Nur Innovationen regenerieren europäische Industrie:

EG unterstützt Förderung junger Unternehmen

04.11.1983

Der sich verschärfende Technologiewettbewerb zwischen den Industriestaaten bringt es mit sich, daß immer mehr Industrieunternehmen in einen Innovationsrückstand geraten, den Marktanschluß verlieren und so aus dem Wettbewerb ausscheiden. Diese Ausfallrate ließe sich zwar vermindern, folgenschwerer ist aber, wenn sich eine Industrie nicht durch Neugründungen wieder ausreichend regenerieren kann. Das ist der Fall, wenn sich Neugründungen nicht finanzieren lassen.

In der Bundesrepublik ist das Angebot an risikotragendem Beteiligungskapital, das Unternehmensgründungen zur kommerziellen Nutzung neuer Technologien finanzieren kann, sogenanntes Venture Capital, verschwindend gering. Im Wettbewerb der Industriestaaten, der durch die rasche Umsetzung neuer Technologien im Markt wesentlich beeinflußt wird, spielen aber Unternehmensneugründungen eine entscheidende Rolle.

Ein Rückstand in diesem Bereich kann die Wettbewerbsposition eines Landes nachhaltig schwächen und läßt sich nur langfristig wieder beheben. Ernstestes Zeichen von europäischer Dimension ist in der Tat der Verfall der "leadership", im wesentlichen durch die kontinuierliche Zerstörung der industriellen Infrastruktur.

Der hochentwickelte amerikanische Venture-Capital-Markt hat die Rolle neuer Technologiefirmen für die Wettbewerbskraft der amerikanischen Wirtschaft klar erkennen lassen. Darum bemüht sich die Kommission der Europäischen Gemeinschaften EG seit Ende der 70er Jahre, die Bedeutung von Venture Capital für die Regeneration der industriellen Infrastruktur hervorzuheben.

Sie trug dazu bei, daß einige Mitgliedsländer der EG 1981 eigene Maßnahmen zur Entwicklung eines nationalen Venture-Capital-Ange,bots eingeleitet haben. So fördern sie über staatliche Rückgarantien oder steuerliche Entlastungen den Aufbau von Venture-Capital-Fonds und damit die Entwicklung von kompetentem Venture-Management.

Heute verfügen Großbritannien, die Niederlande und auch Irland über orgnisierte, leistungsfähige Venture-Capital-Märkte, die in absehbarer Zeit auch Anlagemöglichkeiten im europäischen Ausland suchen könnten, sobald interessante Technologieprojekte im eigenen Land knapp werden.

In diesen Ländern sind inzwischen auch Sekundärbörsen geschaffen worden, um Venture-Capital-Beteiligungen auch wieder verkaufen und den Wertzuwachs der Beteiligungen realisieren zu können. Andere EG-Länder wie Belgien und Frankreich sind der Entwicklung gefolgt, so daß die Bundesrepublik Deutschland einen Rückstand von wenigstens zwei Jahren aufzuholen hat. Das gilt insbesondere für den Aufbau von Venture Management-Kapazität.

Integration nötig

Damit die Entwicklungen innerhalb der Gemeinschaft nicht zuweit auseinander laufen, ergriff die EG-Kommission integrierende Maßnahmen. Schon seit 1980 fördert sie die europäische Zusammenarbeit nationaler Venture-Capital-Gesellschaften über ein Verbindungsbüro in Brüssel mit zwei Zielen: neuen Technologieunternehmen von ihrem Start an den Gemeinsamen Markt zu öffnen, und den nationalen VentureCapital-Gesellschaften eine europäische Dimension zu geben.

Seit 1980 stützt die EG-Komission auch den Erfahrungsaustausch zwischen den europäischen Ländern in jährlichen Symposien über Innovationsfinanzierung.

