Informationssystem auf Client- Server-Basis.

Die Papp-Star, ein mittelstaendisches Unternehmen mit zirka 500 Beschaeftigten mit Sitz in Kall in der Eifel, ist Vertreiber von Artikeln fuer den taeglichen Bedarf. Die Angebotspalette reicht von Papptellern und -schalen ueber Servietten und Gefrier- und andere Beutel bis hin zu Geschenkpapier und Kosmetiktuechern. Bis Anfang dieses Jahres wurde im Unternehmen die Auftragsabwicklung im Kreditgeschaeft von sieben Mitarbeitern erledigt. Drei Mitarbeiterinnnen waren fuer die Archivierung zustaendig, waehrend vier Mitarbeiter im Bereich der Rechnungspruefung eingesetzt wurden.

Fuer Anfragen taeglich rund sechs Stunden

Das taeglich anfallende kaufmaennische Schriftgut von zirka 3000 Seiten einschliesslich Bestellungen, Lieferscheinen, Rechnungen, Gut- und Lastschriften fuellte jaehrlich mehrere hundert Archivordner. Diese wurden von einer Halbtagskraft manuell registriert, einsortiert und in der abteilungsnahen Registratur fuer den "schnellen" Rueckgriff zwischengelagert. Die Kundenregistratur, die das Schriftgutvolumen eines Geschaeftsjahrs direkt verfuegbar haben sollte, quoll durch das gestiegene Auftragsvolumen aber bereits lange vor Jahresfrist ueber, so dass die abgelegten Bestellvorgaenge einschliesslich Rechnungen ins entfernt gelegene Hochregallager ausgelagert wurden. Die Such- und Wiedervorlagearbeiten bei Anfragen zu Gut- und Lastschriften wurden von Fach- und Hilfskraeften durchgefuehrt und beliefen sich taeglich auf rund sechs Stunden bei steigender Tendenz.

Zu diesem Zeitpunkt erkannte die Geschaeftsleitung, dass sich angesichts des rasch wachsenden Bearbeitungsumfangs ein leistungsfaehiger Kundenservice sowie die rasche, zuverlaessige Auftragsabwicklung nur unter Verwendung modernster Informationstechnologie aufrechterhalten liess. Zudem handelt es sich hierbei um geschaeftskritische Bereiche, von denen die Kundenzufriedenheit, der Geldeingang und die Wettbewerbsfaehigkeit des Unternehmens abhaengen. So werden im Rahmen der Auftragsabwicklung doch stets erhebliche Forderungen verwaltet, deren zuegige und korrekte Fakturierung Liquiditaet und Wirtschaftlichkeit des Unternehmens unmittelbar beeinflusst. Unter Wettbewerbsgesichtspunkten ebenso wichtig ist die richtige Ausfuehrung der Artikelbestellungen.

Nachdem der Entschluss zum Erwerb eines neuen Informationssystems feststand, haben die Verantwortlichen im Unternehmen, vornehmlich die Leiter der Rechnungspruefung und der Finanzbuchhaltung, die Anforderungen definiert, die das neue System erfuellen sollte. Wesentliches Ziel war die Einfuehrung einer "papier- beziehungsweise aktenarmen" Loesung, wobei man insbesondere die Arbeitsproduktivitaet der Mitarbeiter im Bereich der Auftragsnachbearbeitung verbessern wollte. Idealerweise sollte die kuenftige Loesung die bislang uneinheitlich verwalteten Beleg- und Datenberge komplett auf ein einziges Medium aufzeichnen und ueber das Informationssystem saemtlichen beteiligten Mitarbeitern an ihren Arbeitsplaetzen verfuegbar machen. Zudem sollte die Speicherung und Aufbewahrung faelschungssicher sein, den rechtlichen Bestimmungen entsprechen, neben Recherchezeit- und Platzeinsparungen die vorhandenen Arbeitsablaeufe optimieren und die bestehenden Unix-Strukturen ergaenzen. Da sich diese Anforderungen mit einem System auf Mikrofilmbasis nicht in vollem Umfang realisieren liessen, musste nach einer anderen Loesung gesucht werden.

