Ausverkauf der deutschen Grundlagenforschung?

Ehe von FhG und GMD nur auf dem Papier vollzogen

13.04.2001
MÜNCHEN (ajf) - Eitel Sonnenschein herrschte offiziell bei der jährlichen Pressekonferenz der Fraunhofer-Gesellschaft (FhG). Das vergangene Jahr lief gut, nicht zuletzt dank der geplanten Verschmelzung mit der GMD (Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung). Bei deren Mitarbeitern kann von Freude hingegen nicht die Rede sein.

"Insgesamt war 2000 ein erfolgreiches Jahr", lautete das Resümee von Fraunhofer-Präsident Hans-Jürgen Warnecke. Die Umsätze des Forschungskonzerns stiegen um sieben Prozent auf knapp 760 Millionen Euro, rund 645 Millionen Mark davon entfielen auf die Auftragsforschung. Während 39 Prozent und damit der größte Teil der FhG-Erträge aus der Wirtschaft stammten, kamen 35 Prozent als institutionelle Grundzuwendung und der Rest aus der öffentlichen Forschung ins Haus.

Erfolgreich ist laut Warnecke bislang auch die Fusion mit der GMD verlaufen. Seit dem 2. April ist die FhG alleiniger Gesellschafter, die Bundesländer Hessen, NRW und Berlin sowie der Bund haben ihre Anteile abgegeben. Damit schluckt die FhG acht Institute sowie rund 1400 Beschäftigte der GMD in Deutschland, juristisch soll die Integration in zwei Monaten in trockenen Tüchern sein.

Europäischer ForschungsrieseInsgesamt arbeiten rund 10000 Personen in 60 Instituten für die FhG, die damit ihr Gewicht unter den europäischen Forschungsinstitutionen weiter ausbauen kann. Sozusagen en passant wird im kommenden Jahr gleich noch das Berliner Heinrich-Hertz-Institut für Nachrichtentechnik GmbH von der FhG übernommen: "Endlich gibt es in Deutschland eine geeinte Forschungseinrichtung für Spitzenforschung in der Informationstechnik", äußerte sich Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn in einer Presseerklärung erfreut.

Wenig Freude kam jedoch in der GMD-Zentrale nahe Sankt Augustin bei Bonn auf. "Das ist ein trauriger Tag", klagte der Gesamtbetriebsratschef Bernd Hartkopf, Kollegen sprachen von einem "Ausverkauf", von einer "feindlichen Abgabe" durch die Bundesregierung. Um ein Zeichen zu setzen, holten die Forscher die Flaggen der ehemaligen Gesellschafter ein und schickten sie per Post an das Bildungsministerium. Lediglich die Flagge der GMD blieb hängen, allerdings auf Halbmast.

Statt der offiziell geschaffenen Einrichtung für die Spitzenforschung in Deutschland sei nach Angaben des GMD-Betriebsrates eine auf IT spezialisierte Einrichtung zerschlagen worden. Gleichzeitig bleibe die Grundlagenforschung auf der Strecke, da man sich künftig mit auftragsbezogenen Projekten beschäftigen muss: "Die Kompetenz der GMD in der Grundlagenforschung wird durch diese Art von schleichender Privatisierung ausgetrocknet", wird der Betriebsrat in der "Kölnischen Rundschau" zitiert.

Auch der ehemalige GMD-Chef Dennis Tsichritzis verwendete auf der FhG-Pressekonferenz - ob bewusst oder unterbewusst - das Wort "Akquisition", mit der die FhG ihr Informations- und Kommunikations-Know-how "verdoppelt" habe. Tsichritzis, der in den FhG-Vorstand aufrückt, gab sich betont optimistisch, dass viele der heutigen Fragen in ein bis zwei Jahren vergessen seien. Fusionsbedingte Kündigungen soll es nicht geben, eher wird mit einem Personalwachstum gerechnet. "Nach einem schwierigen Verlauf kriegen wir den Fusionsprozess jetzt in den Griff", so das Fazit von FhG-Präsident Warnecke.