Das nächste wird vom 23. bis 25. November 1983 in Luxemburg stattfinden. Unter dem Thema "Entwicklung von Kapitalmärkten zur Regeneration der Industrie" wird sich das Symposium auf drei Schwerpunkte konzentrieren: die Erschließung institutioneller Investoren, die steuerlichen Rahmenbedingungen für Venture Capital und die Sekundärbörsen als "Ausstiegsmechanismen". Im Rahmen dieser Symposien werden von Arbeitsgruppen spezielle Problembereiche der Innovationsfinanzierung untersucht, um der EG-Kommission Empfehlungen für das weitere Vorgehen zu geben.

So hat die EG-Kommission inzwischen EG-weite Studien über Steueraspekte in der Förderung von Venture-Capital-Investments und über die Börsen-Infrastruktur in Auftrag gegeben. Sie folgt der Empfehlung, einen EG-weiten Verband der Gesellschaften zu unterstützen, die sich auf die Innovationsfinanzierung spezialisiert haben.

NIC III soll genutzt werden

Dieser Verband soll die Erfahrungen, die in einigen Ländern bereits gemacht wurden anderen zugänglich machen und neuen Technologiefirmen helfen das Potential des Gemeinsamen Marktes auszuschöpfen.

Die EG-Komission hat außerdem die spezifischen Finanzierungsprobleme in kleinen und mittleren innovativen Unternehmen untersucht und damit die Möglichkeiten, wie das Instrumentarium der EG effektiver die spezifischen Risiken innovativer Investitionen abdecken kann.

Inzwischen hat sie dem Rat vorgeschlagen, das "Neue Finanzierungsinstrument der Gemeinschaft" (NIC III) im Anleihenmarkt zur Entwicklung eines europäischen Venture-Capital-Marktes zu nutzen. Die Absicht ist:

- eine dem Beteiligungskapital nahe Kreditform als "lnnovationskredit" zu schaffen und ihn über eine Rückgarantie im EG-Etat abzusichern,

- und einen Innovationsfonds auf EG-Ebene zu etablieren der sich selbst regenerieren kann und der vor allem übernationale Projekte unterstützen soll.

Irland macht's vor

Wie sich ein nationaler Venture-Capital-Markt auch ohne staatliche Hilfe entwicklen konnte, zeigt das Beispiel Irlands. Die enge "verwandschaftliche" Beziehung des Landes mit den USA und die notwendige Industrialisierung des Landes ließen es schon sehr früh an den amerikanischen Erfahrungen partizipieren. Allein fünf große irische Venture-Capital-Gesellschaften wurden in den 70er Jahren gegründet und haben inzwischen rund 20 Millionen irische Pfund investiert.

Das ist in dem kleinen Land mit nur 3,4 Millionen Einwohnern möglich, obwohl der Staat über die Industrial Development Authority (IDA) Industrieansiedlung großzügig unterstützt und eine Kapitalgewinnsteuer von 60 Prozent in Irland sehr hinderlich ist. Wenn die irischen Venture-Capital-Gesellschaften, von denen vier den Banken gehören oder von ihnen kontrolliert werden, ihre Gewinne über der Inflationsquote halten wollten, hatten sie in der Vergangenheit mindestens 20 Prozent zu erwirtschaften.

Für den staatlichen Eingriff zur Förderung des Venture-Capital-Angebots in den übrigen europäischen Ländern gibt es ein entscheidendes Argument: der Kapazitätsaufbau für glaubwürdiges Venture-Management, das den Erfolg von Venture Capital erst sichern kann. Die staatlichen Initiativen konzentrieren sich auf zwei grundlegende Ansätze:

- den Risikoausgleich über Garantiefonds (Versicherungssystem), in dem die Investoren gegen Prämie eine Rückversicherung auf Staatsebene erhalten; und

- den Risikoausgleich über Steuerentlastung des Investors (Steuererstundungssystem), in dem mittel- und langfristig ein Multiplikator für Steuereinnahmen zu sehen ist.

*Siegfried Neumann von der Infobrief Luxembourg SARL ist Koordinator der EG-Symposien über Innovationsfinanzierung.

Er hielt diesen Vortrag Anfang Oktober auf dem Kongreß Venture '83 in München (Anm. d. Red.: In CW 44/83 erscheint eine Aufstellung staatlicher Förderungsmaßnahmen in Europa).