Nachdem die globalen Ziele feststanden, wurden auf mehreren von der Frankfurter Beratungsfirma Orgaconsult Goetz Erlemann durchgefuehrten Workshops mit den Mitarbeitern der von den Veraenderungen betroffenen Abteilungen die Anforderungen an eine papier- und aktenarme Verwaltung definiert und durch entsprechende Arbeitsplatz-, Belegfluss- und Dokumentenanalysen ergaenzt. Bei der Technologiewahl fiel die Entscheidung zugunsten der optischen Informationsverwaltung. Zudem wurde als zusaetzliches wichtiges Kriterium fuer den Systemerwerb spezifiziert, dass die zu waehlende Loesung nicht nur die bisherige Organisation verbessern, sondern moeglichst auch allen kuenftigen Anforderungen gerecht werden sollte. Diese galt es folglich bereits in der Umstellungsplanung zu beruecksichtigen.

Nachdem das zustaendige Finanzamt die Ordnungsmaessigkeit des geplanten Aufbewahrungsverfahrens bestaetigt hatte, erstellten die Verantwortlichen ein Pflichtenheft. Als wichtigste Anforderungen wurden definiert: die Verbesserung der Mitarbeiterproduktivitaet, Integration in die vorhandene Unix-Systemumgebung, Verringerung der Kopienzahl und des Suchaufwands, Einsparung manueller Vorgaenge, Substitution von Papier sowie Freisetzen der belegten Buero- und Registraturflaeche.

Es folgte eine Ausschreibung auf der Basis des Pflichtenhefts. Neben der von High Tech Computer-Service aus Kall in der Eifel offerierten Loesung auf der Basis der DIP-Software "Infodok" standen das Produkt der Firma SER aus Neustadt/Wied und ein Angebot von Wang zur Auswahl, die in Vergleichstests auf Herz und Nieren geprueft wurden. Das Rennen machten die Spezialisten aus der Eifel. Ihre Loesung erwies sich als die flexibelste, sie verfuegte zudem ueber die am leichtesten zu erlernende und bedienende Benutzeroberflaeche.

Anforderungen an die papierarme Verwaltung

Der Computer-Service, der das Gesamtprojekt als Generalunternehmer betreute, beauftragte die deutsche Niederlassung von AID Computers S.A. in Koeln mit der Lieferung der Dokumenten-Management- Entwicklungsmodule. Als Netzwerk wurde Thin Ethernet verlegt, das zu gleichen Teilen aus RG58-Kabeln und Lichtwellenleitern besteht und als Protokoll TCP/IP nutzt. Darin vernetzt wurden fuenf Unix- Rechner. Drei dieser Systeme stammen von Motorola Computersysteme. Sie werden unter AT&T-Unix V.3 ausgefuehrt.

Im einzelnen sind dies eine Motorola 8864 QP als WWS-Rechner (Warenwirtschaft), eine Motorola 8640 DP als Datenbankrechner fuer die optische Archivierung und eine Motorola 8820 als Scannerrechner. Darauf angesprochen, warum sich High Tech fuer Rechner von Motorola entschied, nennt Gregor Falke, Prokurist und Leiter Programmentwicklung, deren herstellerunabhaengigen Charakter aufgrund ihrer Open-Systems-Ausrichtung. Zudem seien die Motorola- Rechner leicht an die Anforderungen eines Kunden anpassbar.

Der Anbieter vor Ort machte das Rennen

Die Reihe der Unix-Rechner, die im Rahmen des neuen Informationsverwaltungssystems zum Einsatz kommen, wird durch eine Unisys S-6000/50 als Lohnbuchhaltungsrechner und eine Compaq 486 unter SCO-Unix fuer das Palettenlager komplettiert. Zugleich sind drei PCs mit einer Emulationssoftware in das Netz integriert. Die Infodok-Loesung wird hardwareseitig ueber zwei LMSI-Jukeboxen vom Typ LMSI 4500 mit jeweils fuenf optischen Platten e 5,6 GB realisiert. Zum Ausdruck der gescannten Belege werden HP-Drucker vom Typ Laserjet 4 eingesetzt. Fuer Retrieval-Aufgaben stehen 19- Zoll-X-Window-Terminals von Motorola zur Verfuegung. Als Scanner findet ein Modell von Fujitsu Verwendung, das Formate bis zu DIN A3 einlesen kann.

Die Umstellung begann im Januar dieses Jahres im Rahmen einer dreimonatigen Testphase, waehrend deren die verschiedenen Kundenwuensche in das Programm eingearbeitet wurden. Am 1. April startete der Echtzeitlauf, in dessen anderthalbmonatiger Startphase eine doppelte Ablage durchgefuehrt wurde.

