Schaffung einheitlicher Testinstanzen bereitet noch Probleme

EG-Telecom-Minister erweitern die Basis für die Liberalisierung

13.07.1990

LUXEMBURG (IDG/vwd) - In ihrem Bemühen, Rechtsvorschriften für den Binnenmarkt zu schaffen, sind die EG-Telecom-Minister auf ihrem jüngsten Treffen in Luxemburg offenbar nur bedingt weitergekommen. So lassen das Konzept des offenen Netzzugangs und die Neuordnung der Endgeräte-Zulassung nach wie vor noch Wünsche offen.

Die auf ministerieller Ebene verabschiedete Direktive für eine Telecom-Liberalisierung auf Netzebene soll im Rahmen des "Open-Network-Provision-Konzepts" (ONP) erfolgen. Auf diese Weise erhalten private Unternehmen die Möglichkeit, bei neuen Diensten im Fernmeldenetz mit den öffentlichen Anbietern zu konkurrieren. ONP-Richtlinien werden unter anderem für Mietleitungen, paket- und leitungsvermittelte Datenübermittlungs-Dienste, das diensteintegrierende digitale Fernsprechnetz ISDN, Sprachtelefon-Dienste und gegebenenfalls auch für Mobilfunk-Dienste erarbeitet. Die Umorientierung bezweckt, daß private Diensteanbieter nicht mehr wie bisher eigene Normen favorisieren und einsetzen, sondern sich an einheitlichen Standards orientierten.

Draft-Implementierungen für ONP erfolgen in Kürze

Die EG-Kommission betonte jedoch, daß der jetzt geschaffene Rahmen noch mit Leben, genauer gesagt mit entsprechender Gesetzgebung und speziell ausgerichteten Diensteangeboten, gefüllt werden müsse. Mit Draft-Implementierungen ist nach Brüsseler Angaben innerhalb der nächsten sechs Monate zu rechnen.

Die Gründe für die Schwierigkeiten bei der Realisierung des Konzepts für Open Network Provision seien zunächst auf einen Mangel an harmonisierten technischen Interfaces zurück-zuführen. Außerdem spielten hier die noch voneinander abweichenden Nutzungskonditionen und die unterschiedlichen Tarifauslegungen eine Rolle.

Im Hinblick auf den Einsatz von Endgeräten sieht eine von der Kommission während des Ministertreffens eingebrachte Vereinbarung gestraffte und vereinheitliche Zertifikationsverfahren vor. Die jeweiligen Zulassungen sollen nicht mehr länderspezifisch gehandhabt, sondern an übergeordneten EG-weiten Testinstanzen aufgehängt werden. Ein Hersteller, der seine Systeme im einem Land zertifizieren läßt kann sie dann automatisch auch in den anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaft auf den Markt bringen.

Der EG-Ministerrat will dem derzeit noch nicht bindenden Agreement im Laufe der nächsten vier bis sechs Monate durch eine offizielle EG-Richtlinie Geltung verschaffen. Nach der Beratung im Europäischen Parlament soll das sogenannte Singletype-Zulassungsverfahren dann ab Anfang 1991 in sämtlichen zwölf Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaft greifen.

Die Direktive bereitet derzeit noch Kopfzerbrechen, weil die Interoperabilitäts-Problematik in einzelnen Punkten weiterhin ungeklärt ist und auch noch nicht endgültig feststeht, welche Bedeutung künftig dem für die Konformitätsprüfungen vorgeschlagenen "Approval Committee for Telecom Equipment" (ACTE) zukommt.

Normis Standards oder länderspezifische Regeln

Fest steht jedoch inzwischen, daß entsprechende Richtlinien nur für solche Terminals gelten, die für die auch in Zukunft monopolistisch betriebenen Sprach- und Telexservices bestimmt sind. Wie von seiten der Kommission betont wurde, fehlt es auch weiterhin an Telecom-Standards und Spezifikationen, die eine sinnvolle Singletype-Zulassung erst ermöglichen.

Bisher müssen sich die Anbieter nach den sogenannten Normis-Europeens-Telecommunications-Standards richten. Diese Vorschrift hat jedoch ihre Tükken, da erst Teilnormen zur Verfügung stehen und nur eine Handvoll von Netzwerk-Komponenten bisher damit in Einklang steht. Erschwerend kommt hinzu, daß das jeweilige diesen Normen angepaßte Equipment zusätzlich in jedem Land zertifiziert werden muß.

Dies soll nun im Rahmen der neuen Zertifizierungs-Verfahren wegfallen. Die künftigen zentralen Prüfstelle auf europäischer Ebene berücksichtigen entweder - wenn vorhanden die genannten Normis-Spezifikationen oder die länderspezifischen Reglementierungen für sämtliche Mitgliedsstaaten.

Übereinstimmung auch mit der französischen Post

Im Zusammenhang mit der Rechtsangleichung über Endgeräte in der Telekommunikation einigten sich die EG-Minister im übrigen auf das von der Bundesrepublik Deutschland, den Niederlanden sowie Großbritannien forderte Konzept für die künftige Zulassungspraxis. Danach sollen dem Verfahren der vorangehenden Genehmigungspflicht durch die zuständigen Behörden nur solche Endgeräte unterliegen, die aufgrund ihrer Konstruktion und Beschaffenheit für einen Anschluß an öffentliche Telefonnetze gedacht sind.

Ihnen werden Endgeräte gleichgestellt, die bei Betrieb eine Rundfunkfrequenz in Anspruch nehmen. Für Systeme dagegen, die nicht für den Anschluß an das öffentliche Netz konzipiert sind, jedoch dafür in Frage kommen können, soll der Hersteller eine Erklärung über Merkmale und Verwendungszweck hinterlegen. Dabei wird den Mitgliedsstaaten auf Drängen Frankreichs und Belgiens ausdrücklich das Recht eingeräumt, aufgrund der nationalen Gesetzgebung einzugreifen und gegen Verstöße vorzugehen.

Die Konsensfindung speziell in diesem Punkt gestaltete sich schwierig, da der französische Post- und Telekommunikations-Minister Paul Quiles auf zusätzliche Genehmigungsverfahren zur Wahrung hoher Qualitätsstandards gedrängt hatte. Bundespostminister Schwarz-Schilling wandte sich jedoch gegen eine solche Regelung, da sie seiner Meinung zu einer die Investitionstätigkeit hemmenden Bürokratie führe.