Nach diesem Zeitraum wurden im Unternehmen saemtliche gescannten Belege vernichtet.

Im ersten Installationsschritt wurde zunaechst die vorhandene Warenwirtschaftsloesung durch ein vernetztes Zweirechnersystem erweitert und in die bestehende Rechnerumgebung integriert. Das neue System umfasst einen Motorola-Unix-Dokumenten-Server mit zwei LMSI-Rapid-Changer-WORM-Einheiten (Write Once, Read Multiple) nebst Laserdrucker, einen Motorola-Unix-Rechner mit 19-Zoll-X- Window-Terminal und Scanner nebst Laserdrucker, vier X-Window- Terminals sowie die DIP-Software mit maus- und tastaturbedienbarer Benutzer-Schnittstelle, Unix-Modul und Informix. Hinzu kommt noch ein FMWORM-Modul, das die Treiber fuer die WORM-Systeme enthaelt, die am Dokumenten-Server angeschlossen sind.

Die fuer die papierarme Verwaltungsloesung grundlegende Software Infodok wurde entwickelt, um Aufbewahrung und Umlauf von Akten, Belegen, Schriftgut und Korrespondenz in Bueros und zwischen Abteilungen zu straffen und zu vereinfachen. Das System legt die Geschaeftsinformationen in elektronischen Speichermedien ab. Der Nachrichtenaustausch zwischen Sachbearbeitern erfolgt hierbei per E-Mail. Die Eingangspost, die bereits in elektronischer Form ueber MDE, Telefax, Sedas oder Edifact eintrifft, wird direkt in die Verarbeitung uebernommen. Herkoemmliche Briefpost wird mit Hilfe des Beleglesers in das System ueberspielt, von wo der Sachbearbeiter die Textkopien auf seinem Bildschirm abrufen kann. Sind andere Mitarbeiter in einen Bearbeitungsvorgang involviert, so werden diesen die Texte automatisch zugaenglich gemacht.

Gescannte Eingangspost sofort auf dem Bildschirm

Mit dem Scanner am Eingabeplatz koennen heute im Un- ternehmen an einem halben Arbeitstag rund 2500 Seiten er- fasst werden. Die gescannte Eingangspost wird unmittelbar nach ihrer Verarbeitung auf dem Bildschirm angezeigt, damit eventuelle Fehler sofort korrigiert werden koennen. Des weiteren werden Plausibilitaetspruefungen durchgefuehrt und die Belege fuer die Speicherung komprimiert.

Auf dem Datenbank-Server werden maschinenerzeugte Belege einschliesslich MDE-Bestellungen, Lieferscheinen, Rechnungen oder Gutschriften automatisch nach den festgelegten Schluesselbegriffen indiziert und gespeichert. Die Belege werden in komprimierter Form auf den WORM-Einheiten abgelegt.

Die Mitarbeiter an den Recherchearbeitsplaetzen koennen die gespeicherten Belege abrufen und ausdrucken. Dabei lassen sich computererzeugter Beleg, beispielsweise eine Spool-Datei mit Rechnungen, und ein eventuell nachtraeglich eingescannter Beleg miteinander vergleichen, Selektionskriterien fuer die Auswahl zu suchender Belege eingeben und abgerufene Belege vergroessern, verkleinern oder drehen. Ferner koennen die Sachbearbeiter zu Vergleichszwecken ueber ein weiteres Fenster im Warenwirtschaftssystem die gespeicherten Konditionen abrufen und einsehen.

Als naechstes soll die per Telefax geschickte Eingangspost direkt den Sachbearbeitern in der Auftragsbearbeitung zugaenglich gemacht und sollen Belege zwischen den Abteilungen per E-Mail ausgetauscht werden koennen. Darueber hinaus sollen Antwortschreiben kuenftig weitestgehend automatisch mit Formbriefen und Textbausteinen erstellt und nebst Anlagen dem Kunden per Telefax zugestellt werden. Die elektronische Kopie soll dabei automatisch der Kundenakte hinzugefuegt werden. Da das System noch ueber beachtliche Kapazitaetsreserven verfuegt, will Papp-Star auch seine anderen Abteilungen an die Dokumentenverwaltung anschliessen.